Städtewesen ausgebildet haben, kennen auch kein nationales Handwerk. Darin liegt aber auch, daß mit der Ausbildung größerer zentralisierter Staatswesen und einheitlicher Ver- kehrsgebiete das Handwerk zurückgehen mußte. Es bildete sich im XVII. und XVIII. Jahrhundert ein neues Betriebs- system, das nicht mehr auf den lokalen, sondern auf den nationalen und internationalen Markt begründet war. Unsere Vorfahren haben dasselbe mit dem Doppelnamen Manu- fakturen und Fabriken bezeichnet, ohne zwischen bei- den Ausdrücken einen Unterschied zu machen. Näher be- sehen handelt es sich eigentlich um zwei verschiedene Be- triebssysteme. Das eine hat man seither mit dem mißver- ständlichen Worte Hausindustrie belegt; wir wollen es Verlagssystem nennen; das andere ist unsere Fa- brik. Beide Systeme stellen sich die Aufgabe, ein weites Marktgebiet mit Industrieprodukten zu versorgen; beide bedürfen dazu einer größeren Zahl von Arbeitern; ver- schieden nur sind dieselben in der Art, wie sie jene Aufgabe lösen und die Arbeiter organisieren.
Am einfachsten verfährt dabei das Verlagssystem. Es läßt die seitherige Produktionsweise zunächst ganz un- berührt und beschränkt sich darauf, den Absatz zu or- ganisieren. Der Verleger ist ein kaufmännischer Unter- nehmer, der regelmäßig eine größere Zahl von Arbeitern außerhalb seiner eigenen Betriebsstätte in ihren Wohnungen beschäftigt. Diese Arbeiter sind entweder ehemalige Hand- werker, welche fortan anstatt für viele Konsumenten für
Städteweſen ausgebildet haben, kennen auch kein nationales Handwerk. Darin liegt aber auch, daß mit der Ausbildung größerer zentraliſierter Staatsweſen und einheitlicher Ver- kehrsgebiete das Handwerk zurückgehen mußte. Es bildete ſich im XVII. und XVIII. Jahrhundert ein neues Betriebs- ſyſtem, das nicht mehr auf den lokalen, ſondern auf den nationalen und internationalen Markt begründet war. Unſere Vorfahren haben dasſelbe mit dem Doppelnamen Manu- fakturen und Fabriken bezeichnet, ohne zwiſchen bei- den Ausdrücken einen Unterſchied zu machen. Näher be- ſehen handelt es ſich eigentlich um zwei verſchiedene Be- triebsſyſteme. Das eine hat man ſeither mit dem mißver- ſtändlichen Worte Hausinduſtrie belegt; wir wollen es Verlagsſyſtem nennen; das andere iſt unſere Fa- brik. Beide Syſteme ſtellen ſich die Aufgabe, ein weites Marktgebiet mit Induſtrieprodukten zu verſorgen; beide bedürfen dazu einer größeren Zahl von Arbeitern; ver- ſchieden nur ſind dieſelben in der Art, wie ſie jene Aufgabe löſen und die Arbeiter organiſieren.
Am einfachſten verfährt dabei das Verlagsſyſtem. Es läßt die ſeitherige Produktionsweiſe zunächſt ganz un- berührt und beſchränkt ſich darauf, den Abſatz zu or- ganiſieren. Der Verleger iſt ein kaufmänniſcher Unter- nehmer, der regelmäßig eine größere Zahl von Arbeitern außerhalb ſeiner eigenen Betriebsſtätte in ihren Wohnungen beſchäftigt. Dieſe Arbeiter ſind entweder ehemalige Hand- werker, welche fortan anſtatt für viele Konſumenten für
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Städteweſen ausgebildet haben, kennen auch kein nationales
Handwerk. Darin liegt aber auch, daß mit der Ausbildung
größerer zentraliſierter Staatsweſen und einheitlicher Ver-
kehrsgebiete das Handwerk zurückgehen mußte. Es bildete
ſich im XVII. und XVIII. Jahrhundert ein neues Betriebs-
ſyſtem, das nicht mehr auf den lokalen, ſondern auf den
nationalen und internationalen Markt begründet war. Unſere
Vorfahren haben dasſelbe mit dem Doppelnamen Manu-
fakturen und Fabriken bezeichnet, ohne zwiſchen bei-
den Ausdrücken einen Unterſchied zu machen. Näher be-
ſehen handelt es ſich eigentlich um zwei verſchiedene Be-
triebsſyſteme. Das eine hat man ſeither mit dem mißver-
ſtändlichen Worte Hausinduſtrie belegt; wir wollen
es Verlagsſyſtem nennen; das andere iſt unſere Fa-
brik. Beide Syſteme ſtellen ſich die Aufgabe, ein weites
Marktgebiet mit Induſtrieprodukten zu verſorgen; beide
bedürfen dazu einer größeren Zahl von Arbeitern; ver-
ſchieden nur ſind dieſelben in der Art, wie ſie jene Aufgabe
löſen und die Arbeiter organiſieren.
Am einfachſten verfährt dabei das Verlagsſyſtem.
Es läßt die ſeitherige Produktionsweiſe zunächſt ganz un-
berührt und beſchränkt ſich darauf, den Abſatz zu or-
ganiſieren. Der Verleger iſt ein kaufmänniſcher Unter-
nehmer, der regelmäßig eine größere Zahl von Arbeitern
außerhalb ſeiner eigenen Betriebsſtätte in ihren Wohnungen
beſchäftigt. Dieſe Arbeiter ſind entweder ehemalige Hand-
werker, welche fortan anſtatt für viele Konſumenten für
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/127>, abgerufen am 02.05.2024.
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