hatte, verselbständigt sich. Es entstehen die Staatsposten, die Zeitungen, die nationale Handelsflotte; es bildet sich das Versicherungswesen aus. Ueberall neue Organisationen, welche darauf berechnet sind, die wirtschaftlichen Bedürfnisse Vieler zu befriedigen: eine nationale Industrie, ein nationaler Markt, nationale Verkehrsanstalten; überall das kapita- listische Unternehmerprinzip des Handels.
Es ist bekannt, wie der absolutistische Staat diese Be- wegung förderte, wie er oft genug, um die Entwickelung zu beschleunigen, künstlich ins Dasein rief, was nicht aus eigener Kraft emporkommen wollte. Trotzdem bestand bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die alte stadtwirt- schaftliche Organisation mit ihren Zunft- und Bannrechten, mit der scharfen Trennung von Stadt und Land fort, wenn auch vielfach durch die Landesgesetzgebung beschränkt -- unbekümmert um das neue volkswirtschaftliche Leben, das ringsum aufsproßte und um die Fülle neuer Verkehrs- erscheinungen, die es gezeitigt hatte. Als die Physiokraten und Adam Smith die letzteren zuerst der wissenschaft- lichen Beobachtung unterwarfen, haben sie merkwürdiger Weise vollständig übersehen, daß es sich nicht um ein spontan gewordenes Ergebnis rein gesellschaftlicher Be- thätigung, sondern mit um eine Frucht erzieherischer Staats- thätigkeit handelte. Die Schranken, deren Beseitigung sie verlangten, waren entweder die versteinerten Ueberreste der älteren Wirtschaftsepochen, wie die Grundlasten, die Zünfte, die lokalen Zwangsrechte, die Beschränkungen der Frei-
hatte, verſelbſtändigt ſich. Es entſtehen die Staatspoſten, die Zeitungen, die nationale Handelsflotte; es bildet ſich das Verſicherungsweſen aus. Ueberall neue Organiſationen, welche darauf berechnet ſind, die wirtſchaftlichen Bedürfniſſe Vieler zu befriedigen: eine nationale Induſtrie, ein nationaler Markt, nationale Verkehrsanſtalten; überall das kapita- liſtiſche Unternehmerprinzip des Handels.
Es iſt bekannt, wie der abſolutiſtiſche Staat dieſe Be- wegung förderte, wie er oft genug, um die Entwickelung zu beſchleunigen, künſtlich ins Daſein rief, was nicht aus eigener Kraft emporkommen wollte. Trotzdem beſtand bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die alte ſtadtwirt- ſchaftliche Organiſation mit ihren Zunft- und Bannrechten, mit der ſcharfen Trennung von Stadt und Land fort, wenn auch vielfach durch die Landesgeſetzgebung beſchränkt — unbekümmert um das neue volkswirtſchaftliche Leben, das ringsum aufſproßte und um die Fülle neuer Verkehrs- erſcheinungen, die es gezeitigt hatte. Als die Phyſiokraten und Adam Smith die letzteren zuerſt der wiſſenſchaft- lichen Beobachtung unterwarfen, haben ſie merkwürdiger Weiſe vollſtändig überſehen, daß es ſich nicht um ein ſpontan gewordenes Ergebnis rein geſellſchaftlicher Be- thätigung, ſondern mit um eine Frucht erzieheriſcher Staats- thätigkeit handelte. Die Schranken, deren Beſeitigung ſie verlangten, waren entweder die verſteinerten Ueberreſte der älteren Wirtſchaftsepochen, wie die Grundlaſten, die Zünfte, die lokalen Zwangsrechte, die Beſchränkungen der Frei-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0087"n="73"/>
hatte, verſelbſtändigt ſich. Es entſtehen die Staatspoſten,<lb/>
die Zeitungen, die nationale Handelsflotte; es bildet ſich<lb/>
