vinzen, geistlichen und weltlichen Korporationen. Zunächst handelt es sich ja gewiß um Vernichtung der selbständigen Kreise, welche sich der politischen Zusammenfassung hemmend in den Weg stellten. Aber im tiefsten Grunde der Be- wegung, welche zur Ausbildung des fürstlichen Absolutis- mus führte, schlummert doch der weltgeschichtliche Gedanke, daß die neuen größeren Kulturaufgaben der Menschheit eine einheitliche Organisation ganzer Völker, eine große lebendige Interessengemeinschaft erforderten, und diese konnte erst auf dem Boden gemeinsamer Wirtschaft erwachsen. Jeder Teil des Landes, jede Gruppe der Bevölkerung mußte für den Dienst des Ganzen diejenigen Aufgaben übernehmen, welche sie ihrer Naturanlage nach am besten zu erfüllen im Stande waren. Es bedurfte einer durchgreifenden Teilung der Funk- tionen, einer die ganze Bevölkerung umfassenden Berufs- gliederung, und diese letztere setzte wieder ein reich ent- wickeltes Verkehrswesen und einen lebendigen Güteraustausch unter der Bevölkerung voraus. Ging im Altertum alles wirtschaftliche Streben auf in dem einen Ziele der auto- nomen Bedürfnisbefriedigung des Hauses, im späteren Mittelalter in der Versorgung der Stadt, so bildet sich jetzt ein überaus kompliziertes und kunstvolles System natio- naler Bedürfnisbefriedigung.
Die Durchführung dieses Systems ist vom XVI. bis XVIII. Jahrhundert das Ziel der Wirtschaftspolitik aller vorgeschrittenen europäischen Staaten. Die Maßregeln, welche zur Erreichung des Zieles angewendet wurden, sind
vinzen, geiſtlichen und weltlichen Korporationen. Zunächſt handelt es ſich ja gewiß um Vernichtung der ſelbſtändigen Kreiſe, welche ſich der politiſchen Zuſammenfaſſung hemmend in den Weg ſtellten. Aber im tiefſten Grunde der Be- wegung, welche zur Ausbildung des fürſtlichen Abſolutis- mus führte, ſchlummert doch der weltgeſchichtliche Gedanke, daß die neuen größeren Kulturaufgaben der Menſchheit eine einheitliche Organiſation ganzer Völker, eine große lebendige Intereſſengemeinſchaft erforderten, und dieſe konnte erſt auf dem Boden gemeinſamer Wirtſchaft erwachſen. Jeder Teil des Landes, jede Gruppe der Bevölkerung mußte für den Dienſt des Ganzen diejenigen Aufgaben übernehmen, welche ſie ihrer Naturanlage nach am beſten zu erfüllen im Stande waren. Es bedurfte einer durchgreifenden Teilung der Funk- tionen, einer die ganze Bevölkerung umfaſſenden Berufs- gliederung, und dieſe letztere ſetzte wieder ein reich ent- wickeltes Verkehrsweſen und einen lebendigen Güteraustauſch unter der Bevölkerung voraus. Ging im Altertum alles wirtſchaftliche Streben auf in dem einen Ziele der auto- nomen Bedürfnisbefriedigung des Hauſes, im ſpäteren Mittelalter in der Verſorgung der Stadt, ſo bildet ſich jetzt ein überaus kompliziertes und kunſtvolles Syſtem natio- naler Bedürfnisbefriedigung.
