Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

kaum gelingen; entweder stehen sie mit den Thatsachen
im Widerspruch, oder sie streifen in das Gebiet des
Glaubens, oder sie schützen sich hinter einer nicht zu
errathenden Unklarheit. So sagt z. B. der berühmte
Oersted: "die Welt wird von einer ewigen Vernunft
regiert, die uns ihre Wirkungen als unabänderliche
Naturgesetze kund gibt." Niemand aber wird begreifen
können, wie eine ewige und regierende Vernunft mit
unabänderlichen Naturgesetzen in Einklang zu bringen
sei; entweder regieren die Naturgesetze, oder es regiert
die ewige Vernunft; beide miteinander müßten jeden
Augenblick in Conflikt gerathen; das Regieren der letz-
teren würde das der ersteren unnöthig machen, wogegen
das Walten unabänderlicher Naturgesetze keinen ander-
weiten persönlichen Eingriff duldet und deßwegen über-
haupt gar kein Regieren mehr zu nennen ist. Anderer-
seits möchten wir wiederum einen Ausspruch desselben
Oersted denjenigen entgegenhalten, welche ein den
Menschen niederdrückendes und beunruhigendes Gefühl
aus dieser Erkenntniß von dem Wirken unabänderlicher
Naturgesetze schöpfen zu müssen glauben. "Durch diese
Erkenntniß," sagt Oersted, "wird die Seele in eine
innere Ruhe und in Einklang mit der ganzen Natur
versetzt und wird dadurch von jeder abergläubischen Furcht
gereinigt, deren Grund immer in der Einbildung liegt,
daß Kräfte außerhalb der Ordnung der Vernunft in

kaum gelingen; entweder ſtehen ſie mit den Thatſachen
im Widerſpruch, oder ſie ſtreifen in das Gebiet des
Glaubens, oder ſie ſchützen ſich hinter einer nicht zu
errathenden Unklarheit. So ſagt z. B. der berühmte
Oerſted: „die Welt wird von einer ewigen Vernunft
regiert, die uns ihre Wirkungen als unabänderliche
Naturgeſetze kund gibt.‟ Niemand aber wird begreifen
können, wie eine ewige und regierende Vernunft mit
unabänderlichen Naturgeſetzen in Einklang zu bringen
ſei; entweder regieren die Naturgeſetze, oder es regiert
die ewige Vernunft; beide miteinander müßten jeden
Augenblick in Conflikt gerathen; das Regieren der letz-
teren würde das der erſteren unnöthig machen, wogegen
das Walten unabänderlicher Naturgeſetze keinen ander-
weiten perſönlichen Eingriff duldet und deßwegen über-
haupt gar kein Regieren mehr zu nennen iſt. Anderer-
ſeits möchten wir wiederum einen Ausſpruch deſſelben
Oerſted denjenigen entgegenhalten, welche ein den
Menſchen niederdrückendes und beunruhigendes Gefühl
aus dieſer Erkenntniß von dem Wirken unabänderlicher
Naturgeſetze ſchöpfen zu müſſen glauben. „Durch dieſe
Erkenntniß,‟ ſagt Oerſted, „wird die Seele in eine
innere Ruhe und in Einklang mit der ganzen Natur
verſetzt und wird dadurch von jeder abergläubiſchen Furcht
gereinigt, deren Grund immer in der Einbildung liegt,
daß Kräfte außerhalb der Ordnung der Vernunft in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0061" n="41"/>
kaum gelingen; entweder &#x017F;tehen &#x017F;ie mit den That&#x017F;achen<lb/>
im Wider&#x017F;pruch, oder &#x017F;ie &#x017F;treifen in das Gebiet des<lb/>
Glaubens, oder &#x017F;ie &#x017F;chützen &#x017F;ich hinter einer nicht zu<lb/>