das Verſicherungsweſen aus. Ueberall neue Organiſationen,<lb/>
welche darauf berechnet ſind, die wirtſchaftlichen Bedürfniſſe<lb/>
Vieler zu befriedigen: eine nationale Induſtrie, ein nationaler<lb/>
Markt, nationale Verkehrsanſtalten; überall das kapita-<lb/>
liſtiſche Unternehmerprinzip des Handels.</p><lb/><p>Es iſt bekannt, wie der abſolutiſtiſche Staat dieſe Be-<lb/>
wegung förderte, wie er oft genug, um die Entwickelung<lb/>
zu beſchleunigen, künſtlich ins Daſein rief, was nicht aus<lb/>
eigener Kraft emporkommen wollte. Trotzdem beſtand bis<lb/>
gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die alte ſtadtwirt-<lb/>ſchaftliche Organiſation mit ihren Zunft- und Bannrechten,<lb/>
mit der ſcharfen Trennung von Stadt und Land fort,<lb/>
wenn auch vielfach durch die Landesgeſetzgebung beſchränkt<lb/>— unbekümmert um das neue volkswirtſchaftliche Leben,<lb/>
das ringsum aufſproßte und um die Fülle neuer Verkehrs-<lb/>
erſcheinungen, die es gezeitigt hatte. Als die Phyſiokraten<lb/>
und Adam Smith die letzteren zuerſt der wiſſenſchaft-<lb/>
lichen Beobachtung unterwarfen, haben ſie merkwürdiger<lb/>
Weiſe vollſtändig überſehen, daß es ſich nicht um ein<lb/>ſpontan gewordenes Ergebnis rein geſellſchaftlicher Be-<lb/>
thätigung, ſondern mit um eine Frucht erzieheriſcher Staats-<lb/>
thätigkeit handelte. Die Schranken, deren Beſeitigung ſie<lb/>
verlangten, waren entweder die verſteinerten Ueberreſte der<lb/>
älteren Wirtſchaftsepochen, wie die Grundlaſten, die Zünfte,<lb/>
die lokalen Zwangsrechte, die Beſchränkungen der Frei-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[73/0087]
hatte, verſelbſtändigt ſich. Es entſtehen die Staatspoſten,
die Zeitungen, die nationale Handelsflotte; es bildet ſich
das Verſicherungsweſen aus. Ueberall neue Organiſationen,
welche darauf berechnet ſind, die wirtſchaftlichen Bedürfniſſe
Vieler zu befriedigen: eine nationale Induſtrie, ein nationaler
Markt, nationale Verkehrsanſtalten; überall das kapita-
liſtiſche Unternehmerprinzip des Handels.
Es iſt bekannt, wie der abſolutiſtiſche Staat dieſe Be-
wegung förderte, wie er oft genug, um die Entwickelung
zu beſchleunigen, künſtlich ins Daſein rief, was nicht aus
eigener Kraft emporkommen wollte. Trotzdem beſtand bis
gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die alte ſtadtwirt-
ſchaftliche Organiſation mit ihren Zunft- und Bannrechten,
mit der ſcharfen Trennung von Stadt und Land fort,
wenn auch vielfach durch die Landesgeſetzgebung beſchränkt
— unbekümmert um das neue volkswirtſchaftliche Leben,
das ringsum aufſproßte und um die Fülle neuer Verkehrs-
erſcheinungen, die es gezeitigt hatte. Als die Phyſiokraten
und Adam Smith die letzteren zuerſt der wiſſenſchaft-
lichen Beobachtung unterwarfen, haben ſie merkwürdiger
Weiſe vollſtändig überſehen, daß es ſich nicht um ein
ſpontan gewordenes Ergebnis rein geſellſchaftlicher Be-
thätigung, ſondern mit um eine Frucht erzieheriſcher Staats-
thätigkeit handelte. Die Schranken, deren Beſeitigung ſie
verlangten, waren entweder die verſteinerten Ueberreſte der
älteren Wirtſchaftsepochen, wie die Grundlaſten, die Zünfte,
die lokalen Zwangsrechte, die Beſchränkungen der Frei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/87>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.