sie sind wie unorganische Körper, die von einem in üppigem Wachstum begriffenen Organismus überwallt und einge- kapselt werden.
Aehnlich verhält es sich, wenn ich mich nicht täusche, auch mit der nationalökonomischen Lehre von der Arbeits- teilung. In ihrer jetzigen Gestalt geht dieselbe auf Adam Smith zurück, und zu ihrer Popularität hat wohl der äußere Umstand nicht wenig beigetragen, daß sie im ersten Kapitel des ersten Buches seines klassischen Werkes vorge- tragen wird, wo sie auch der großen Schar derjenigen nicht entgehen konnte, welche die Bücher bloß "anlesen." Adam Smith ist freilich nicht der Urheber jener Lehre. Er ent- lehnt dieselbe in wesentlichen Punkten dem Essay on the history of civil society seines Landsmannes Adam Fer- guson, welcher 1767 erschienen war. Allein in der an- mutigen Form, in welcher Smith sie vortrug, ist die Lehre von allen Späteren übernommen worden; sie ist in dieser Form auch in andere Wissenschaften übergegangen und in ihr jedem Gebildeten geläufig geworden.
Ich darf also darauf rechnen, mich in einem meinen Hörern geläufigen Gedankenkreise zu bewegen, wenn ich heute versuche, die nationalökonomische Lehre von der Arbeits- teilung einer kritischen Prüfung zu unterwerfen und wenn ich in diese Prüfung mit einbeziehe die Anwendung, welche diese Lehre ganz neuerdings auf soziologischem Gebiete ge- funden hat. Denn diese letztere Anwendung bezeichnet zu- gleich einen der wenigen Versuche, welche die wissenschaftliche
ſie ſind wie unorganiſche Körper, die von einem in üppigem Wachstum begriffenen Organismus überwallt und einge- kapſelt werden.
Aehnlich verhält es ſich, wenn ich mich nicht täuſche, auch mit der nationalökonomiſchen Lehre von der Arbeits- teilung. In ihrer jetzigen Geſtalt geht dieſelbe auf Adam Smith zurück, und zu ihrer Popularität hat wohl der äußere Umſtand nicht wenig beigetragen, daß ſie im erſten Kapitel des erſten Buches ſeines klaſſiſchen Werkes vorge- tragen wird, wo ſie auch der großen Schar derjenigen nicht entgehen konnte, welche die Bücher bloß „anleſen.“ Adam Smith iſt freilich nicht der Urheber jener Lehre. Er ent- lehnt dieſelbe in weſentlichen Punkten dem Essay on the history of civil society ſeines Landsmannes Adam Fer- guſon, welcher 1767 erſchienen war. Allein in der an- mutigen Form, in welcher Smith ſie vortrug, iſt die Lehre von allen Späteren übernommen worden; ſie iſt in dieſer Form auch in andere Wiſſenſchaften übergegangen und in ihr jedem Gebildeten geläufig geworden.
