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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

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mannigfaltige Wechselwirkung von Stoffen und Kräften
in der belebten Natur muß auch unendlich zahlreiche und
mannigfaltige Produktionen zur Folge haben, welche keine
Grenzen zwischen sich lassen, sondern sich in allen Rich-
tungen und in ununterbrochenem Zusammenhang aus-
breiten. Die Natur kennt keine Grenzen, sondern nur
der systematisirende Verstand des Menschen. Deßwegen
hat auch der Mensch kein Recht, sich über die organische
Welt vornehm hinauszusetzen, und als Wesen verschie-
dener und höherer Art
anzusehen; sondern er soll
den festen und unzerreißbaren Faden erkennen, der ihn
an die Natur selber kettet; mit Allem, was lebt und
blüht, theilt er gleichen Ursprung und gleiches Ende.

Herr Professor B. Cotta erzählt eine merkwürdige,
von Darwin zuerst beobachtete Geschichte von einem auf
den Keelinginseln lebenden Krebs, welcher auf eigenthüm-
liche Weise die Cokosnüsse mit seinen Scheeren öffnet und
den darin enthaltenen Kern verzehrt. Jn diesem Verhält-
niß wollte man einen Beweis für einen ganz besonderen
angebornen Jnstinkt finden, und der Erzähler scheint so-
gar geneigt, darin einen specifischen Beweis für die
höchste Weisheit des Schöpfers zu erblicken, welcher für
diesen besonderen Zweck ein eigens dazu eingerichtetes
Thier geschaffen haben müsse! Es ist schwer begreiflich,
wie ein Naturforscher auf eine solche Jdee kommen kann,
und eine Widerlegung dieser ganzen Anschauungsweise

mannigfaltige Wechſelwirkung von Stoffen und Kräften
in der belebten Natur muß auch unendlich zahlreiche und
mannigfaltige Produktionen zur Folge haben, welche keine
Grenzen zwiſchen ſich laſſen, ſondern ſich in allen Rich-
tungen und in ununterbrochenem Zuſammenhang aus-
breiten. Die Natur kennt keine Grenzen, ſondern nur
der ſyſtematiſirende Verſtand des Menſchen. Deßwegen
hat auch der Menſch kein Recht, ſich über die organiſche
Welt vornehm hinauszuſetzen, und als Weſen verſchie-
dener und höherer Art
anzuſehen; ſondern er ſoll
den feſten und unzerreißbaren Faden erkennen, der ihn
an die Natur ſelber kettet; mit Allem, was lebt und
blüht, theilt er gleichen Urſprung und gleiches Ende.

Herr Profeſſor B. Cotta erzählt eine merkwürdige,
von Darwin zuerſt beobachtete Geſchichte von einem auf
den Keelinginſeln lebenden Krebs, welcher auf eigenthüm-
liche Weiſe die Cokosnüſſe mit ſeinen Scheeren öffnet und
den darin enthaltenen Kern verzehrt. Jn dieſem Verhält-
niß wollte man einen Beweis für einen ganz beſonderen
angebornen Jnſtinkt finden, und der Erzähler ſcheint ſo-
gar geneigt, darin einen ſpecifiſchen Beweis für die
höchſte Weisheit des Schöpfers zu erblicken, welcher für
dieſen beſonderen Zweck ein eigens dazu eingerichtetes
Thier geſchaffen haben müſſe! Es iſt ſchwer begreiflich,
wie ein Naturforſcher auf eine ſolche Jdee kommen kann,
und eine Widerlegung dieſer ganzen Anſchauungsweiſe

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[239/0259] mannigfaltige Wechſelwirkung von Stoffen und Kräften in der belebten Natur muß auch unendlich zahlreiche und mannigfaltige Produktionen zur Folge haben, welche keine Grenzen zwiſchen ſich laſſen, ſondern ſich in allen Rich- tungen und in ununterbrochenem Zuſammenhang aus- breiten. Die Natur kennt keine Grenzen, ſondern nur der ſyſtematiſirende Verſtand des Menſchen. Deßwegen hat auch der Menſch kein Recht, ſich über die organiſche Welt vornehm hinauszuſetzen, und als Weſen verſchie- dener und höherer Art anzuſehen; ſondern er ſoll den feſten und unzerreißbaren Faden erkennen, der ihn an die Natur ſelber kettet; mit Allem, was lebt und blüht, theilt er gleichen Urſprung und gleiches Ende. Herr Profeſſor B. Cotta erzählt eine merkwürdige, von Darwin zuerſt beobachtete Geſchichte von einem auf den Keelinginſeln lebenden Krebs, welcher auf eigenthüm- liche Weiſe die Cokosnüſſe mit ſeinen Scheeren öffnet und den darin enthaltenen Kern verzehrt. Jn dieſem Verhält- niß wollte man einen Beweis für einen ganz beſonderen angebornen Jnſtinkt finden, und der Erzähler ſcheint ſo- gar geneigt, darin einen ſpecifiſchen Beweis für die höchſte Weisheit des Schöpfers zu erblicken, welcher für dieſen beſonderen Zweck ein eigens dazu eingerichtetes Thier geſchaffen haben müſſe! Es iſt ſchwer begreiflich, wie ein Naturforſcher auf eine ſolche Jdee kommen kann, und eine Widerlegung dieſer ganzen Anſchauungsweiſe

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Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/259>, abgerufen am 25.11.2024.