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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

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Siebendes Buch.
Geschichten/ die nicht uneben gesetzet wahren/ welches Königin Valiska wuste/ und ihm
die Laute reichete/ den anwesenden ädlen eines auffzumachen; Welcher in gebührlichem
Gehorsam solches leistete/ und aus dem Ovidius das Getichte von dem Pyramus und der
Thysbe in diesen Reimen anstimmete:

Thysben Klage über ihres Pyramus Tod.
[Spaltenumbruch]
1 PYramus mein bester Freund/
Meines Lebens Sonne;
Meine Freud und Wonne/
Der mich träulich hat gemeint!
Was vor Vnglük hat dich troffen?
Wer hat dich alhie ermordt?
Stilstu so mein sehnlich hoffen/
O du meiner Seelen Hort?
Wer hat dich erschlagen?
Wiltu mirs nicht sagen?
2 Pyramus erhöre doch
Deiner Thysben Schreihen;
Wiltu so erfreuen
Ihr angst-schweres Liebe-Joch?
Ach was sol ich nun beginnen?
Weh O weh der grossen Noht!
Ach der Herzog meiner Sinnen
Ligt vor meinen Füssen tod!
Leiden über Leiden
Wirket Todes scheiden!
3 Mein Ziel wahr in dich gericht
Vnd dir wahr ergeben
Mein Herz/ Geist und Leben;
O freundlich Angesicht/
Wo ist deine Schönheit blieben?
[Spaltenumbruch] Warumb bistu doch so bleich?
Das zulieben mich getrieben/
Ist nun eine todte Leich'.
O du bittre Liebe/
Darin ich mich übe!
4 Dieses Schwert sey stets verflucht/
Welches hat dein Leben
In den Tod gegeben/
Vnd dein keusches Blut versucht.
Trag' ich schuld an deinem sterben/
Wie mir zeiget diß mein Kleid;
Bin mit dir gleich zuverderben
Ich ganz willig und bereit;
Wil mit meinen Händen
Gern mein Leben enden.
5 Ich wil dein Gefärte seyn/
Vnd dich nicht verlassen
Auff des Todes Strassen;
Dieses wünsch' ich nur allein:
Vnsre Leiber mögen liegen
Fein in eines Grabes Raum;
Darzu wil ich dieses fügen:
O du blutger Maulbeer Baum!
Deine Beerlein färbe
Blutroht/ wann ich sterbe.

Valiska lobete den Tichter/ und sagete zu Olaff: Solche und dergleichen weltliche Ge-
sänge/ die weder von Göttern noch Menschen schandbahre Sachen in sich begreiffen/ son-
dern entweder der Warheit ähnliche Erzählungen/ und keusche Liebes-Reden/ oder sonst
der Tugend Lob uns vorstellen/ sind mir nicht unangenehm. Der Lauten Spieler hörete die-
ses/ und ließ folgendes noch darzu erklingen:

Koridons Morgen-Seuffzer.
[Spaltenumbruch]
1 NVn die finstre Nacht ist hin/
Hoffnung hat mich jezt umfangen.
Fillis liebste Schäfferin
Bistu schon hinweg gegangen!
Warumb geh' ich nicht mit dir?
O du Sonne meines lebens/
Lieb' ich dich dann so vergebens?
Bricht dein Glanz noch nicht herfür?
2 Zwar der Sonnen-Fackel wacht/
Und die Morgenröhte scheinet/
[Spaltenumbruch] Alles Wild im Walde lacht;
Und mein Herz im Leibe weinet.
Fillis läufstu' noch vor mir?
O du Sonne meines lebens/
Lieb' ich dich dann so vergebens?
Bricht dein Glanz noch nicht herfür?
3 Höre doch die Nachtigal/
Wie sie schon ihr Stimlein fuhret/
Wann sie klaget ihren Fal/
Daß sie unktusch ist berühret.
Fillis
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Siebendes Buch.
Geſchichten/ die nicht uneben geſetzet wahren/ welches Koͤnigin Valiſka wuſte/ und ihm
die Laute reichete/ den anweſenden aͤdlen eines auffzumachen; Welcher in gebuͤhrlichem
Gehorſam ſolches leiſtete/ und aus dem Ovidius das Getichte von dem Pyramus und der
Thyſbe in dieſen Reimen anſtimmete:

