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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

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des Handwerkerstandes die eigentliche Berufsbildung einsetzt,
geht sie wieder von der Besitzverteilung aus. Die Knechte
des Fronhofs, die Hörigen ohne Grundbesitz, welche eine
gewerbliche Kunst gelernt haben, beginnen auf eigene Hand
ihre Arbeitsgeschicklichkeit zu verwerten. Die Betriebsweise
des Gewerbes muß sich ihrer Armut anpassen; sie ist reines
Lohnwerk, bei dem der Gewerbetreibende den Rohstoff vom
Besteller erhält. Erst später kommt es zur eigentlichen
Produktionsteilung zwischen Landwirt und Handwerker.
Der letztere erlangt ein eigenes Betriebskapital. Wie gering
dieses aber noch ist, geht daraus am besten hervor, daß in
der Regel der Handwerker nur auf Stückbestellung arbeitet
und daß der ganze industrielle Umwandlungsprozeß, den ein
Rohprodukt durchmachte, in einer Hand lag 1). Die Ge-

fassung. Er wäre undenkbar, wenn nicht der Grundadel ihm voraus-
gegangen wäre.
1) Je länger der Produktionsprozeß dauert, um so geringer das
Betriebskapital, dessen der einzelne Produzent bedarf, um so größer
aber auch die Arbeitsmenge, die das vollendete Produkt enthält. Im
Mittelalter war, um ein sehr bekanntes Beispiel anzuführen, der Schuster
vielfach auch Gerber. Der ganze industrielle Umwandlungsprozeß von
der rohen Haut bis zur fertigen Fußbekleidung lag also in einer
Hand. Nehmen wir nun an, das Gerben der Haut erforderte die
Hälfte der Arbeitszeit, welche zu ihrer Umwandlung in Schuhwerk not-
wendig war, so würde ein Schuster, der bloß hätte gerben wollen
dreimal so viel Betriebskapital gebraucht haben, als der Gerber, der
zugleich Schuhe machte. Hätte er aber bloß bereits gegerbtes Leder
zu Schuhen verarbeiten wollen, so hätte sein Betriebskapital das
anderthalbfache des früheren zuzüglich des Arbeitslohns und Ge-
schäftsgewinns des Gerbers betragen müssen.

des Handwerkerſtandes die eigentliche Berufsbildung einſetzt,
geht ſie wieder von der Beſitzverteilung aus. Die Knechte
des Fronhofs, die Hörigen ohne Grundbeſitz, welche eine
gewerbliche Kunſt gelernt haben, beginnen auf eigene Hand
ihre Arbeitsgeſchicklichkeit zu verwerten. Die Betriebsweiſe
des Gewerbes muß ſich ihrer Armut anpaſſen; ſie iſt reines
Lohnwerk, bei dem der Gewerbetreibende den Rohſtoff vom
Beſteller erhält. Erſt ſpäter kommt es zur eigentlichen
Produktionsteilung zwiſchen Landwirt und Handwerker.
Der letztere erlangt ein eigenes Betriebskapital. Wie gering
dieſes aber noch iſt, geht daraus am beſten hervor, daß in
der Regel der Handwerker nur auf Stückbeſtellung arbeitet
und daß der ganze induſtrielle Umwandlungsprozeß, den ein
Rohprodukt durchmachte, in einer Hand lag 1). Die Ge-

faſſung. Er wäre undenkbar, wenn nicht der Grundadel ihm voraus-
gegangen wäre.
1) Je länger der Produktionsprozeß dauert, um ſo geringer das
Betriebskapital, deſſen der einzelne Produzent bedarf, um ſo größer
aber auch die Arbeitsmenge, die das vollendete Produkt enthält. Im
Mittelalter war, um ein ſehr bekanntes Beiſpiel anzuführen, der Schuſter
vielfach auch Gerber. Der ganze induſtrielle Umwandlungsprozeß von
der rohen Haut bis zur fertigen Fußbekleidung lag alſo in einer
Hand. Nehmen wir nun an, das Gerben der Haut erforderte die
Hälfte der Arbeitszeit, welche zu ihrer Umwandlung in Schuhwerk not-
wendig war, ſo würde ein Schuſter, der bloß hätte gerben wollen
dreimal ſo viel Betriebskapital gebraucht haben, als der Gerber, der
zugleich Schuhe machte. Hätte er aber bloß bereits gegerbtes Leder
zu Schuhen verarbeiten wollen, ſo hätte ſein Betriebskapital das
anderthalbfache des früheren zuzüglich des Arbeitslohns und Ge-
ſchäftsgewinns des Gerbers betragen müſſen.
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[153/0175] des Handwerkerſtandes die eigentliche Berufsbildung einſetzt, geht ſie wieder von der Beſitzverteilung aus. Die Knechte des Fronhofs, die Hörigen ohne Grundbeſitz, welche eine gewerbliche Kunſt gelernt haben, beginnen auf eigene Hand ihre Arbeitsgeſchicklichkeit zu verwerten. Die Betriebsweiſe des Gewerbes muß ſich ihrer Armut anpaſſen; ſie iſt reines Lohnwerk, bei dem der Gewerbetreibende den Rohſtoff vom Beſteller erhält. Erſt ſpäter kommt es zur eigentlichen Produktionsteilung zwiſchen Landwirt und Handwerker. Der letztere erlangt ein eigenes Betriebskapital. Wie gering dieſes aber noch iſt, geht daraus am beſten hervor, daß in der Regel der Handwerker nur auf Stückbeſtellung arbeitet und daß der ganze induſtrielle Umwandlungsprozeß, den ein Rohprodukt durchmachte, in einer Hand lag 1). Die Ge- 1) 1) Je länger der Produktionsprozeß dauert, um ſo geringer das Betriebskapital, deſſen der einzelne Produzent bedarf, um ſo größer aber auch die Arbeitsmenge, die das vollendete Produkt enthält. Im Mittelalter war, um ein ſehr bekanntes Beiſpiel anzuführen, der Schuſter vielfach auch Gerber. Der ganze induſtrielle Umwandlungsprozeß von der rohen Haut bis zur fertigen Fußbekleidung lag alſo in einer Hand. Nehmen wir nun an, das Gerben der Haut erforderte die Hälfte der Arbeitszeit, welche zu ihrer Umwandlung in Schuhwerk not- wendig war, ſo würde ein Schuſter, der bloß hätte gerben wollen dreimal ſo viel Betriebskapital gebraucht haben, als der Gerber, der zugleich Schuhe machte. Hätte er aber bloß bereits gegerbtes Leder zu Schuhen verarbeiten wollen, ſo hätte ſein Betriebskapital das anderthalbfache des früheren zuzüglich des Arbeitslohns und Ge- ſchäftsgewinns des Gerbers betragen müſſen. 1) faſſung. Er wäre undenkbar, wenn nicht der Grundadel ihm voraus- gegangen wäre.

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Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/175>, abgerufen am 22.11.2024.