Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.Siebendes Buch. keit zur Erden stürzete/ da sie allen Odem verlohren hatte/ und nicht anders schien/ es wür-de ihr alsbald die Seele ausfahren. Arbianes befand/ daß ihn die Armwunde schmerzete/ legte seine gewöhnliche Salbe drauff/ die er zu allem Glük zu sich gestekt hatte/ und band sein Schnupfftuch darumb/ daß er gute Linderung fühlete; weil er aber mit dem Gefechte schier eine halbe Stunde zugebracht hatte/ wahr ihm sein herzgeliebtes Fräulein gar aus dem Gesichte kommen; doch trabete er anfangs ihrer Spuhr nach/ und hatte das einge- stekte Schwert in der Hand/ weil es ihm am Gehänge mangelte. Ihm wahr fast angst/ dz er seinen Schaz nicht erblicken kunte/ ging doch immer des Weges fort/ und hatte nicht mehr acht/ ob er frisch betreten wahr/ sondern richtete seine Augen gen Himmel/ und baht inständig/ Gott möchte ihn samt dem Fräulein zu den ihrigen verhelffen/ und vor weiterem Unfal gnädiglich bewahren; in welcher Andacht er anderthalb Meilen ging/ ehe dann drey Stunden verlieffen/ geriet endlich an ein Dörflein/ und fragete/ ob nit ein junger Knecht mit einer jungen bräunlichen Frauen/ gleich wie er gekleidet/ da eingekehret/ oder hindurch gangen währen/ bekam aber zur Antwort von einem Manne: Er hätte fünff Stunden lang aneinander vor seiner Hauß Tühr gearbeitet/ aber keinen einigen fremden Menschen gesehen vorüber gehen/ da doch nur diese einige Strasse währe/ und alle durchreisende nohtwendig hier vorüber müsten. Arbianes hoffete/ sie würden noch zurücke seyn/ und sich etwa hinter einer Hecke verberget haben/ deswegen er ihrer daselbst in die sechs Stunden wartete/ und inzwischen nohtdürfftige Speise und Trank zu sich nam. Als sie aber gar nit ankahmen/ ward er herzlich betrübet/ und behtete inniglich zu Gott/ er möchte das unschul- dige fromme Fräulein durch den Schuz seiner lieben Heiligen Engel geleiten/ daß sie nicht von ihm getrennet würde. Aber sie wahr schon ferne von ihm/ und hatte sich zur Ruhe ni- dergesezt/ nachdem Wolffgang Mühe gnug mit ihr gehabt hatte/ sie wieder zuerquicken/ wiewol ihre Herzensangst so groß und die Mattigkeit so stark wahr/ daß die Zunge kein verständiges Wort hervor bringen kunte/ da Wolffgang endlich zu ihr sagete: Ach Frau (dann anders wolte sie von ihm nicht genennet seyn) wie so gar übel haben wir getahn/ daß wir uns von dem rechten Wege abgewendet/ und dadurch meinem Herrn uns gar aus dem Gesichte gebracht; wie wollen wir doch immermehr ihn wieder antreffen? Ach mein lieber Wolffgang/ antwortete sie; meynet ihr/ daß euer Herr noch wol solte im Leben seyn? Ach nein/ ach nein/ er ist ohn zweifel schon ermordet. Fing hierauff an/ so erbärmlich zu weinen/ daß es einen Stein in der Erden jammern mögen/ wolte auch durchaus sich nicht trösten lassen/ wie viel gleich Wolffgang ihr vorsagete/ und sie demühtig erinnerte/ sie möch- te doch nicht aus blossem Argwohn sich selbst durch Sorgen ermorden; die Götter hätten ihn ausser zweifel geschützet/ wie er dann mit seinen Augen gesehen/ daß er den ersten und andern durch zween Würffe zu grunde gerichtet hätte/ und weil der Verfolger nur viere gewesen/ würde er der übrigen zween sich durch gleiches Mittel leicht erwehret haben/ nach- dem es an Steinen ihm daselbst nicht hätte mangeln können; währe demnach nichts raht- samers/ als daß sie wieder umkehreten/ und auff den vorigen Weg sich begäben. Ach nein ach nein/ sagte sie/ das Herz träget mir viel ein ärgers zu/ daß er hart verwundet oder wol gar erschlagen ist. So werde ich demnach den Rükweg zugehen mich nimmermehr bewä- gen lassen/ daß ich den Mördern ins Schwert lieffe/ und wann ich gleich wolte/ so hat we- der c c c c ij
