Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.Achtes Buch. Ewigkeit) solches rechtschaffen getahn hat. Ich erinnere mich/ schon gemeldet zuhaben/ wasgestalt der eine Räuber mich mit dem drittel einer Krone vom Tode loßkauffte/ worauff ich meinete/ nunmehr aller Lebens Gefahr entgangen seyn/ und fiel noch immer tieffer darein/ wie ihr werdet zuvernehmen haben. Mein Herr/ der mich gekaufft hatte/ wahr seines Alters 54 Jahr/ hatte ein junges/ zwar nicht heßliches aber sehr freches Weib/ die ihn nur zum Schanddeckel zur Ehe genommen hatte/ und ohn alle Scheuh vielfältige Unzucht trieb/ wozu dieser Geduldige durch die Finger zusehen gezwungen ward/ wolte er sonst Gewogen- heit im Hause/ und raum am Tische haben. Ich hatte solches schon gemuhtmasset; massen da wir auff der Heimreise wahren/ er von seiner Geselschafft zimlich auffgezogen/ und be- fraget ward/ ob er mich mit einnehmen/ und seinem Weibe mich würde sehen lassen dürfen; wie es dann in Warheit nicht anders erging; dann als er seiner Wohnung nahete/ geboht er mir/ ich solte mich gegen niemand merken lassen/ dz ich von ihm gekaüfft währe/ sondern mich halten/ als gehörete ich einem andern zu. Ich wahr gehorsam/ und trat mit meiner knechtischen Kette hinter ihm her/ welcher Stand mir dannoch/ in Betrachtung der vori- gen elenden Gefängniß/ als eine sonderliche Himmels Gunst und Freyheit gedauchte. Das Hauß funden wir vol fremder Gäste/ welche/ weil die Frau eine offene Schenke hielt/ weid- lich umzecheten/ und meinen Herrn nach schlechtem wilkommen zu sich sitzen hiessen. Sein Weib wahr halb beräuschet/ und empfing ihn mit dieser Freundligkeit: Wie du altes un- nützes Raben Vieh/ sagete sie/ hat dich alles Unglük schon wieder daher geführet? ich mei- ne/ du werdest dich deiner Haut gefürchtet/ und deine Geselschaft verlassen haben/ die in kurzem ihre Weiber mit reicher Beute erfreuen werden/ da hingegen ich dich ernehren muß; O daß du im ersten Tritte den Hals gebrochen hättest/ da du zu meiner Hauß Tühr eintra- test/ und mich freietest. Tuhe gemach liebes Kind/ antwortete er/ ich bin zu dem Ende nicht außgezogen/ nur müde Beine zuholen/ habe auch nicht etwa einem Hasen oder Fuchse nach- gestellet/ sondern an unsern ungeträuen Nachbarn den Böhmen mich zur Gnüge gerochen/ und hat das Glük unserer Geselschafft so wol gewolt/ daß jeder zu seinem Anteil 1800 Kro- nen Baarschafft/ und 2000 Kronen an markfeilen Gütern erbeutet/ welche inwendig einer Stunde alhie seyn werden. Das heist dich GOtt sprechen/ sagete sie/ ich hatte mir sonst schon vorgenommen/ dein müssig zugehen/ und vor mich allein zuleben/ wie ich dann mein Brod ohn dich wol gewinnen kan; aber nun werde ich mich eines andern besinnen/ jedoch dafern du bald wieder fort wandern/ und diesem guten Glük weiter nachsetzen wirst. Laß mich zuvor wiederkommen/ antwortete er/ und etliche Wochen oder Tage außruhen; ich bin ja kein Hund/ daß ich immerzu lauffen sol; so muß ich auch zuvor meine Beute anle- gen/ und gute Länderey davor käuffen. Darauff foderte er Essen/ und ließ mir auch ein ver- worffenes Steinhartes Rindichen geben/ dabey ich einen frischen Trunk Wasser bekam/ und solche dürre Mahlzeit mir noch zimlich schmeckete. Kaum hatte ich solche Speise ein- geschlukt/ sahe mich sein Weib hinter der Hauß Tühr sitzen/ und fragete ihn/ wer ich wäh- re. Er gab vor/ ich währe ihm zum Leibeigenen geschenket/ und hoffete er/ ich würde mein Brod verdienen können. Worauff sie mich eigentlich besahe/ und muste ich vor ihr hin und hergehen; weil mir dann solches zimlich saur ward/ auch der Rücken mir krum stund/ die Haar auff dem Häupte und im Barte sehr verwirret wahren/ und wenig seines an mir er- schien;