Ich darf alſo darauf rechnen, mich in einem meinen Hörern geläufigen Gedankenkreiſe zu bewegen, wenn ich heute verſuche, die nationalökonomiſche Lehre von der Arbeits- teilung einer kritiſchen Prüfung zu unterwerfen und wenn ich in dieſe Prüfung mit einbeziehe die Anwendung, welche dieſe Lehre ganz neuerdings auf ſoziologiſchem Gebiete ge- funden hat. Denn dieſe letztere Anwendung bezeichnet zu- gleich einen der wenigen Verſuche, welche die wiſſenſchaftliche
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0144"n="122"/>ſie ſind wie unorganiſche Körper, die von einem in üppigem<lb/>
Wachstum begriffenen Organismus überwallt und einge-<lb/>
kapſelt werden.</p><lb/><p>Aehnlich verhält es ſich, wenn ich mich nicht täuſche,<lb/>
auch mit der nationalökonomiſchen Lehre von der Arbeits-<lb/>
teilung. In ihrer jetzigen Geſtalt geht dieſelbe auf <hirendition="#g">Adam<lb/>
Smith</hi> zurück, und zu ihrer Popularität hat wohl der<lb/>
äußere Umſtand nicht wenig beigetragen, daß ſie im erſten<lb/>
Kapitel des erſten Buches ſeines klaſſiſchen Werkes vorge-<lb/>
tragen wird, wo ſie auch der großen Schar derjenigen nicht<lb/>
entgehen konnte, welche die Bücher bloß „anleſen.“ Adam<lb/>
Smith iſt freilich nicht der Urheber jener Lehre. Er ent-<lb/>
lehnt dieſelbe in weſentlichen Punkten dem <hirendition="#aq">Essay on the<lb/>
history of civil society</hi>ſeines Landsmannes <hirendition="#g">Adam Fer-<lb/>
guſon</hi>, welcher 1767 erſchienen war. Allein in der an-<lb/>
mutigen Form, in welcher Smith ſie vortrug, iſt die Lehre<lb/>
von allen Späteren übernommen worden; ſie iſt in dieſer<lb/>
Form auch in andere Wiſſenſchaften übergegangen und in<lb/>
ihr jedem Gebildeten geläufig geworden.</p><lb/><p>Ich darf alſo darauf rechnen, mich in einem meinen<lb/>
Hörern geläufigen Gedankenkreiſe zu bewegen, wenn ich heute<lb/>
verſuche, die nationalökonomiſche Lehre von der Arbeits-<lb/>
teilung einer kritiſchen Prüfung zu unterwerfen und wenn<lb/>
ich in dieſe Prüfung mit einbeziehe die Anwendung, welche<lb/>
dieſe Lehre ganz neuerdings auf ſoziologiſchem Gebiete ge-<lb/>
funden hat. Denn dieſe letztere Anwendung bezeichnet zu-<lb/>
gleich einen der wenigen Verſuche, welche die wiſſenſchaftliche<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[122/0144]
ſie ſind wie unorganiſche Körper, die von einem in üppigem
Wachstum begriffenen Organismus überwallt und einge-
kapſelt werden.
Aehnlich verhält es ſich, wenn ich mich nicht täuſche,
auch mit der nationalökonomiſchen Lehre von der Arbeits-
teilung. In ihrer jetzigen Geſtalt geht dieſelbe auf Adam
Smith zurück, und zu ihrer Popularität hat wohl der
äußere Umſtand nicht wenig beigetragen, daß ſie im erſten
Kapitel des erſten Buches ſeines klaſſiſchen Werkes vorge-
tragen wird, wo ſie auch der großen Schar derjenigen nicht
entgehen konnte, welche die Bücher bloß „anleſen.“ Adam
Smith iſt freilich nicht der Urheber jener Lehre. Er ent-
lehnt dieſelbe in weſentlichen Punkten dem Essay on the
history of civil society ſeines Landsmannes Adam Fer-
guſon, welcher 1767 erſchienen war. Allein in der an-
mutigen Form, in welcher Smith ſie vortrug, iſt die Lehre
von allen Späteren übernommen worden; ſie iſt in dieſer
Form auch in andere Wiſſenſchaften übergegangen und in
ihr jedem Gebildeten geläufig geworden.
Ich darf alſo darauf rechnen, mich in einem meinen
Hörern geläufigen Gedankenkreiſe zu bewegen, wenn ich heute
verſuche, die nationalökonomiſche Lehre von der Arbeits-
teilung einer kritiſchen Prüfung zu unterwerfen und wenn
ich in dieſe Prüfung mit einbeziehe die Anwendung, welche
dieſe Lehre ganz neuerdings auf ſoziologiſchem Gebiete ge-
funden hat. Denn dieſe letztere Anwendung bezeichnet zu-
gleich einen der wenigen Verſuche, welche die wiſſenſchaftliche
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/144>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.