Siebendes Buch. keit zur Erden ſtuͤrzete/ da ſie allen Odem verlohren hatte/ und nicht anders ſchien/ es wuͤr-de ihr alsbald die Seele ausfahren. Arbianes befand/ daß ihn die Armwunde ſchmerzete/ legte ſeine gewoͤhnliche Salbe drauff/ die er zu allem Gluͤk zu ſich geſtekt hatte/ und band ſein Schnupfftuch darumb/ daß er gute Linderung fuͤhlete; weil er aber mit dem Gefechte ſchier eine halbe Stunde zugebracht hatte/ wahr ihm ſein herzgeliebtes Fraͤulein gar aus dem Geſichte kommen; doch trabete er anfangs ihrer Spuhr nach/ und hatte das einge- ſtekte Schwert in der Hand/ weil es ihm am Gehaͤnge mangelte. Ihm wahr faſt angſt/ dz er ſeinen Schaz nicht erblicken kunte/ ging doch immer des Weges fort/ und hatte nicht mehr acht/ ob er friſch betreten wahr/ ſondern richtete ſeine Augen gen Himmel/ und baht inſtaͤndig/ Gott moͤchte ihn ſamt dem Fraͤulein zu den ihrigen verhelffen/ und voꝛ weiterem Unfal gnaͤdiglich bewahren; in welcher Andacht er anderthalb Meilen ging/ ehe dañ drey Stunden verlieffen/ geriet endlich an ein Doͤrflein/ und fragete/ ob nit ein junger Knecht mit einer jungen braͤunlichen Frauen/ gleich wie er gekleidet/ da eingekehret/ oder hindurch gangen waͤhren/ bekam aber zur Antwort von einem Manne: Er haͤtte fuͤnff Stunden lang aneinander vor ſeiner Hauß Tuͤhr gearbeitet/ aber keinen einigen fremden Menſchen geſehen voruͤber gehen/ da doch nur dieſe einige Straſſe waͤhre/ und alle durchreiſende nohtwendig hier voruͤber muͤſten. Arbianes hoffete/ ſie wuͤrden noch zuruͤcke ſeyn/ und ſich etwa hinter einer Hecke verberget haben/ deswegen er ihrer daſelbſt in die ſechs Stunden wartete/ und inzwiſchen nohtduͤrfftige Speiſe und Trank zu ſich nam. Als ſie aber gar nit ankahmen/ ward er herzlich betruͤbet/ und behtete inniglich zu Gott/ er moͤchte das unſchul- dige fromme Fraͤulein durch den Schuz ſeiner lieben Heiligen Engel geleiten/ daß ſie nicht von ihm getrennet wuͤrde. Aber ſie wahr ſchon ferne von ihm/ und hatte ſich zur Ruhe ni- dergeſezt/ nachdem Wolffgang Mühe gnug mit ihr gehabt hatte/ ſie wieder zuerquicken/ wiewol ihre Herzensangſt ſo groß und die Mattigkeit ſo ſtark wahr/ daß die Zunge kein verſtaͤndiges Wort hervor bringen kunte/ da Wolffgang endlich zu ihr ſagete: Ach Frau (dann anders wolte ſie von ihm nicht genennet ſeyn) wie ſo gar uͤbel haben wir getahn/ daß wir uns von dem rechten Wege abgewendet/ und dadurch meinem Herrn uns gar aus dem Geſichte gebracht; wie wollen wir doch immermehr ihn wieder antreffen? Ach mein lieber Wolffgang/ antwortete ſie; meynet ihr/ daß euer Herr noch wol ſolte im Leben ſeyn? Ach nein/ ach nein/ er iſt ohn zweifel ſchon ermordet. Fing hierauff an/ ſo erbaͤrmlich zu weinen/ daß es einen Stein in der Erden jammern moͤgen/ wolte auch durchaus ſich nicht troͤſten laſſen/ wie viel gleich Wolffgang ihr vorſagete/ und ſie demuͤhtig eriñerte/ ſie moͤch- te doch nicht aus bloſſem Argwohn ſich ſelbſt durch Sorgen ermorden; die Goͤtter haͤtten ihn auſſer zweifel geſchuͤtzet/ wie er dann mit ſeinen Augen geſehen/ daß er den erſten und andern durch zween Wuͤrffe zu grunde gerichtet haͤtte/ und weil der Verfolger nur viere geweſen/ würde er der uͤbrigen zween ſich durch gleiches Mittel leicht erwehret habẽ/ nach- dem es an Steinen ihm daſelbſt nicht haͤtte mangeln koͤnnen; waͤhre demnach nichts raht- ſamers/ als daß ſie wieder umkehreten/ und auff den vorigen Weg ſich begaͤben. Ach nein ach nein/ ſagte ſie/ das Herz traͤget mir viel ein aͤrgers zu/ daß er hart verwundet oder wol gar erſchlagen iſt. So werde ich demnach den Ruͤkweg zugehen mich nimmermehr bewaͤ- gen laſſen/ daß ich den Moͤrdern ins Schwert lieffe/ und wann ich gleich wolte/ ſo hat we- der c c c c ij
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Siebendes Buch.