Thyſben Klage uͤber ihres Pyramus Tod.
[Spaltenumbruch]
1 PYramus mein beſter Freund/
Meines Lebens Sonne;
Meine Freud und Wonne/
Der mich traͤulich hat gemeint!
Was vor Vngluͤk hat dich troffen?
Wer hat dich alhie ermordt?
Stilſtu ſo mein ſehnlich hoffen/
O du meiner Seelen Hort?
Wer hat dich erſchlagen?
Wiltu mirs nicht ſagen?
2 Pyramus erhoͤre doch
Deiner Thyſben Schreihen;
Wiltu ſo erfreuen
Ihr angſt-ſchweres Liebe-Joch?
Ach was ſol ich nun beginnen?
Weh O weh der groſſen Noht!
Ach der Herzog meiner Sinnen
Ligt vor meinen Fuͤſſen tod!
Leiden uͤber Leiden
Wirket Todes ſcheiden!
3 Mein Ziel wahr in dich gericht
Vnd dir wahr ergeben
Mein Herz/ Geiſt und Leben;
O freundlich Angeſicht/
Wo iſt deine Schoͤnheit blieben?
[Spaltenumbruch] Warumb biſtu doch ſo bleich?
Das zulieben mich getrieben/
Iſt nun eine todte Leich’.
O du bittre Liebe/
Darin ich mich uͤbe!
4 Dieſes Schwert ſey ſtets verflucht/
Welches hat dein Leben
In den Tod gegeben/
Vnd dein keuſches Blut verſucht.
Trag’ ich ſchuld an deinem ſterben/
Wie mir zeiget diß mein Kleid;
Bin mit dir gleich zuverderben
Ich ganz willig und bereit;
Wil mit meinen Haͤnden
Gern mein Leben enden.
5 Ich wil dein Gefaͤrte ſeyn/
Vnd dich nicht verlaſſen
Auff des Todes Straſſen;
Dieſes wuͤnſch’ ich nur allein:
Vnſre Leiber moͤgen liegen
Fein in eines Grabes Raum;
Darzu wil ich dieſes fuͤgen:
O du blutger Maulbeer Baum!
Deine Beerlein faͤrbe
Blutroht/ wann ich ſterbe.

Valiſka lobete den Tichter/ und ſagete zu Olaff: Solche und dergleichen weltliche Ge-
ſaͤnge/ die weder von Goͤttern noch Menſchen ſchandbahre Sachen in ſich begreiffen/ ſon-
dern entweder der Warheit aͤhnliche Erzaͤhlungen/ und keuſche Liebes-Reden/ oder ſonſt
der Tugend Lob uns vorſtellen/ ſind mir nicht unangenehm. Der Lauten Spieler hoͤrete die-
ſes/ und ließ folgendes noch darzu erklingen:

Koridons Morgen-Seuffzer.
[Spaltenumbruch]
1 NVn die finſtre Nacht iſt hin/
Hoffnung hat mich jezt umfangen.
Fillis liebſte Schaͤfferin
Biſtu ſchon hinweg gegangen!
Warumb geh’ ich nicht mit dir?
O du Sonne meines lebens/
Lieb’ ich dich dann ſo vergebens?
Bricht dein Glanz noch nicht herfuͤr?
2 Zwar der Sonnen-Fackel wacht/
Und die Morgenroͤhte ſcheinet/
[Spaltenumbruch] Alles Wild im Walde lacht;
Und mein Herz im Leibe weinet.
Fillis laͤufſtu’ noch vor mir?
O du Sonne meines lebens/
Lieb’ ich dich dann ſo vergebens?
Bricht dein Glanz noch nicht herfuͤr?
3 Hoͤre doch die Nachtigal/
Wie ſie ſchon ihr Stimlein fuhret/
Wann ſie klaget ihren Fal/
Daß ſie unktuſch iſt beruͤhret.
Fillis
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[645/0651] Siebendes Buch. Geſchichten/ die nicht uneben geſetzet wahren/ welches Koͤnigin Valiſka wuſte/ und ihm die Laute reichete/ den anweſenden aͤdlen eines auffzumachen; Welcher in gebuͤhrlichem Gehorſam ſolches leiſtete/ und aus dem Ovidius das Getichte von dem Pyramus und der Thyſbe in dieſen Reimen anſtimmete: Thyſben Klage uͤber ihres Pyramus Tod. 1 PYramus mein beſter Freund/ Meines Lebens Sonne; Meine Freud und Wonne/ Der mich traͤulich hat gemeint! Was vor Vngluͤk hat dich troffen? Wer hat dich alhie ermordt? Stilſtu ſo mein ſehnlich hoffen/ O du meiner Seelen Hort? Wer hat dich erſchlagen? Wiltu mirs nicht ſagen? 2 Pyramus erhoͤre doch Deiner Thyſben Schreihen; Wiltu ſo erfreuen Ihr angſt-ſchweres Liebe-Joch? Ach was ſol ich nun beginnen? Weh O weh der groſſen Noht! Ach der Herzog meiner Sinnen Ligt vor meinen Fuͤſſen tod! Leiden uͤber Leiden Wirket Todes ſcheiden! 3 Mein Ziel wahr in dich gericht Vnd dir wahr ergeben Mein Herz/ Geiſt und Leben; O freundlich Angeſicht/ Wo iſt deine Schoͤnheit blieben? Warumb biſtu doch ſo bleich? Das zulieben mich getrieben/ Iſt nun eine todte Leich’. O du bittre Liebe/ Darin ich mich uͤbe! 4 Dieſes Schwert ſey ſtets verflucht/ Welches hat dein Leben In den Tod gegeben/ Vnd dein keuſches Blut verſucht. Trag’ ich ſchuld an deinem ſterben/ Wie mir zeiget diß mein Kleid; Bin mit dir gleich zuverderben Ich ganz willig und bereit; Wil mit meinen Haͤnden Gern mein Leben enden. 5 Ich wil dein Gefaͤrte ſeyn/ Vnd dich nicht verlaſſen Auff des Todes Straſſen; Dieſes wuͤnſch’ ich nur allein: Vnſre Leiber moͤgen liegen Fein in eines Grabes Raum; Darzu wil ich dieſes fuͤgen: O du blutger Maulbeer Baum! Deine Beerlein faͤrbe Blutroht/ wann ich ſterbe. Valiſka lobete den Tichter/ und ſagete zu Olaff: Solche und dergleichen weltliche Ge- ſaͤnge/ die weder von Goͤttern noch Menſchen ſchandbahre Sachen in ſich begreiffen/ ſon- dern entweder der Warheit aͤhnliche Erzaͤhlungen/ und keuſche Liebes-Reden/ oder ſonſt der Tugend Lob uns vorſtellen/ ſind mir nicht unangenehm. Der Lauten Spieler hoͤrete die- ſes/ und ließ folgendes noch darzu erklingen: Koridons Morgen-Seuffzer. 1 NVn die finſtre Nacht iſt hin/ Hoffnung hat mich jezt umfangen. Fillis liebſte Schaͤfferin Biſtu ſchon hinweg gegangen! Warumb geh’ ich nicht mit dir? O du Sonne meines lebens/ Lieb’ ich dich dann ſo vergebens? Bricht dein Glanz noch nicht herfuͤr? 2 Zwar der Sonnen-Fackel wacht/ Und die Morgenroͤhte ſcheinet/ Alles Wild im Walde lacht; Und mein Herz im Leibe weinet. Fillis laͤufſtu’ noch vor mir? O du Sonne meines lebens/ Lieb’ ich dich dann ſo vergebens? Bricht dein Glanz noch nicht herfuͤr? 3 Hoͤre doch die Nachtigal/ Wie ſie ſchon ihr Stimlein fuhret/ Wann ſie klaget ihren Fal/ Daß ſie unktuſch iſt beruͤhret. Fillis m m m m iij

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 645. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/651>, abgerufen am 23.11.2024.