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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

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fleißes für unser kunstgewerbliches Zeitalter eine so reiche
Fundgrube volkstümlicher Stilmuster geworden.

Der norwegische Bauer ist nicht bloß, wie der west-
fälische Hofschulze in Immermanns "Münchhausen," sein
eigener Schmied und Schreiner; er baut auch sein Holz-
haus selbst, fertigt seine Ackergeräte, Wagen und Schlitten,
gerbt das Leder, schnitzt mancherlei hölzernes und schmiedet
selbst metallenes Hausgerät 1). In Island sind sogar die
Bauern sehr geschickte Silberarbeiter. In Hochschottland
war noch am Ende des vorigen Jahrhunderts jeder sein
eigener Weber, Walker, Gerber und Schuster. In Galizien,
in der Bukowina, in vielen Teilen von Ungarn und Sieben-
bürgen, in Rumänien, bei den südslavischen Völkerschaften
gab es bis auf die neuere Zeit kaum einen anderen Hand-
werker, als den Schmied, und der ist meist ein Zigeuner.
In Griechenland und vielen anderen Teilen der Balkan-
halbinsel kamen nur etwa noch wandernde Bauarbeiter
hinzu 2). Zahllose ähnliche Beispiele ließen sich von anderen

1) Eilert Sundt, Om Husfliden i Norge, Christiania 1867.
-- Blom, Das Königreich Norwegen, Leipzig 1843, S. 237. Th.
Forester
, Norwegen und sein Volk, übersetzt von M. B. Lindau,
S. 74. E. Sidenbladh, Schweden, Statistische Mitteilungen zur
Wiener Weltausstellung 1873.
2) Ueber die österreichischen Völker vergl. Die Hausindustrie
Oesterreichs. Ein Kommentar zur hausindustriellen Abteilung auf der
allgemeinen land- und forstwirtschaftlichen Ausstellung zu Wien 1890.
Redigiert von W. Exner. Ferner Oesterreichische Monatsschrift für
Gesellschaftswissenschaft IV, 90 ff. VIII, 22. IX, 98 und 331. A.
Riegl, Textile Hausindustrie in Oesterreich in den "Mitteilungen

fleißes für unſer kunſtgewerbliches Zeitalter eine ſo reiche
Fundgrube volkstümlicher Stilmuſter geworden.

Der norwegiſche Bauer iſt nicht bloß, wie der weſt-
fäliſche Hofſchulze in Immermanns „Münchhauſen,“ ſein
eigener Schmied und Schreiner; er baut auch ſein Holz-
haus ſelbſt, fertigt ſeine Ackergeräte, Wagen und Schlitten,
gerbt das Leder, ſchnitzt mancherlei hölzernes und ſchmiedet
ſelbſt metallenes Hausgerät 1). In Island ſind ſogar die
Bauern ſehr geſchickte Silberarbeiter. In Hochſchottland
war noch am Ende des vorigen Jahrhunderts jeder ſein
eigener Weber, Walker, Gerber und Schuſter. In Galizien,
in der Bukowina, in vielen Teilen von Ungarn und Sieben-
bürgen, in Rumänien, bei den ſüdſlaviſchen Völkerſchaften
gab es bis auf die neuere Zeit kaum einen anderen Hand-
werker, als den Schmied, und der iſt meiſt ein Zigeuner.
In Griechenland und vielen anderen Teilen der Balkan-
halbinſel kamen nur etwa noch wandernde Bauarbeiter
hinzu 2). Zahlloſe ähnliche Beiſpiele ließen ſich von anderen

1) Eilert Sundt, Om Husfliden i Norge, Christiania 1867.
Blom, Das Königreich Norwegen, Leipzig 1843, S. 237. Th.
Foreſter
, Norwegen und ſein Volk, überſetzt von M. B. Lindau,
S. 74. E. Sidenbladh, Schweden, Statiſtiſche Mitteilungen zur
Wiener Weltausſtellung 1873.
2) Ueber die öſterreichiſchen Völker vergl. Die Hausinduſtrie
Oeſterreichs. Ein Kommentar zur hausinduſtriellen Abteilung auf der
allgemeinen land- und forſtwirtſchaftlichen Ausſtellung zu Wien 1890.
Redigiert von W. Exner. Ferner Oeſterreichiſche Monatsſchrift für
Geſellſchaftswiſſenſchaft IV, 90 ff. VIII, 22. IX, 98 und 331. A.
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[91/0113] fleißes für unſer kunſtgewerbliches Zeitalter eine ſo reiche Fundgrube volkstümlicher Stilmuſter geworden. Der norwegiſche Bauer iſt nicht bloß, wie der weſt- fäliſche Hofſchulze in Immermanns „Münchhauſen,“ ſein eigener Schmied und Schreiner; er baut auch ſein Holz- haus ſelbſt, fertigt ſeine Ackergeräte, Wagen und Schlitten, gerbt das Leder, ſchnitzt mancherlei hölzernes und ſchmiedet ſelbſt metallenes Hausgerät 1). In Island ſind ſogar die Bauern ſehr geſchickte Silberarbeiter. In Hochſchottland war noch am Ende des vorigen Jahrhunderts jeder ſein eigener Weber, Walker, Gerber und Schuſter. In Galizien, in der Bukowina, in vielen Teilen von Ungarn und Sieben- bürgen, in Rumänien, bei den ſüdſlaviſchen Völkerſchaften gab es bis auf die neuere Zeit kaum einen anderen Hand- werker, als den Schmied, und der iſt meiſt ein Zigeuner. In Griechenland und vielen anderen Teilen der Balkan- halbinſel kamen nur etwa noch wandernde Bauarbeiter hinzu 2). Zahlloſe ähnliche Beiſpiele ließen ſich von anderen 1) Eilert Sundt, Om Husfliden i Norge, Christiania 1867. — Blom, Das Königreich Norwegen, Leipzig 1843, S. 237. Th. Foreſter, Norwegen und ſein Volk, überſetzt von M. B. Lindau, S. 74. E. Sidenbladh, Schweden, Statiſtiſche Mitteilungen zur Wiener Weltausſtellung 1873. 2) Ueber die öſterreichiſchen Völker vergl. Die Hausinduſtrie Oeſterreichs. Ein Kommentar zur hausinduſtriellen Abteilung auf der allgemeinen land- und forſtwirtſchaftlichen Ausſtellung zu Wien 1890. Redigiert von W. Exner. Ferner Oeſterreichiſche Monatsſchrift für Geſellſchaftswiſſenſchaft IV, 90 ff. VIII, 22. IX, 98 und 331. A. Riegl, Textile Hausinduſtrie in Oeſterreich in den „Mitteilungen

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Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/113>, abgerufen am 02.05.2024.