Achtes Buch. Ewigkeit) ſolches rechtſchaffen getahn hat. Ich eriñere mich/ ſchon gemeldet zuhaben/ wasgeſtalt der eine Raͤuber mich mit dem drittel einer Krone vom Tode loßkauffte/ worauff ich meinete/ nunmehr aller Lebens Gefahr entgangen ſeyn/ und fiel noch immer tieffer darein/ wie ihr werdet zuvernehmen haben. Mein Herr/ der mich gekaufft hatte/ wahr ſeines Alters 54 Jahr/ hatte ein junges/ zwar nicht heßliches aber ſehr freches Weib/ die ihn nur zum Schanddeckel zur Ehe genommen hatte/ und ohn alle Scheuh vielfaͤltige Unzucht trieb/ wozu dieſer Geduldige durch die Finger zuſehen gezwungen ward/ wolte er ſonſt Gewogen- heit im Hauſe/ und raum am Tiſche haben. Ich hatte ſolches ſchon gemuhtmaſſet; maſſen da wir auff der Heimreiſe wahren/ er von ſeiner Geſelſchafft zimlich auffgezogen/ und be- fraget ward/ ob er mich mit einnehmen/ und ſeinem Weibe mich wuͤꝛde ſehen laſſen duͤꝛfen; wie es dann in Warheit nicht anders erging; dann als er ſeiner Wohnung nahete/ geboht er mir/ ich ſolte mich gegen niemand merken laſſen/ dz ich von ihm gekauͤfft waͤhre/ ſondern mich halten/ als gehoͤrete ich einem andern zu. Ich wahr gehorſam/ und trat mit meiner knechtiſchen Kette hinter ihm her/ welcher Stand mir dannoch/ in Betrachtung der vori- gen elenden Gefaͤngniß/ als eine ſonderliche Himmels Gunſt und Freyheit gedauchte. Das Hauß funden wir vol fremder Gaͤſte/ welche/ weil die Frau eine offene Schenke hielt/ weid- lich umzecheten/ und meinen Herrn nach ſchlechtem wilkommen zu ſich ſitzen hieſſen. Sein Weib wahr halb beraͤuſchet/ und empfing ihn mit dieſer Freundligkeit: Wie du altes un- nuͤtzes Raben Vieh/ ſagete ſie/ hat dich alles Ungluͤk ſchon wieder daher geführet? ich mei- ne/ du werdeſt dich deiner Haut gefuͤrchtet/ und deine Geſelſchaft verlaſſen haben/ die in kurzem ihre Weiber mit reicher Beute erfꝛeuen weꝛden/ da hingegen ich dich ernehꝛen muß; O daß du im erſten Tritte den Hals gebrochen haͤtteſt/ da du zu meiner Hauß Tuͤhr eintra- teſt/ und mich freieteſt. Tuhe gemach liebes Kind/ antwortete er/ ich bin zu dem Ende nicht außgezogen/ nur muͤde Beine zuholen/ habe auch nicht etwa einem Haſen oder Fuchſe nach- geſtellet/ ſondern an unſern ungetraͤuen Nachbarn den Boͤhmen mich zur Gnuͤge gerochẽ/ und hat das Gluͤk unſerer Geſelſchafft ſo wol gewolt/ daß jeder zu ſeinem Anteil 1800 Kꝛo- nen Baarſchafft/ und 2000 Kronen an markfeilen Guͤtern erbeutet/ welche inwendig eineꝛ Stunde alhie ſeyn werden. Das heiſt dich GOtt ſprechen/ ſagete ſie/ ich hatte mir ſonſt ſchon vorgenommen/ dein muͤſſig zugehen/ und vor mich allein zuleben/ wie ich dann mein Brod ohn dich wol gewinnen kan; aber nun werde ich mich eines andern beſinnen/ jedoch dafern du bald wieder fort wandern/ und dieſem guten Gluͤk weiter nachſetzen wirſt. Laß mich zuvor wiederkommen/ antwortete er/ und etliche Wochen oder Tage außruhen; ich bin ja kein Hund/ daß ich immerzu lauffen ſol; ſo muß ich auch zuvor meine Beute anle- gen/ und gute Laͤnderey davor kaͤuffen. Darauff foderte er Eſſen/ und ließ mir auch ein ver- worffenes Steinhartes Rindichen geben/ dabey ich einen friſchen Trunk Waſſer bekam/ und ſolche duͤrre Mahlzeit mir noch zimlich ſchmeckete. Kaum hatte ich ſolche Speiſe ein- geſchlukt/ ſahe mich ſein Weib hinter der Hauß Tuͤhr ſitzen/ und fragete ihn/ wer ich waͤh- re. Er gab vor/ ich waͤhre ihm zum Leibeigenen geſchenket/ und hoffete er/ ich wuͤrde mein Brod verdienen koͤnnen. Worauff ſie mich eigentlich beſahe/ und muſte ich vor ihr hin und hergehen; weil mir dañ ſolches zimlich ſaur ward/ auch der Ruͤcken mir krum ſtund/ die Haar auff dem Haͤupte und im Barte ſehr verwirret wahren/ und wenig ſeines an mir er- ſchien;
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Achtes Buch.