Die Durchführung dieſes Syſtems iſt vom XVI. bis XVIII. Jahrhundert das Ziel der Wirtſchaftspolitik aller vorgeſchrittenen europäiſchen Staaten. Die Maßregeln, welche zur Erreichung des Zieles angewendet wurden, ſind
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0083"n="69"/>
vinzen, geiſtlichen und weltlichen Korporationen. Zunächſt<lb/>
handelt es ſich ja gewiß um Vernichtung der ſelbſtändigen<lb/>
Kreiſe, welche ſich der politiſchen Zuſammenfaſſung hemmend<lb/>
in den Weg ſtellten. Aber im tiefſten Grunde der Be-<lb/>
wegung, welche zur Ausbildung des fürſtlichen Abſolutis-<lb/>
mus führte, ſchlummert doch der weltgeſchichtliche Gedanke,<lb/>
daß die neuen größeren Kulturaufgaben der Menſchheit eine<lb/>
einheitliche Organiſation ganzer Völker, eine große lebendige<lb/>
Intereſſengemeinſchaft erforderten, und dieſe konnte erſt auf<lb/>
dem Boden gemeinſamer Wirtſchaft erwachſen. Jeder Teil<lb/>
des Landes, jede Gruppe der Bevölkerung mußte für den<lb/>
Dienſt des Ganzen diejenigen Aufgaben übernehmen, welche<lb/>ſie ihrer Naturanlage nach am beſten zu erfüllen im Stande<lb/>
waren. Es bedurfte einer durchgreifenden Teilung der Funk-<lb/>
tionen, einer die ganze Bevölkerung umfaſſenden Berufs-<lb/>
gliederung, und dieſe letztere ſetzte wieder ein reich ent-<lb/>
wickeltes Verkehrsweſen und einen lebendigen Güteraustauſch<lb/>
unter der Bevölkerung voraus. Ging im Altertum alles<lb/>
wirtſchaftliche Streben auf in dem einen Ziele der auto-<lb/>
nomen Bedürfnisbefriedigung des Hauſes, im ſpäteren<lb/>
Mittelalter in der Verſorgung der Stadt, ſo bildet ſich<lb/>
jetzt ein überaus kompliziertes und kunſtvolles Syſtem natio-<lb/>
naler Bedürfnisbefriedigung.</p><lb/><p>Die Durchführung dieſes Syſtems iſt vom <hirendition="#aq">XVI.</hi> bis<lb/><hirendition="#aq">XVIII.</hi> Jahrhundert das Ziel der Wirtſchaftspolitik aller<lb/>
vorgeſchrittenen europäiſchen Staaten. Die Maßregeln,<lb/>
welche zur Erreichung des Zieles angewendet wurden, ſind<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[69/0083]
vinzen, geiſtlichen und weltlichen Korporationen. Zunächſt
handelt es ſich ja gewiß um Vernichtung der ſelbſtändigen
Kreiſe, welche ſich der politiſchen Zuſammenfaſſung hemmend
in den Weg ſtellten. Aber im tiefſten Grunde der Be-
wegung, welche zur Ausbildung des fürſtlichen Abſolutis-
mus führte, ſchlummert doch der weltgeſchichtliche Gedanke,
daß die neuen größeren Kulturaufgaben der Menſchheit eine
einheitliche Organiſation ganzer Völker, eine große lebendige
Intereſſengemeinſchaft erforderten, und dieſe konnte erſt auf
dem Boden gemeinſamer Wirtſchaft erwachſen. Jeder Teil
des Landes, jede Gruppe der Bevölkerung mußte für den
Dienſt des Ganzen diejenigen Aufgaben übernehmen, welche
ſie ihrer Naturanlage nach am beſten zu erfüllen im Stande
waren. Es bedurfte einer durchgreifenden Teilung der Funk-
tionen, einer die ganze Bevölkerung umfaſſenden Berufs-
gliederung, und dieſe letztere ſetzte wieder ein reich ent-
wickeltes Verkehrsweſen und einen lebendigen Güteraustauſch
unter der Bevölkerung voraus. Ging im Altertum alles
wirtſchaftliche Streben auf in dem einen Ziele der auto-
nomen Bedürfnisbefriedigung des Hauſes, im ſpäteren
Mittelalter in der Verſorgung der Stadt, ſo bildet ſich
jetzt ein überaus kompliziertes und kunſtvolles Syſtem natio-
naler Bedürfnisbefriedigung.
Die Durchführung dieſes Syſtems iſt vom XVI. bis
XVIII. Jahrhundert das Ziel der Wirtſchaftspolitik aller
vorgeſchrittenen europäiſchen Staaten. Die Maßregeln,
welche zur Erreichung des Zieles angewendet wurden, ſind
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/83>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.