keit zur Erden ſtuͤrzete/ da ſie allen Odem verlohren hatte/ und nicht anders ſchien/ es wuͤr-
de ihr alsbald die Seele ausfahren. Arbianes befand/ daß ihn die Armwunde ſchmerzete/
legte ſeine gewoͤhnliche Salbe drauff/ die er zu allem Gluͤk zu ſich geſtekt hatte/ und band
ſein Schnupfftuch darumb/ daß er gute Linderung fuͤhlete; weil er aber mit dem Gefechte
ſchier eine halbe Stunde zugebracht hatte/ wahr ihm ſein herzgeliebtes Fraͤulein gar aus
dem Geſichte kommen; doch trabete er anfangs ihrer Spuhr nach/ und hatte das einge-
ſtekte Schwert in der Hand/ weil es ihm am Gehaͤnge mangelte. Ihm wahr faſt angſt/ dz
er ſeinen Schaz nicht erblicken kunte/ ging doch immer des Weges fort/ und hatte nicht
mehr acht/ ob er friſch betreten wahr/ ſondern richtete ſeine Augen gen Himmel/ und baht
inſtaͤndig/ Gott moͤchte ihn ſamt dem Fraͤulein zu den ihrigen verhelffen/ und voꝛ weiterem
Unfal gnaͤdiglich bewahren; in welcher Andacht er anderthalb Meilen ging/ ehe dañ drey
Stunden verlieffen/ geriet endlich an ein Doͤrflein/ und fragete/ ob nit ein junger Knecht
mit einer jungen braͤunlichen Frauen/ gleich wie er gekleidet/ da eingekehret/ oder hindurch
gangen waͤhren/ bekam aber zur Antwort von einem Manne: Er haͤtte fuͤnff Stunden
lang aneinander vor ſeiner Hauß Tuͤhr gearbeitet/ aber keinen einigen fremden Menſchen
geſehen voruͤber gehen/ da doch nur dieſe einige Straſſe waͤhre/ und alle durchreiſende
nohtwendig hier voruͤber muͤſten. Arbianes hoffete/ ſie wuͤrden noch zuruͤcke ſeyn/ und ſich
etwa hinter einer Hecke verberget haben/ deswegen er ihrer daſelbſt in die ſechs Stunden
wartete/ und inzwiſchen nohtduͤrfftige Speiſe und Trank zu ſich nam. Als ſie aber gar nit
ankahmen/ ward er herzlich betruͤbet/ und behtete inniglich zu Gott/ er moͤchte das unſchul-
dige fromme Fraͤulein durch den Schuz ſeiner lieben Heiligen Engel geleiten/ daß ſie nicht
von ihm getrennet wuͤrde. Aber ſie wahr ſchon ferne von ihm/ und hatte ſich zur Ruhe ni-
dergeſezt/ nachdem Wolffgang Mühe gnug mit ihr gehabt hatte/ ſie wieder zuerquicken/
wiewol ihre Herzensangſt ſo groß und die Mattigkeit ſo ſtark wahr/ daß die Zunge kein
verſtaͤndiges Wort hervor bringen kunte/ da Wolffgang endlich zu ihr ſagete: Ach Frau
(dann anders wolte ſie von ihm nicht genennet ſeyn) wie ſo gar uͤbel haben wir getahn/ daß
wir uns von dem rechten Wege abgewendet/ und dadurch meinem Herrn uns gar aus
dem Geſichte gebracht; wie wollen wir doch immermehr ihn wieder antreffen? Ach mein
lieber Wolffgang/ antwortete ſie; meynet ihr/ daß euer Herr noch wol ſolte im Leben ſeyn?
Ach nein/ ach nein/ er iſt ohn zweifel ſchon ermordet. Fing hierauff an/ ſo erbaͤrmlich zu
weinen/ daß es einen Stein in der Erden jammern moͤgen/ wolte auch durchaus ſich nicht
troͤſten laſſen/ wie viel gleich Wolffgang ihr vorſagete/ und ſie demuͤhtig eriñerte/ ſie moͤch-
te doch nicht aus bloſſem Argwohn ſich ſelbſt durch Sorgen ermorden; die Goͤtter haͤtten
ihn auſſer zweifel geſchuͤtzet/ wie er dann mit ſeinen Augen geſehen/ daß er den erſten und
andern durch zween Wuͤrffe zu grunde gerichtet haͤtte/ und weil der Verfolger nur viere
geweſen/ würde er der uͤbrigen zween ſich durch gleiches Mittel leicht erwehret habẽ/ nach-
dem es an Steinen ihm daſelbſt nicht haͤtte mangeln koͤnnen; waͤhre demnach nichts raht-
ſamers/ als daß ſie wieder umkehreten/ und auff den vorigen Weg ſich begaͤben. Ach nein
ach nein/ ſagte ſie/ das Herz traͤget mir viel ein aͤrgers zu/ daß er hart verwundet oder wol
gar erſchlagen iſt. So werde ich demnach den Ruͤkweg zugehen mich nimmermehr bewaͤ-
gen laſſen/ daß ich den Moͤrdern ins Schwert lieffe/ und wann ich gleich wolte/ ſo hat we-
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Zitationshilfe: | Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/577>, abgerufen am 16.07.2024. |