Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835. Herault. Das sind Phrasen für die Nachwelt; nicht wahr, Danton, uns gehen sie eigentlich nichts an. Camille. Er zieht ein Gesicht, als solle er versteinern und von der Nachwelt als Antike ausgegraben wer- den. -- Das verlohnt sich auch der Mühe, Mäulchen zu machen und Roth aufzulegen und mit einem guten Accent zu sprechen; wir sollten einmal die Masken abnehmen, wir sähen dann, wie in einem Zimmer mit Spiegeln, überall nur den einen ural- ten, zahnlosen, unverwüstlichen Schafskopf, nichts mehr, nichts weniger! Die Unterschiede sind so groß nicht, wir Alle sind Schurken und Engel, Dummköpfe und Genie's, und zwar das Alles noch in Einem; die vier Dinge finden Platz genug in dem nämlichen Körper, sie sind nicht so breit, als man sich einbildet. Schlafen, Verdauen, -- das treiben Alle; die übrigen Dinge sind nur Variationen aus ver- schiedenen Tonarten über das nämliche Thema. Da braucht man sich auf die Zehen zu stellen und Gesichter zu schneiden, da braucht man sich vor einander zu geniren! Wir haben uns Alle am nämlichen Tische krank gegessen und haben Leib- Hérault. Das ſind Phraſen für die Nachwelt; nicht wahr, Danton, uns gehen ſie eigentlich nichts an. Camille. Er zieht ein Geſicht, als ſolle er verſteinern und von der Nachwelt als Antike ausgegraben wer- den. — Das verlohnt ſich auch der Mühe, Mäulchen zu machen und Roth aufzulegen und mit einem guten Accent zu ſprechen; wir ſollten einmal die Masken abnehmen, wir ſähen dann, wie in einem Zimmer mit Spiegeln, überall nur den einen ural- ten, zahnloſen, unverwüſtlichen Schafskopf, nichts mehr, nichts weniger! Die Unterſchiede ſind ſo groß nicht, wir Alle ſind Schurken und Engel, Dummköpfe und Genie’s, und zwar das Alles noch in Einem; die vier Dinge finden Platz genug in dem nämlichen Körper, ſie ſind nicht ſo breit, als man ſich einbildet. Schlafen, Verdauen, — das treiben Alle; die übrigen Dinge ſind nur Variationen aus ver- ſchiedenen Tonarten über das nämliche Thema. Da braucht man ſich auf die Zehen zu ſtellen und Geſichter zu ſchneiden, da braucht man ſich vor einander zu geniren! Wir haben uns Alle am nämlichen Tiſche krank gegeſſen und haben Leib- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0146" n="142"/> <sp who="#HERA"> <speaker> <hi rendition="#g">H<hi rendition="#aq">é</hi>rault.</hi> </speaker><lb/> <p>Das ſind Phraſen für die Nachwelt; nicht wahr,<lb/> Danton, uns gehen ſie eigentlich nichts an.</p> </sp><lb/> <sp who="#CAM"> <speaker> <hi rendition="#g">Camille.</hi> </speaker><lb/> <p>Er zieht ein Geſicht, als ſolle er verſteinern<lb/> und von der Nachwelt als Antike ausgegraben wer-<lb/> den. — Das verlohnt ſich auch der Mühe, Mäulchen<lb/> zu machen und Roth aufzulegen und mit einem<lb/> guten Accent zu ſprechen; wir ſollten einmal die<lb/> Masken abnehmen, wir ſähen dann, wie in einem<lb/> Zimmer mit Spiegeln, überall nur den <hi rendition="#g">einen</hi> ural-<lb/> ten, zahnloſen, unverwüſtlichen Schafskopf, nichts<lb/> mehr, nichts weniger! Die Unterſchiede ſind ſo<lb/> groß nicht, wir Alle ſind Schurken und Engel,<lb/> Dummköpfe und Genie’s, und zwar das Alles noch<lb/> in Einem; die vier Dinge finden Platz genug in<lb/> dem nämlichen Körper, ſie ſind nicht ſo breit, als man<lb/> ſich einbildet. Schlafen, Verdauen, — das treiben Alle;<lb/> die übrigen Dinge ſind nur Variationen aus ver-<lb/> ſchiedenen Tonarten über das nämliche Thema. Da<lb/> braucht man ſich auf die Zehen zu ſtellen und<lb/> Geſichter zu ſchneiden, da braucht man ſich vor<lb/> einander zu geniren! Wir haben uns Alle am<lb/> nämlichen Tiſche krank gegeſſen und haben Leib-<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [142/0146]
Hérault.
Das ſind Phraſen für die Nachwelt; nicht wahr,
Danton, uns gehen ſie eigentlich nichts an.
Camille.
Er zieht ein Geſicht, als ſolle er verſteinern
und von der Nachwelt als Antike ausgegraben wer-
den. — Das verlohnt ſich auch der Mühe, Mäulchen
zu machen und Roth aufzulegen und mit einem
guten Accent zu ſprechen; wir ſollten einmal die
Masken abnehmen, wir ſähen dann, wie in einem
Zimmer mit Spiegeln, überall nur den einen ural-
ten, zahnloſen, unverwüſtlichen Schafskopf, nichts
mehr, nichts weniger! Die Unterſchiede ſind ſo
groß nicht, wir Alle ſind Schurken und Engel,
Dummköpfe und Genie’s, und zwar das Alles noch
in Einem; die vier Dinge finden Platz genug in
dem nämlichen Körper, ſie ſind nicht ſo breit, als man
ſich einbildet. Schlafen, Verdauen, — das treiben Alle;
die übrigen Dinge ſind nur Variationen aus ver-
ſchiedenen Tonarten über das nämliche Thema. Da
braucht man ſich auf die Zehen zu ſtellen und
Geſichter zu ſchneiden, da braucht man ſich vor
einander zu geniren! Wir haben uns Alle am
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