Ewigkeit) ſolches rechtſchaffen getahn hat. Ich eriñere mich/ ſchon gemeldet zuhaben/ was
geſtalt der eine Raͤuber mich mit dem drittel einer Krone vom Tode loßkauffte/ worauff ich
meinete/ nunmehr aller Lebens Gefahr entgangen ſeyn/ und fiel noch immer tieffer darein/
wie ihr werdet zuvernehmen haben. Mein Herr/ der mich gekaufft hatte/ wahr ſeines Alters
54 Jahr/ hatte ein junges/ zwar nicht heßliches aber ſehr freches Weib/ die ihn nur zum
Schanddeckel zur Ehe genommen hatte/ und ohn alle Scheuh vielfaͤltige Unzucht trieb/
wozu dieſer Geduldige durch die Finger zuſehen gezwungen ward/ wolte er ſonſt Gewogen-
heit im Hauſe/ und raum am Tiſche haben. Ich hatte ſolches ſchon gemuhtmaſſet; maſſen
da wir auff der Heimreiſe wahren/ er von ſeiner Geſelſchafft zimlich auffgezogen/ und be-
fraget ward/ ob er mich mit einnehmen/ und ſeinem Weibe mich wuͤꝛde ſehen laſſen duͤꝛfen;
wie es dann in Warheit nicht anders erging; dann als er ſeiner Wohnung nahete/ geboht
er mir/ ich ſolte mich gegen niemand merken laſſen/ dz ich von ihm gekauͤfft waͤhre/ ſondern
mich halten/ als gehoͤrete ich einem andern zu. Ich wahr gehorſam/ und trat mit meiner
knechtiſchen Kette hinter ihm her/ welcher Stand mir dannoch/ in Betrachtung der vori-
gen elenden Gefaͤngniß/ als eine ſonderliche Himmels Gunſt und Freyheit gedauchte. Das
Hauß funden wir vol fremder Gaͤſte/ welche/ weil die Frau eine offene Schenke hielt/ weid-
lich umzecheten/ und meinen Herrn nach ſchlechtem wilkommen zu ſich ſitzen hieſſen. Sein
Weib wahr halb beraͤuſchet/ und empfing ihn mit dieſer Freundligkeit: Wie du altes un-
nuͤtzes Raben Vieh/ ſagete ſie/ hat dich alles Ungluͤk ſchon wieder daher geführet? ich mei-
ne/ du werdeſt dich deiner Haut gefuͤrchtet/ und deine Geſelſchaft verlaſſen haben/ die in
kurzem ihre Weiber mit reicher Beute erfꝛeuen weꝛden/ da hingegen ich dich ernehꝛen muß;
O daß du im erſten Tritte den Hals gebrochen haͤtteſt/ da du zu meiner Hauß Tuͤhr eintra-
teſt/ und mich freieteſt. Tuhe gemach liebes Kind/ antwortete er/ ich bin zu dem Ende nicht
außgezogen/ nur muͤde Beine zuholen/ habe auch nicht etwa einem Haſen oder Fuchſe nach-
geſtellet/ ſondern an unſern ungetraͤuen Nachbarn den Boͤhmen mich zur Gnuͤge gerochẽ/
und hat das Gluͤk unſerer Geſelſchafft ſo wol gewolt/ daß jeder zu ſeinem Anteil 1800 Kꝛo-
nen Baarſchafft/ und 2000 Kronen an markfeilen Guͤtern erbeutet/ welche inwendig eineꝛ
Stunde alhie ſeyn werden. Das heiſt dich GOtt ſprechen/ ſagete ſie/ ich hatte mir ſonſt
ſchon vorgenommen/ dein muͤſſig zugehen/ und vor mich allein zuleben/ wie ich dann mein
Brod ohn dich wol gewinnen kan; aber nun werde ich mich eines andern beſinnen/ jedoch
dafern du bald wieder fort wandern/ und dieſem guten Gluͤk weiter nachſetzen wirſt. Laß
mich zuvor wiederkommen/ antwortete er/ und etliche Wochen oder Tage außruhen; ich
bin ja kein Hund/ daß ich immerzu lauffen ſol; ſo muß ich auch zuvor meine Beute anle-
gen/ und gute Laͤnderey davor kaͤuffen. Darauff foderte er Eſſen/ und ließ mir auch ein ver-
worffenes Steinhartes Rindichen geben/ dabey ich einen friſchen Trunk Waſſer bekam/
und ſolche duͤrre Mahlzeit mir noch zimlich ſchmeckete. Kaum hatte ich ſolche Speiſe ein-
geſchlukt/ ſahe mich ſein Weib hinter der Hauß Tuͤhr ſitzen/ und fragete ihn/ wer ich waͤh-
re. Er gab vor/ ich waͤhre ihm zum Leibeigenen geſchenket/ und hoffete er/ ich wuͤrde mein
Brod verdienen koͤnnen. Worauff ſie mich eigentlich beſahe/ und muſte ich vor ihr hin und
hergehen; weil mir dañ ſolches zimlich ſaur ward/ auch der Ruͤcken mir krum ſtund/ die
Haar auff dem Haͤupte und im Barte ſehr verwirret wahren/ und wenig ſeines an mir er-
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Zitationshilfe: | Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 930. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/936>, abgerufen am 16.08.2024. |