Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

müthigen Eindruck, da man sich des Gefühls nicht er-
wehren konnte, es sei hier ein menschenartiges, überle-
gendes und fühlendes Wesen eingekäfigt. Dagegen er-
innert der Neger nach der vortrefflichen Schilderung von
Burmeister ebensowohl in seinem geistigen, wie in seinem
physischen Wesen auf's Auffallendste an den Affen. Die-
selbe Nachahmungssucht, dieselbe Feigheit, kurz dasselbe
in allen Charakter-Eigenthümlichkeiten! Jn seiner Ge-
schichte
(so auf Hayti) stellt sich der Neger nach dem
Ausdruck eines Berichterstatters der Allgem. Ztg. "halb
als Tiger, halb als Affe" dar. -- Den brasilianischen
Urmenschen schildert Burmeister als ein Thier in seinem
ganzen Thun und Treiben und jedes höheren geistigen
Lebens ganz entbehrend.

Man hört oft sagen, die Sprache sei ein so charak-
teristisches Unterscheidungszeichen zwischen Mensch und
Thier, welches keinen Zweifel über die tiefe Kluft zwischen
beiden lasse. Die so reden, wissen freilich nicht, daß auch
die Thiere sprechen können. Beweisende Beispiele dafür,
daß die Thiere das Vermögen der gegenseitigen Mitthei-
lung in einem hohen Grade und zwar über ganz concrete
Dinge besitzen, existiren in Menge. Dujardin stellte
weit entfernt von einem Bienenstand eine Schaale mit
Zucker in eine Mauernische. Eine einzelne Biene, welche
diesen Schatz entdeckte, prägte ihrem Gedächtnisse durch
Umherfliegen um die Ränder der Nische und Anstoßen

müthigen Eindruck, da man ſich des Gefühls nicht er-
wehren konnte, es ſei hier ein menſchenartiges, überle-
gendes und fühlendes Weſen eingekäfigt. Dagegen er-
innert der Neger nach der vortrefflichen Schilderung von
Burmeiſter ebenſowohl in ſeinem geiſtigen, wie in ſeinem
phyſiſchen Weſen auf’s Auffallendſte an den Affen. Die-
ſelbe Nachahmungsſucht, dieſelbe Feigheit, kurz daſſelbe
in allen Charakter-Eigenthümlichkeiten! Jn ſeiner Ge-
ſchichte
(ſo auf Hayti) ſtellt ſich der Neger nach dem
Ausdruck eines Berichterſtatters der Allgem. Ztg. „halb
als Tiger, halb als Affe‟ dar. — Den braſilianiſchen
Urmenſchen ſchildert Burmeiſter als ein Thier in ſeinem
ganzen Thun und Treiben und jedes höheren geiſtigen
Lebens ganz entbehrend.

