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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

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Gegenwert genommen werden kann. Fast das ganze Kredit-
wesen kleidet sich in die Form des Kaufes. So schon bei
der bäuerlichen Erbleihe und der Vergabung städtischer Bau-
plätze gegen Grundzins, wo das Gut als Kaufpreis für die
Zinsberechtigung erscheint 1). Ferner bei der "älteren" Satzung,
wo das dem Geldgeber zur Nutzung überlassene Grundstück
als vorläufiger Gegenwert in die Gewere des "Gläubigers"
übergeht und ihm verfällt, wenn der Schuldner das Dar-
lehen nicht zurückzahlt. Wirtschaftlich unterscheidet sich dieser
Verkehrsakt in keiner Weise von dem Verkauf auf Wieder-
kauf, und es ist anerkannt, daß auch ein juristischer Unter-
schied zwischen beiden kaum mehr aufzufinden ist. Den
gleichen Charakter trägt das gebräuchlichste städtische Kredit-
geschäft: der Renten- oder Gültkauf, den schon der Name
als Kaufgeschäft erweist. Preisgut ist das hingegebene
Kapital, Tauschgut ist das Recht auf den Bezug einer jähr-
lichen Rente, welche der Empfänger des Kapitals auf ein
ihm gehöriges Haus mit der Wirkung einräumt, daß der
jedesmalige Eigentümer desselben die Rente abzuführen hat.
Die Rente trägt Reallastcharakter und ist lange unablösbar;
der Verpflichtete haftet für dieselbe mit dem Hause oder
Grundstück, auf dem sie liegt, nicht auch mit seinem übrigen
Vermögen. Sie belastet also nur das Immobil, auf dem
sie ruht, und vermindert dessen Ertragswert um ihren Be-
trag. Der Rentenberechtigte hat den gezahlten Kaufpreis

1) Vgl. zu dem ganzen Abschnitt die lichtvollen Darlegungen von
A. Heusler, Institutionen des deutschen Privatrechts II, S. 128 ff.

Gegenwert genommen werden kann. Faſt das ganze Kredit-
weſen kleidet ſich in die Form des Kaufes. So ſchon bei
der bäuerlichen Erbleihe und der Vergabung ſtädtiſcher Bau-
plätze gegen Grundzins, wo das Gut als Kaufpreis für die
Zinsberechtigung erſcheint 1). Ferner bei der „älteren“ Satzung,
wo das dem Geldgeber zur Nutzung überlaſſene Grundſtück
als vorläufiger Gegenwert in die Gewere des „Gläubigers“
übergeht und ihm verfällt, wenn der Schuldner das Dar-
lehen nicht zurückzahlt. Wirtſchaftlich unterſcheidet ſich dieſer
Verkehrsakt in keiner Weiſe von dem Verkauf auf Wieder-
kauf, und es iſt anerkannt, daß auch ein juriſtiſcher Unter-
ſchied zwiſchen beiden kaum mehr aufzufinden iſt. Den
gleichen Charakter trägt das gebräuchlichſte ſtädtiſche Kredit-
geſchäft: der Renten- oder Gültkauf, den ſchon der Name
als Kaufgeſchäft erweiſt. Preisgut iſt das hingegebene
Kapital, Tauſchgut iſt das Recht auf den Bezug einer jähr-
lichen Rente, welche der Empfänger des Kapitals auf ein
ihm gehöriges Haus mit der Wirkung einräumt, daß der
jedesmalige Eigentümer desſelben die Rente abzuführen hat.
Die Rente trägt Reallaſtcharakter und iſt lange unablösbar;
der Verpflichtete haftet für dieſelbe mit dem Hauſe oder
Grundſtück, auf dem ſie liegt, nicht auch mit ſeinem übrigen
Vermögen. Sie belaſtet alſo nur das Immobil, auf dem
ſie ruht, und vermindert deſſen Ertragswert um ihren Be-
trag. Der Rentenberechtigte hat den gezahlten Kaufpreis

1) Vgl. zu dem ganzen Abſchnitt die lichtvollen Darlegungen von
A. Heusler, Inſtitutionen des deutſchen Privatrechts II, S. 128 ff.
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[61/0075] Gegenwert genommen werden kann. Faſt das ganze Kredit- weſen kleidet ſich in die Form des Kaufes. So ſchon bei der bäuerlichen Erbleihe und der Vergabung ſtädtiſcher Bau- plätze gegen Grundzins, wo das Gut als Kaufpreis für die Zinsberechtigung erſcheint 1). Ferner bei der „älteren“ Satzung, wo das dem Geldgeber zur Nutzung überlaſſene Grundſtück als vorläufiger Gegenwert in die Gewere des „Gläubigers“ übergeht und ihm verfällt, wenn der Schuldner das Dar- lehen nicht zurückzahlt. Wirtſchaftlich unterſcheidet ſich dieſer Verkehrsakt in keiner Weiſe von dem Verkauf auf Wieder- kauf, und es iſt anerkannt, daß auch ein juriſtiſcher Unter- ſchied zwiſchen beiden kaum mehr aufzufinden iſt. Den gleichen Charakter trägt das gebräuchlichſte ſtädtiſche Kredit- geſchäft: der Renten- oder Gültkauf, den ſchon der Name als Kaufgeſchäft erweiſt. Preisgut iſt das hingegebene Kapital, Tauſchgut iſt das Recht auf den Bezug einer jähr- lichen Rente, welche der Empfänger des Kapitals auf ein ihm gehöriges Haus mit der Wirkung einräumt, daß der jedesmalige Eigentümer desſelben die Rente abzuführen hat. Die Rente trägt Reallaſtcharakter und iſt lange unablösbar; der Verpflichtete haftet für dieſelbe mit dem Hauſe oder Grundſtück, auf dem ſie liegt, nicht auch mit ſeinem übrigen Vermögen. Sie belaſtet alſo nur das Immobil, auf dem ſie ruht, und vermindert deſſen Ertragswert um ihren Be- trag. Der Rentenberechtigte hat den gezahlten Kaufpreis 1) Vgl. zu dem ganzen Abſchnitt die lichtvollen Darlegungen von A. Heusler, Inſtitutionen des deutſchen Privatrechts II, S. 128 ff.

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Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/75>, abgerufen am 01.05.2024.