Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

Was die Arbeitsteilung sei, wird von Adam Smith
nirgends gesagt. Er erläutert den Vorgang, den er mit
diesem Namen bezeichnet, nur an einzelnen Beispielen und
deduziert aus ihnen direkt den Satz, den man als das
"Gesetz" der Arbeitsteilung bezeichnet hat, und den man
kurz in die Worte zusammenfassen kann, daß in jedem Ge-
werbe die Produktivität der Arbeit proportional der Aus-
dehnung der Arbeitsteilung wächst 1).

Jene Beispiele aber bezeichnen, wenn man sie näher
ansieht, durchaus nicht die gleichen ökonomischen Vorgänge.

Da ist zuerst die berühmte Darstellung der Steck-
nadelmanufaktur. Smith stellt hier den gewöhnlichen Ar-
beiter, der auf den speziellen Produktionszweig nicht be-
sonders eingeübt ist und bei höchstem Fleiße in einem
ganzen Tag vielleicht kaum eine, sicher aber nicht zwanzig
Stecknadeln anfertigen könnte, gegenüber der Fabrik, in
welcher eine größere Zahl von Arbeitern das gleiche Fa-
brikat in geteilter Arbeit herstellt. "Der Eine zieht den
Draht aus, der Andere streckt ihn, ein Dritter schneidet ihn,
ein Vierter spitzt ihn, ein Fünfter schleift das obere Ende
für die Aufnahme des Knopfes zu; die Anfertigung des
Knopfes erfordert wieder zwei besondere Operationen"
u. s. w. So ergeben sich bis zur Vollendung der Nadel

1) Die Richtigkeit dieser scharfen Formulierung ergibt sich aus
folgenden Worten des ersten Kapitels: The division of labor, so far
as it can be introduced, occasions, in every art, a proportionable
increase of the productive powers of labor.

Was die Arbeitsteilung ſei, wird von Adam Smith
nirgends geſagt. Er erläutert den Vorgang, den er mit
dieſem Namen bezeichnet, nur an einzelnen Beiſpielen und
deduziert aus ihnen direkt den Satz, den man als das
„Geſetz“ der Arbeitsteilung bezeichnet hat, und den man
kurz in die Worte zuſammenfaſſen kann, daß in jedem Ge-
werbe die Produktivität der Arbeit proportional der Aus-
dehnung der Arbeitsteilung wächſt 1).

Jene Beiſpiele aber bezeichnen, wenn man ſie näher
anſieht, durchaus nicht die gleichen ökonomiſchen Vorgänge.

Da iſt zuerſt die berühmte Darſtellung der Steck-
nadelmanufaktur. Smith ſtellt hier den gewöhnlichen Ar-
beiter, der auf den ſpeziellen Produktionszweig nicht be-
ſonders eingeübt iſt und bei höchſtem Fleiße in einem
ganzen Tag vielleicht kaum eine, ſicher aber nicht zwanzig
Stecknadeln anfertigen könnte, gegenüber der Fabrik, in
welcher eine größere Zahl von Arbeitern das gleiche Fa-
brikat in geteilter Arbeit herſtellt. „Der Eine zieht den
Draht aus, der Andere ſtreckt ihn, ein Dritter ſchneidet ihn,
ein Vierter ſpitzt ihn, ein Fünfter ſchleift das obere Ende
für die Aufnahme des Knopfes zu; die Anfertigung des
Knopfes erfordert wieder zwei beſondere Operationen“
u. ſ. w. So ergeben ſich bis zur Vollendung der Nadel

