Der mittelalterliche Gewerbebetrieb ist in der Regel ein bloßer Arbeitsbetrieb. Der Gewerbetreibende bedarf bei der Einfachheit der Werkzeuge eine umfassende Arbeitsgeschicklichkeit. Die Rohstoffe werden ihm gewöhn- lich vom Besteller geliefert, der das Werk seiner Hände in eigner Wirtschaft verbrauchen will. Was der Handwerker dabei verdient, ist Arbeitslohn, und dieser fällt in dem Maße reicher aus, als das Werk kunstvoller sich gestaltet.
Die mittelalterliche Arbeitsteilung ist vorzugsweise Berufsteilung. Sie läuft darauf hinaus, aus einem Berufszweige mehrere zu machen. Auf demselben Arbeitsgebiete, das früher ein Meister allein beherrscht hatte, finden dann mehrere, unabhängig von einander, ihre Nahrung. Nur so kann die Technik fortschreiten, daß das Arbeitsverfahren, welches seither auf eine verwandte Gruppe von Produkten angewendet wurde, einer Spielart der letzteren besonders angepaßt wird, daß die Werkzeuge für diese eigens eingerichtet, daß ihre Erzeugung für einen neuen Hand- werker Lebensaufgabe wird. Und da der Anstoß zur Pro- duktion immer vom Konsumenten ausgeht, der den Hand- werker zeitweilig in seinen Dienst nimmt, so tritt der Produ- zent der einen Güterart zu seinen Kunden in das gleiche Verhältnis wie vorher der Produzent der ganzen Güter- gattung.
Vielleicht wird ein Beispiel den Vorgang am besten erläutern. Der Schneider alten Stils scheert das Tuch, näht und stickt Kleider und Weißzeug, fertigt Kappen, Hüte
Der mittelalterliche Gewerbebetrieb iſt in der Regel ein bloßer Arbeitsbetrieb. Der Gewerbetreibende bedarf bei der Einfachheit der Werkzeuge eine umfaſſende Arbeitsgeſchicklichkeit. Die Rohſtoffe werden ihm gewöhn- lich vom Beſteller geliefert, der das Werk ſeiner Hände in eigner Wirtſchaft verbrauchen will. Was der Handwerker dabei verdient, iſt Arbeitslohn, und dieſer fällt in dem Maße reicher aus, als das Werk kunſtvoller ſich geſtaltet.
Die mittelalterliche Arbeitsteilung iſt vorzugsweiſe Berufsteilung. Sie läuft darauf hinaus, aus einem Berufszweige mehrere zu machen. Auf demſelben Arbeitsgebiete, das früher ein Meiſter allein beherrſcht hatte, finden dann mehrere, unabhängig von einander, ihre Nahrung. Nur ſo kann die Technik fortſchreiten, daß das Arbeitsverfahren, welches ſeither auf eine verwandte Gruppe von Produkten angewendet wurde, einer Spielart der letzteren beſonders angepaßt wird, daß die Werkzeuge für dieſe eigens eingerichtet, daß ihre Erzeugung für einen neuen Hand- werker Lebensaufgabe wird. Und da der Anſtoß zur Pro- duktion immer vom Konſumenten ausgeht, der den Hand- werker zeitweilig in ſeinen Dienſt nimmt, ſo tritt der Produ- zent der einen Güterart zu ſeinen Kunden in das gleiche Verhältnis wie vorher der Produzent der ganzen Güter- gattung.
Vielleicht wird ein Beiſpiel den Vorgang am beſten erläutern. Der Schneider alten Stils ſcheert das Tuch, näht und ſtickt Kleider und Weißzeug, fertigt Kappen, Hüte
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Der mittelalterliche Gewerbebetrieb iſt in
der Regel ein bloßer Arbeitsbetrieb. Der Gewerbetreibende
bedarf bei der Einfachheit der Werkzeuge eine umfaſſende
Arbeitsgeſchicklichkeit. Die Rohſtoffe werden ihm gewöhn-
lich vom Beſteller geliefert, der das Werk ſeiner Hände in
eigner Wirtſchaft verbrauchen will. Was der Handwerker
dabei verdient, iſt Arbeitslohn, und dieſer fällt in dem
Maße reicher aus, als das Werk kunſtvoller ſich geſtaltet.
Die mittelalterliche Arbeitsteilung iſt
vorzugsweiſe Berufsteilung. Sie läuft darauf hinaus, aus
einem Berufszweige mehrere zu machen. Auf demſelben
Arbeitsgebiete, das früher ein Meiſter allein beherrſcht
hatte, finden dann mehrere, unabhängig von einander, ihre
Nahrung. Nur ſo kann die Technik fortſchreiten, daß das
Arbeitsverfahren, welches ſeither auf eine verwandte Gruppe
von Produkten angewendet wurde, einer Spielart der letzteren
beſonders angepaßt wird, daß die Werkzeuge für dieſe eigens
eingerichtet, daß ihre Erzeugung für einen neuen Hand-
werker Lebensaufgabe wird. Und da der Anſtoß zur Pro-
duktion immer vom Konſumenten ausgeht, der den Hand-
werker zeitweilig in ſeinen Dienſt nimmt, ſo tritt der Produ-
zent der einen Güterart zu ſeinen Kunden in das gleiche
Verhältnis wie vorher der Produzent der ganzen Güter-
gattung.
Vielleicht wird ein Beiſpiel den Vorgang am beſten
erläutern. Der Schneider alten Stils ſcheert das Tuch,
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/255>, abgerufen am 22.11.2024.
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