errathenden Unklarheit. So &#x017F;agt z. B. der berühmte<lb/><hi rendition="#g">Oer&#x017F;ted:</hi> &#x201E;die Welt wird von einer ewigen Vernunft<lb/>
regiert, die uns ihre Wirkungen als unabänderliche<lb/>
Naturge&#x017F;etze kund gibt.&#x201F; Niemand aber wird begreifen<lb/>
können, wie eine ewige und <hi rendition="#g">regierende</hi> Vernunft mit<lb/>
unabänderlichen Naturge&#x017F;etzen in Einklang zu bringen<lb/>
&#x017F;ei; entweder regieren die Naturge&#x017F;etze, oder es regiert<lb/>
die ewige Vernunft; beide miteinander müßten jeden<lb/>
Augenblick in Conflikt gerathen; das Regieren der letz-<lb/>
teren würde das der er&#x017F;teren unnöthig machen, wogegen<lb/>
das Walten unabänderlicher Naturge&#x017F;etze keinen ander-<lb/>
weiten per&#x017F;önlichen Eingriff duldet und deßwegen über-<lb/>
haupt gar kein <hi rendition="#g">Regieren</hi> mehr zu nennen i&#x017F;t. Anderer-<lb/>
&#x017F;eits möchten wir wiederum einen Aus&#x017F;pruch de&#x017F;&#x017F;elben<lb/><hi rendition="#g">Oer&#x017F;ted</hi> denjenigen entgegenhalten, welche ein den<lb/>
Men&#x017F;chen niederdrückendes und beunruhigendes Gefühl<lb/>
aus die&#x017F;er Erkenntniß von dem Wirken unabänderlicher<lb/>
Naturge&#x017F;etze &#x017F;chöpfen zu mü&#x017F;&#x017F;en glauben. &#x201E;Durch die&#x017F;e<lb/>
Erkenntniß,&#x201F; &#x017F;agt Oer&#x017F;ted, &#x201E;wird die Seele in eine<lb/>
innere Ruhe und in Einklang mit der ganzen Natur<lb/>
ver&#x017F;etzt und wird dadurch von jeder abergläubi&#x017F;chen Furcht<lb/>
gereinigt, deren Grund immer in der Einbildung liegt,<lb/>
daß Kräfte außerhalb der Ordnung der Vernunft in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0061] kaum gelingen; entweder ſtehen ſie mit den Thatſachen im Widerſpruch, oder ſie ſtreifen in das Gebiet des Glaubens, oder ſie ſchützen ſich hinter einer nicht zu errathenden Unklarheit. So ſagt z. B. der berühmte Oerſted: „die Welt wird von einer ewigen Vernunft regiert, die uns ihre Wirkungen als unabänderliche Naturgeſetze kund gibt.‟ Niemand aber wird begreifen können, wie eine ewige und regierende Vernunft mit unabänderlichen Naturgeſetzen in Einklang zu bringen ſei; entweder regieren die Naturgeſetze, oder es regiert die ewige Vernunft; beide miteinander müßten jeden Augenblick in Conflikt gerathen; das Regieren der letz- teren würde das der erſteren unnöthig machen, wogegen das Walten unabänderlicher Naturgeſetze keinen ander- weiten perſönlichen Eingriff duldet und deßwegen über- haupt gar kein Regieren mehr zu nennen iſt. Anderer- ſeits möchten wir wiederum einen Ausſpruch deſſelben Oerſted denjenigen entgegenhalten, welche ein den Menſchen niederdrückendes und beunruhigendes Gefühl aus dieſer Erkenntniß von dem Wirken unabänderlicher Naturgeſetze ſchöpfen zu müſſen glauben. „Durch dieſe Erkenntniß,‟ ſagt Oerſted, „wird die Seele in eine innere Ruhe und in Einklang mit der ganzen Natur verſetzt und wird dadurch von jeder abergläubiſchen Furcht gereinigt, deren Grund immer in der Einbildung liegt, daß Kräfte außerhalb der Ordnung der Vernunft in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/61
Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/61>, abgerufen am 01.05.2024.