1) Die Richtigkeit dieſer ſcharfen Formulierung ergibt ſich aus
folgenden Worten des erſten Kapitels: The division of labor, so far
as it can be introduced, occasions, in every art, a proportionable
increase of the productive powers of labor.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0146" n="124"/>
          <p>Was die Arbeitsteilung &#x017F;ei, wird von Adam Smith<lb/>
nirgends ge&#x017F;agt. Er erläutert den Vorgang, den er mit<lb/>
die&#x017F;em Namen bezeichnet, nur an einzelnen Bei&#x017F;pielen und<lb/>
deduziert aus ihnen direkt den Satz, den man als das<lb/>
&#x201E;Ge&#x017F;etz&#x201C; der Arbeitsteilung bezeichnet hat, und den man<lb/>
kurz in die Worte zu&#x017F;ammenfa&#x017F;&#x017F;en kann, daß in jedem Ge-<lb/>
werbe die Produktivität der Arbeit proportional der Aus-<lb/>
dehnung der Arbeitsteilung wäch&#x017F;t <note place="foot" n="1)">Die Richtigkeit die&#x017F;er &#x017F;charfen Formulierung ergibt &#x017F;ich aus<lb/>
folgenden Worten des er&#x017F;ten Kapitels: <hi rendition="#aq">The division of labor, so far<lb/>
as it can be introduced, occasions, in every art, a proportionable<lb/>
increase of the productive powers of labor.</hi></note>.</p><lb/>
          <p>Jene Bei&#x017F;piele aber bezeichnen, wenn man &#x017F;ie näher<lb/>
an&#x017F;ieht, durchaus nicht die gleichen ökonomi&#x017F;chen Vorgänge.</p><lb/>
          <p>Da i&#x017F;t zuer&#x017F;t die berühmte Dar&#x017F;tellung der Steck-<lb/>
nadelmanufaktur. Smith &#x017F;tellt hier den gewöhnlichen Ar-<lb/>
beiter, der auf den &#x017F;peziellen Produktionszweig nicht be-<lb/>
&#x017F;onders eingeübt i&#x017F;t und bei höch&#x017F;tem Fleiße in einem<lb/>
ganzen Tag vielleicht kaum eine, &#x017F;icher aber nicht zwanzig<lb/>
Stecknadeln anfertigen könnte, gegenüber der Fabrik, in<lb/>
welcher eine größere Zahl von Arbeitern das gleiche Fa-<lb/>
brikat in geteilter Arbeit her&#x017F;tellt. &#x201E;Der Eine zieht den<lb/>
Draht aus, der Andere &#x017F;treckt ihn, ein Dritter &#x017F;chneidet ihn,<lb/>
ein Vierter &#x017F;pitzt ihn, ein Fünfter &#x017F;chleift das obere Ende<lb/>
für die Aufnahme des Knopfes zu; die Anfertigung des<lb/>
Knopfes erfordert wieder zwei be&#x017F;ondere Operationen&#x201C;<lb/>
u. &#x017F;. w. So ergeben &#x017F;ich bis zur Vollendung der Nadel<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124/0146] Was die Arbeitsteilung ſei, wird von Adam Smith nirgends geſagt. Er erläutert den Vorgang, den er mit dieſem Namen bezeichnet, nur an einzelnen Beiſpielen und deduziert aus ihnen direkt den Satz, den man als das „Geſetz“ der Arbeitsteilung bezeichnet hat, und den man kurz in die Worte zuſammenfaſſen kann, daß in jedem Ge- werbe die Produktivität der Arbeit proportional der Aus- dehnung der Arbeitsteilung wächſt 1). Jene Beiſpiele aber bezeichnen, wenn man ſie näher anſieht, durchaus nicht die gleichen ökonomiſchen Vorgänge. Da iſt zuerſt die berühmte Darſtellung der Steck- nadelmanufaktur. Smith ſtellt hier den gewöhnlichen Ar- beiter, der auf den ſpeziellen Produktionszweig nicht be- ſonders eingeübt iſt und bei höchſtem Fleiße in einem ganzen Tag vielleicht kaum eine, ſicher aber nicht zwanzig Stecknadeln anfertigen könnte, gegenüber der Fabrik, in welcher eine größere Zahl von Arbeitern das gleiche Fa- brikat in geteilter Arbeit herſtellt. „Der Eine zieht den Draht aus, der Andere ſtreckt ihn, ein Dritter ſchneidet ihn, ein Vierter ſpitzt ihn, ein Fünfter ſchleift das obere Ende für die Aufnahme des Knopfes zu; die Anfertigung des Knopfes erfordert wieder zwei beſondere Operationen“ u. ſ. w. So ergeben ſich bis zur Vollendung der Nadel 1) Die Richtigkeit dieſer ſcharfen Formulierung ergibt ſich aus folgenden Worten des erſten Kapitels: The division of labor, so far as it can be introduced, occasions, in every art, a proportionable increase of the productive powers of labor.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/146
Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/146>, abgerufen am 02.05.2024.