Man hört oft ſagen, die Sprache ſei ein ſo charak-
teriſtiſches Unterſcheidungszeichen zwiſchen Menſch und
Thier, welches keinen Zweifel über die tiefe Kluft zwiſchen
beiden laſſe. Die ſo reden, wiſſen freilich nicht, daß auch
die Thiere ſprechen können. Beweiſende Beiſpiele dafür,
daß die Thiere das Vermögen der gegenſeitigen Mitthei-
lung in einem hohen Grade und zwar über ganz concrete
Dinge beſitzen, exiſtiren in Menge. Dujardin ſtellte
weit entfernt von einem Bienenſtand eine Schaale mit
Zucker in eine Mauerniſche. Eine einzelne Biene, welche
dieſen Schatz entdeckte, prägte ihrem Gedächtniſſe durch
Umherfliegen um die Ränder der Niſche und Anſtoßen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0255" n="235"/>
müthigen Eindruck, da man &#x017F;ich des Gefühls nicht er-<lb/>
wehren konnte, es &#x017F;ei hier ein men&#x017F;chenartiges, überle-<lb/>
gendes und fühlendes We&#x017F;en eingekäfigt. Dagegen er-<lb/>
innert der Neger nach der vortrefflichen Schilderung von<lb/>
Burmei&#x017F;ter eben&#x017F;owohl in &#x017F;einem gei&#x017F;tigen, wie in &#x017F;einem<lb/>
phy&#x017F;i&#x017F;chen We&#x017F;en auf&#x2019;s Auffallend&#x017F;te an den Affen. Die-<lb/>
&#x017F;elbe Nachahmungs&#x017F;ucht, die&#x017F;elbe Feigheit, kurz da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
in allen Charakter-Eigenthümlichkeiten! Jn &#x017F;einer <hi rendition="#g">Ge-<lb/>
&#x017F;chichte</hi> (&#x017F;o auf Hayti) &#x017F;tellt &#x017F;ich der Neger nach dem<lb/>
Ausdruck eines Berichter&#x017F;tatters der Allgem. Ztg. &#x201E;halb<lb/>
als Tiger, halb als Affe&#x201F; dar. &#x2014; Den bra&#x017F;iliani&#x017F;chen<lb/>
Urmen&#x017F;chen &#x017F;childert Burmei&#x017F;ter als ein <hi rendition="#g">Thier</hi> in &#x017F;einem<lb/>
ganzen Thun und Treiben und jedes höheren gei&#x017F;tigen<lb/>
Lebens ganz entbehrend.</p><lb/>
        <p>Man hört oft &#x017F;agen, die <hi rendition="#g">Sprache</hi> &#x017F;ei ein &#x017F;o charak-<lb/>
teri&#x017F;ti&#x017F;ches Unter&#x017F;cheidungszeichen zwi&#x017F;chen Men&#x017F;ch und<lb/>
Thier, welches keinen Zweifel über die tiefe Kluft zwi&#x017F;chen<lb/>
beiden la&#x017F;&#x017F;e. Die &#x017F;o reden, wi&#x017F;&#x017F;en freilich nicht, daß auch<lb/>
die Thiere &#x017F;prechen können. Bewei&#x017F;ende Bei&#x017F;piele dafür,<lb/>
daß die Thiere das Vermögen der gegen&#x017F;eitigen Mitthei-<lb/>
lung in einem hohen Grade und zwar über ganz concrete<lb/>
Dinge be&#x017F;itzen, exi&#x017F;tiren in Menge. <hi rendition="#g">Dujardin</hi> &#x017F;tellte<lb/>
weit entfernt von einem Bienen&#x017F;tand eine Schaale mit<lb/>
Zucker in eine Mauerni&#x017F;che. Eine einzelne Biene, welche<lb/>
die&#x017F;en Schatz entdeckte, prägte ihrem Gedächtni&#x017F;&#x017F;e durch<lb/>
Umherfliegen um die Ränder der Ni&#x017F;che und An&#x017F;toßen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[235/0255] müthigen Eindruck, da man ſich des Gefühls nicht er- wehren konnte, es ſei hier ein menſchenartiges, überle- gendes und fühlendes Weſen eingekäfigt. Dagegen er- innert der Neger nach der vortrefflichen Schilderung von Burmeiſter ebenſowohl in ſeinem geiſtigen, wie in ſeinem phyſiſchen Weſen auf’s Auffallendſte an den Affen. Die- ſelbe Nachahmungsſucht, dieſelbe Feigheit, kurz daſſelbe in allen Charakter-Eigenthümlichkeiten! Jn ſeiner Ge- ſchichte (ſo auf Hayti) ſtellt ſich der Neger nach dem Ausdruck eines Berichterſtatters der Allgem. Ztg. „halb als Tiger, halb als Affe‟ dar. — Den braſilianiſchen Urmenſchen ſchildert Burmeiſter als ein Thier in ſeinem ganzen Thun und Treiben und jedes höheren geiſtigen Lebens ganz entbehrend. Man hört oft ſagen, die Sprache ſei ein ſo charak- teriſtiſches Unterſcheidungszeichen zwiſchen Menſch und Thier, welches keinen Zweifel über die tiefe Kluft zwiſchen beiden laſſe. Die ſo reden, wiſſen freilich nicht, daß auch die Thiere ſprechen können. Beweiſende Beiſpiele dafür, daß die Thiere das Vermögen der gegenſeitigen Mitthei- lung in einem hohen Grade und zwar über ganz concrete Dinge beſitzen, exiſtiren in Menge. Dujardin ſtellte weit entfernt von einem Bienenſtand eine Schaale mit Zucker in eine Mauerniſche. Eine einzelne Biene, welche dieſen Schatz entdeckte, prägte ihrem Gedächtniſſe durch Umherfliegen um die Ränder der Niſche und Anſtoßen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/255
Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/255>, abgerufen am 03.05.2024.