der natürlichen Lage abhängig waren, wird jetzt die eine Stadt zur stehenden Residenz des Fürsten, andere werden zu Sitzen von Bezirks- und Provinzialverwaltungen, von Gefängnissen, höheren Unterrichtsanstalten und allerlei Spe- zialverwaltungen, andere zu Garnisonstädten, Grenzfestungen, Meßplätzen, Badeorten, Knotenpunkten des Verkehrs u. s. w. Sie übernehmen bestimmte Funktionen für das ganze Land und für alle anderen Städte; aber diese Funktionen sind nicht immer spezifisch städtischer Natur. Sie können auch an ländliche Wohnplätze sich anknüpfen. Namentlich tritt dies hervor seit der Ausbildung der modernen Großin- dustrie und seit der außerordentlichen Vermehrung und Vervollkommnung der Verkehrsmittel. Von da ab sucht die gesamte nationale Produktion sich über das Wirtschafts- gebiet so zu verteilen, daß jeder Zweig derselben den für ihn günstigsten Standort gewinnt. Es entstehen Fabrik- und Hausindustriebezirke, indem einzelne Thäler und ganze Gegenden ein halb städtisches Wesen annehmen. Einzelne Städte bringen spezielle Industrie- und Handelszweige zu einer das örtliche, ja oft das nationale Bedürfnis weit überragenden Entfaltung. In anderen wieder verkümmert alle Industrie und Handelsthätigkeit; sie sinken auf das Niveau von Dörfern herunter, und das historische Stadt- recht, das sich an ihre Namen knüpft, tritt in schneidenden Widerspruch zu ihrem Nahrungsstand, ihrer Bevölkerungs- zahl. Die Unterschiede zwischen Stadt und Land verwischen sich: in der Nähe der aufblühenden Industrie-Städte durch
der natürlichen Lage abhängig waren, wird jetzt die eine Stadt zur ſtehenden Reſidenz des Fürſten, andere werden zu Sitzen von Bezirks- und Provinzialverwaltungen, von Gefängniſſen, höheren Unterrichtsanſtalten und allerlei Spe- zialverwaltungen, andere zu Garniſonſtädten, Grenzfeſtungen, Meßplätzen, Badeorten, Knotenpunkten des Verkehrs u. ſ. w. Sie übernehmen beſtimmte Funktionen für das ganze Land und für alle anderen Städte; aber dieſe Funktionen ſind nicht immer ſpezifiſch ſtädtiſcher Natur. Sie können auch an ländliche Wohnplätze ſich anknüpfen. Namentlich tritt dies hervor ſeit der Ausbildung der modernen Großin- duſtrie und ſeit der außerordentlichen Vermehrung und Vervollkommnung der Verkehrsmittel. Von da ab ſucht die geſamte nationale Produktion ſich über das Wirtſchafts- gebiet ſo zu verteilen, daß jeder Zweig derſelben den für ihn günſtigſten Standort gewinnt. Es entſtehen Fabrik- und Hausinduſtriebezirke, indem einzelne Thäler und ganze Gegenden ein halb ſtädtiſches Weſen annehmen. Einzelne Städte bringen ſpezielle Induſtrie- und Handelszweige zu einer das örtliche, ja oft das nationale Bedürfnis weit überragenden Entfaltung. In anderen wieder verkümmert alle Induſtrie und Handelsthätigkeit; ſie ſinken auf das Niveau von Dörfern herunter, und das hiſtoriſche Stadt- recht, das ſich an ihre Namen knüpft, tritt in ſchneidenden Widerſpruch zu ihrem Nahrungsſtand, ihrer Bevölkerungs- zahl. Die Unterſchiede zwiſchen Stadt und Land verwiſchen ſich: in der Nähe der aufblühenden Induſtrie-Städte durch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0318"n="296"/>
der natürlichen Lage abhängig waren, wird jetzt die eine<lb/>
Stadt zur ſtehenden Reſidenz des Fürſten, andere werden<lb/>
