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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

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die Menge der notwendigen Tauschakte. Bis aber diese
Phase der Entwicklung erreicht ist, vergehen vom ersten
Entstehen der volkswirtschaftlichen Arbeitsteilung wieder
Jahrhunderte. Auch heute ist z. B. der Zustand, wo der
Müller Eigentümer des Getreides, der Bäcker Eigentümer
des Mehles ist und das Brot darum nur auf Grund drei-
maligen Tausches in die Hände der Konsumenten gelangen
kann, auf dem Lande noch keineswegs die Regel.

Wenn sonach bei den volkswirtschaftlichen Entwicklungs-
vorgängen der Arbeitsteilung der Tausch bloß eine sekundäre
Erscheinung ist, so werden wir von selbst genötigt, für das
auf Teilung der Arbeit gerichtete menschliche Handeln eine
andere Motivierung zu suchen.

Wir werden dabei unmittelbar auf die Grundthatsachen
der Wirtschaft zurückgeführt: die Unbegrenztheit der mensch-
lichen Bedürfnisse und die Beschränktheit ihrer Befriedigungs-
mittel. Die menschlichen Bedürfnisse sind einer unendlichen
Vermehrung und Verfeinerung fähig; sie ruhen niemals;
sie steigern sich intensiv und extensiv im Laufe der Kultur-
entwicklung. Die für menschliche Zwecke verfügbare Materie
ist beschränkt und ebenso die menschliche Arbeitskraft, die
ihr Güterqualität verleiht und ihren Vorrat vermehrt. Mit
der wachsenden Zahl der Menschen wird das Verhältnis
des Gesamtbedarfs zu der Menge des wirtschaftlich ver-
wertbaren Rohstoffs, den die Natur zu bieten vermag, ein
immer ungünstigeres. Die zur Produktion des Gesamt-
bedarfs erforderliche Arbeitsmenge wächst somit aus einem

die Menge der notwendigen Tauſchakte. Bis aber dieſe
Phaſe der Entwicklung erreicht iſt, vergehen vom erſten
Entſtehen der volkswirtſchaftlichen Arbeitsteilung wieder
Jahrhunderte. Auch heute iſt z. B. der Zuſtand, wo der
Müller Eigentümer des Getreides, der Bäcker Eigentümer
des Mehles iſt und das Brot darum nur auf Grund drei-
maligen Tauſches in die Hände der Konſumenten gelangen
kann, auf dem Lande noch keineswegs die Regel.

Wenn ſonach bei den volkswirtſchaftlichen Entwicklungs-
vorgängen der Arbeitsteilung der Tauſch bloß eine ſekundäre
Erſcheinung iſt, ſo werden wir von ſelbſt genötigt, für das
auf Teilung der Arbeit gerichtete menſchliche Handeln eine
andere Motivierung zu ſuchen.

Wir werden dabei unmittelbar auf die Grundthatſachen
der Wirtſchaft zurückgeführt: die Unbegrenztheit der menſch-
lichen Bedürfniſſe und die Beſchränktheit ihrer Befriedigungs-
mittel. Die menſchlichen Bedürfniſſe ſind einer unendlichen
Vermehrung und Verfeinerung fähig; ſie ruhen niemals;
ſie ſteigern ſich intenſiv und extenſiv im Laufe der Kultur-
entwicklung. Die für menſchliche Zwecke verfügbare Materie
iſt beſchränkt und ebenſo die menſchliche Arbeitskraft, die
ihr Güterqualität verleiht und ihren Vorrat vermehrt. Mit
der wachſenden Zahl der Menſchen wird das Verhältnis
des Geſamtbedarfs zu der Menge des wirtſchaftlich ver-
wertbaren Rohſtoffs, den die Natur zu bieten vermag, ein
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[141/0163] die Menge der notwendigen Tauſchakte. Bis aber dieſe Phaſe der Entwicklung erreicht iſt, vergehen vom erſten Entſtehen der volkswirtſchaftlichen Arbeitsteilung wieder Jahrhunderte. Auch heute iſt z. B. der Zuſtand, wo der Müller Eigentümer des Getreides, der Bäcker Eigentümer des Mehles iſt und das Brot darum nur auf Grund drei- maligen Tauſches in die Hände der Konſumenten gelangen kann, auf dem Lande noch keineswegs die Regel. Wenn ſonach bei den volkswirtſchaftlichen Entwicklungs- vorgängen der Arbeitsteilung der Tauſch bloß eine ſekundäre Erſcheinung iſt, ſo werden wir von ſelbſt genötigt, für das auf Teilung der Arbeit gerichtete menſchliche Handeln eine andere Motivierung zu ſuchen. Wir werden dabei unmittelbar auf die Grundthatſachen der Wirtſchaft zurückgeführt: die Unbegrenztheit der menſch- lichen Bedürfniſſe und die Beſchränktheit ihrer Befriedigungs- mittel. Die menſchlichen Bedürfniſſe ſind einer unendlichen Vermehrung und Verfeinerung fähig; ſie ruhen niemals; ſie ſteigern ſich intenſiv und extenſiv im Laufe der Kultur- entwicklung. Die für menſchliche Zwecke verfügbare Materie iſt beſchränkt und ebenſo die menſchliche Arbeitskraft, die ihr Güterqualität verleiht und ihren Vorrat vermehrt. Mit der wachſenden Zahl der Menſchen wird das Verhältnis des Geſamtbedarfs zu der Menge des wirtſchaftlich ver- wertbaren Rohſtoffs, den die Natur zu bieten vermag, ein immer ungünſtigeres. Die zur Produktion des Geſamt- bedarfs erforderliche Arbeitsmenge wächſt ſomit aus einem

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Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/163>, abgerufen am 22.11.2024.