überall und unter allen Umständen ein und dasselbe Ding, begabt mit denselben und ihm immanenten Ei- genschaften und kann nie und in alle Ewigkeit nicht etwas anderes werden. Sei es, wo es wolle, überall wird es das nämliche Wesen sein; aus jeder noch so heterogenen Verbindung wird es bei dem Zerfall der- selben als dasselbe Atom wieder austreten, als das es eintrat. Nie und nimmer kann aber ein Atom neu ent- stehen oder aus dem Dasein verschwinden; es kann nichts, als seine Verbindungen wechseln. Aus diesen Gründen ist der Stoff unsterblich, und aus diesem Grunde ist es, wie schon früher dargethan, unmöglich, daß die Welt eine gewordene sei. Wie könnte Etwas geschaffen worden sein, das nicht vernichtet werden kann! Der Stoff muß ewig gewesen sein, ewig sein und ewig bleiben. --
Es ist eine bis zum Ueberdruß gehörte und wieder- holte Redensart vom "sterblichen Leib" und "unsterblichen Geist". Eine etwas genauere Ueberlegung würde den Satz vielleicht mit mehr Wahrheit umkehren lassen. Der Leib in seiner individuellen Gestalt ist freilich sterblich, nicht aber in seinen Bestandtheilen. Nicht bloß im Tode, sondern auch im Leben verwandelt er sich, wie wir gesehen haben, ohne Aufhören; aber in einem höheren Sinne ist er unsterblich, da nicht das kleinste Theilchen von ihm vernichtet werden kann. Dagegen sehen wir
überall und unter allen Umſtänden ein und daſſelbe Ding, begabt mit denſelben und ihm immanenten Ei- genſchaften und kann nie und in alle Ewigkeit nicht etwas anderes werden. Sei es, wo es wolle, überall wird es das nämliche Weſen ſein; aus jeder noch ſo heterogenen Verbindung wird es bei dem Zerfall der- ſelben als daſſelbe Atom wieder austreten, als das es eintrat. Nie und nimmer kann aber ein Atom neu ent- ſtehen oder aus dem Daſein verſchwinden; es kann nichts, als ſeine Verbindungen wechſeln. Aus dieſen Gründen iſt der Stoff unſterblich, und aus dieſem Grunde iſt es, wie ſchon früher dargethan, unmöglich, daß die Welt eine gewordene ſei. Wie könnte Etwas geſchaffen worden ſein, das nicht vernichtet werden kann! Der Stoff muß ewig geweſen ſein, ewig ſein und ewig bleiben. —
Es iſt eine bis zum Ueberdruß gehörte und wieder- holte Redensart vom „ſterblichen Leib‟ und „unſterblichen Geiſt‟. Eine etwas genauere Ueberlegung würde den Satz vielleicht mit mehr Wahrheit umkehren laſſen. Der Leib in ſeiner individuellen Geſtalt iſt freilich ſterblich, nicht aber in ſeinen Beſtandtheilen. Nicht bloß im Tode, ſondern auch im Leben verwandelt er ſich, wie wir geſehen haben, ohne Aufhören; aber in einem höheren Sinne iſt er unſterblich, da nicht das kleinſte Theilchen von ihm vernichtet werden kann. Dagegen ſehen wir
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überall und unter allen Umſtänden ein und daſſelbe
Ding, begabt mit denſelben und ihm immanenten Ei-
genſchaften und kann nie und in alle Ewigkeit nicht
etwas anderes werden. Sei es, wo es wolle, überall
wird es das nämliche Weſen ſein; aus jeder noch ſo
heterogenen Verbindung wird es bei dem Zerfall der-
ſelben als daſſelbe Atom wieder austreten, als das es
eintrat. Nie und nimmer kann aber ein Atom neu ent-
ſtehen oder aus dem Daſein verſchwinden; es kann
nichts, als ſeine Verbindungen wechſeln. Aus dieſen
Gründen iſt der Stoff unſterblich, und aus dieſem
Grunde iſt es, wie ſchon früher dargethan, unmöglich,
daß die Welt eine gewordene ſei. Wie könnte Etwas
geſchaffen worden ſein, das nicht vernichtet werden kann!
Der Stoff muß ewig geweſen ſein, ewig ſein und ewig
bleiben. —
Es iſt eine bis zum Ueberdruß gehörte und wieder-
holte Redensart vom „ſterblichen Leib‟ und „unſterblichen
Geiſt‟. Eine etwas genauere Ueberlegung würde den
Satz vielleicht mit mehr Wahrheit umkehren laſſen. Der
Leib in ſeiner individuellen Geſtalt iſt freilich ſterblich,
nicht aber in ſeinen Beſtandtheilen. Nicht bloß im
Tode, ſondern auch im Leben verwandelt er ſich, wie wir
geſehen haben, ohne Aufhören; aber in einem höheren
Sinne iſt er unſterblich, da nicht das kleinſte Theilchen
von ihm vernichtet werden kann. Dagegen ſehen wir
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/36>, abgerufen am 24.11.2024.
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