zu Sitzen von Bezirks- und Provinzialverwaltungen, von<lb/>
Gefängniſſen, höheren Unterrichtsanſtalten und allerlei Spe-<lb/>
zialverwaltungen, andere zu Garniſonſtädten, Grenzfeſtungen,<lb/>
Meßplätzen, Badeorten, Knotenpunkten des Verkehrs u. ſ. w.<lb/>
Sie übernehmen beſtimmte Funktionen für das ganze Land<lb/>
und für alle anderen Städte; aber dieſe Funktionen ſind<lb/>
nicht immer ſpezifiſch ſtädtiſcher Natur. Sie können auch<lb/>
an ländliche Wohnplätze ſich anknüpfen. Namentlich tritt<lb/>
dies hervor ſeit der Ausbildung der modernen Großin-<lb/>
duſtrie und ſeit der außerordentlichen Vermehrung und<lb/>
Vervollkommnung der Verkehrsmittel. Von da ab ſucht<lb/>
die geſamte nationale Produktion ſich über das Wirtſchafts-<lb/>
gebiet ſo zu verteilen, daß jeder Zweig derſelben den für<lb/>
ihn günſtigſten Standort gewinnt. Es entſtehen Fabrik-<lb/>
und Hausinduſtriebezirke, indem einzelne Thäler und ganze<lb/>
Gegenden ein halb ſtädtiſches Weſen annehmen. Einzelne<lb/>
Städte bringen ſpezielle Induſtrie- und Handelszweige zu<lb/>
einer das örtliche, ja oft das nationale Bedürfnis weit<lb/>
überragenden Entfaltung. In anderen wieder verkümmert<lb/>
alle Induſtrie und Handelsthätigkeit; ſie ſinken auf das<lb/>
Niveau von Dörfern herunter, und das hiſtoriſche Stadt-<lb/>
recht, das ſich an ihre Namen knüpft, tritt in ſchneidenden<lb/>
Widerſpruch zu ihrem Nahrungsſtand, ihrer Bevölkerungs-<lb/>
zahl. Die Unterſchiede zwiſchen Stadt und Land verwiſchen<lb/>ſich: in der Nähe der aufblühenden Induſtrie-Städte durch<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[296/0318]
der natürlichen Lage abhängig waren, wird jetzt die eine
Stadt zur ſtehenden Reſidenz des Fürſten, andere werden
zu Sitzen von Bezirks- und Provinzialverwaltungen, von
Gefängniſſen, höheren Unterrichtsanſtalten und allerlei Spe-
zialverwaltungen, andere zu Garniſonſtädten, Grenzfeſtungen,
Meßplätzen, Badeorten, Knotenpunkten des Verkehrs u. ſ. w.
Sie übernehmen beſtimmte Funktionen für das ganze Land
und für alle anderen Städte; aber dieſe Funktionen ſind
nicht immer ſpezifiſch ſtädtiſcher Natur. Sie können auch
an ländliche Wohnplätze ſich anknüpfen. Namentlich tritt
dies hervor ſeit der Ausbildung der modernen Großin-
duſtrie und ſeit der außerordentlichen Vermehrung und
Vervollkommnung der Verkehrsmittel. Von da ab ſucht
die geſamte nationale Produktion ſich über das Wirtſchafts-
gebiet ſo zu verteilen, daß jeder Zweig derſelben den für
ihn günſtigſten Standort gewinnt. Es entſtehen Fabrik-
und Hausinduſtriebezirke, indem einzelne Thäler und ganze
Gegenden ein halb ſtädtiſches Weſen annehmen. Einzelne
Städte bringen ſpezielle Induſtrie- und Handelszweige zu
einer das örtliche, ja oft das nationale Bedürfnis weit
überragenden Entfaltung. In anderen wieder verkümmert
alle Induſtrie und Handelsthätigkeit; ſie ſinken auf das
Niveau von Dörfern herunter, und das hiſtoriſche Stadt-
recht, das ſich an ihre Namen knüpft, tritt in ſchneidenden
Widerſpruch zu ihrem Nahrungsſtand, ihrer Bevölkerungs-
zahl. Die Unterſchiede zwiſchen Stadt und Land verwiſchen
ſich: in der Nähe der aufblühenden Induſtrie-Städte durch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/318>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.