Begegnung auch Gleiches, wenn auch in unendlich ver- schiedenen und mannichfaltigen Farben und Nüancirungen. Unsere directe Forschung hat an diesem Punkt ein Ende; ob uns in der Vervollkommnung noch höher ge- steigerte Jnstrumente weitere Blicke gestatten werden, wissen wir heute nicht.
Daß Geist und Natur immer dasselbe, daß Vernunft- und Naturgesetze identisch sind, dürfte im Wesentlichen schon aus dem hervorgegangen sein, was wir über das Verhältniß von Kraft und Stoff vorgebracht haben. Was wir Geist, Denken, Erkenntnißvermögen nennen, setzt sich aus natürlichen, wenn auch eigenthümlich com- binirten Kräften zusammen, die wiederum, wie jede andre Naturkraft, nur an bestimmten Stoffen in die Erschei- nung treten können. Diese Stoffe sind im organischen Leben nur in einer unendlich complicirten und besonders gestalteten Weise verbunden, und bringen deßwegen auch Effecte hervor, die uns für den ersten und oberflächlichen Anblick wunderbar und unerklärlich erscheinen, während in der anorganischen Welt alle Processe und Wirkungen unendlicher einfacher und daher auch leichter zu begreifen sind. Aber im Wesen sind beide dasselbe, und die Er- fahrung lehrt uns daher auch auf jedem Schritte, daß die Gesetze des Denken's die Gesetze der Welt sind.
"Ein Hauptpunkt des Beweises", sagt Oersted, "daß die Naturgesetze Vernunftgesetze sind, ist, daß wir
Begegnung auch Gleiches, wenn auch in unendlich ver- ſchiedenen und mannichfaltigen Farben und Nüancirungen. Unſere directe Forſchung hat an dieſem Punkt ein Ende; ob uns in der Vervollkommnung noch höher ge- ſteigerte Jnſtrumente weitere Blicke geſtatten werden, wiſſen wir heute nicht.
Daß Geiſt und Natur immer daſſelbe, daß Vernunft- und Naturgeſetze identiſch ſind, dürfte im Weſentlichen ſchon aus dem hervorgegangen ſein, was wir über das Verhältniß von Kraft und Stoff vorgebracht haben. Was wir Geiſt, Denken, Erkenntnißvermögen nennen, ſetzt ſich aus natürlichen, wenn auch eigenthümlich com- binirten Kräften zuſammen, die wiederum, wie jede andre Naturkraft, nur an beſtimmten Stoffen in die Erſchei- nung treten können. Dieſe Stoffe ſind im organiſchen Leben nur in einer unendlich complicirten und beſonders geſtalteten Weiſe verbunden, und bringen deßwegen auch Effecte hervor, die uns für den erſten und oberflächlichen Anblick wunderbar und unerklärlich erſcheinen, während in der anorganiſchen Welt alle Proceſſe und Wirkungen unendlicher einfacher und daher auch leichter zu begreifen ſind. Aber im Weſen ſind beide daſſelbe, und die Er- fahrung lehrt uns daher auch auf jedem Schritte, daß die Geſetze des Denken’s die Geſetze der Welt ſind.
„Ein Hauptpunkt des Beweiſes‟, ſagt Oerſted, „daß die Naturgeſetze Vernunftgeſetze ſind, iſt, daß wir
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Begegnung auch Gleiches, wenn auch in unendlich ver-
ſchiedenen und mannichfaltigen Farben und Nüancirungen.
Unſere directe Forſchung hat an dieſem Punkt ein
Ende; ob uns in der Vervollkommnung noch höher ge-
ſteigerte Jnſtrumente weitere Blicke geſtatten werden,
wiſſen wir heute nicht.
Daß Geiſt und Natur immer daſſelbe, daß Vernunft-
und Naturgeſetze identiſch ſind, dürfte im Weſentlichen
ſchon aus dem hervorgegangen ſein, was wir über das
Verhältniß von Kraft und Stoff vorgebracht haben.
Was wir Geiſt, Denken, Erkenntnißvermögen nennen,
ſetzt ſich aus natürlichen, wenn auch eigenthümlich com-
binirten Kräften zuſammen, die wiederum, wie jede andre
Naturkraft, nur an beſtimmten Stoffen in die Erſchei-
nung treten können. Dieſe Stoffe ſind im organiſchen
Leben nur in einer unendlich complicirten und beſonders
geſtalteten Weiſe verbunden, und bringen deßwegen auch
Effecte hervor, die uns für den erſten und oberflächlichen
Anblick wunderbar und unerklärlich erſcheinen, während
in der anorganiſchen Welt alle Proceſſe und Wirkungen
unendlicher einfacher und daher auch leichter zu begreifen
ſind. Aber im Weſen ſind beide daſſelbe, und die Er-
fahrung lehrt uns daher auch auf jedem Schritte, daß
die Geſetze des Denken’s die Geſetze der Welt ſind.
„Ein Hauptpunkt des Beweiſes‟, ſagt Oerſted,
„daß die Naturgeſetze Vernunftgeſetze ſind, iſt, daß wir
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/72>, abgerufen am 31.07.2024.
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