Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.Sechstes Buch. Ich gebe diesem recht/ sagte der Käyser; aber wisset ihr nicht/ fragete er Gallus/ wie diesesKunstpulver zugerichtet wird? Nein/ allergnädigster Käyser/ sagte er; Mein Obrister/ da ich noch ein Räuber wahr/ hatte diese Kunst vor sich allein/ und gab vor/ es währe seine eigene erfindung/ die er noch keinem einigen Menschen mitgeteilet hätte; erboht sich gleich- wol/ mich dieselbe zulehren/ welches aber seine Niederlage im Walde/ und meine glükliche Bekehrung verhindert hat. Der Käyser hörete solches ungerne/ lies ihm einen teil geben/ und verwahrete es fleissig/ im Nohtfalle zugebrauchen/ da ihm Valiska an dem Frauenzim- mer sehen lies/ wie mans wieder abreiben könte. Er richtete diesen Abend eine vertrauliche freundschaft mit Herkules und seinem Gemahl auff/ so daß er ihn invictissimum Heroa, o- ptimumque Imperatoris fratrem; Einen unüberwindlichen Held/ und des Käysers allerbesten Bru- der. Sie aber/ Incomparabilem Heroinam, optimamque Imperatoris sororem; Eine unver- gleichliche Heldin/ und des Käysers allerbeste Schwester nennete; sich auch erboht/ mit ihnen al- le seine Hocheit zuteilen und gemein zu haben; dessen sie doch beiderseits sich unwirdig ner- neten/ und vor die hohe gewogenheit sich untertähnig bedanketen. Des folgenden Tages kahmen der Grosfürstin die obgesetzete Reimen zur Hand/ über welche sie sehr unwillig ward/ dem Tichter/ dafern sie ihn ausforschen könte/ schwere Rache dräuete/ zureiß die schrift in kleine stücken und sagete; es müste ihr ewig leid sein/ die Stad Padua jemals gesehen zuhaben/ wann zu solcher Abgötterey sie Ursach und Anlaß geben solte; ja sie gelo- bete 2000 Kronen aus/ wann man ihr den Uhrschreiber anmelden würde. Ach du mein Gott/ sagte sie überlaut bey der Mahlzeit/ sol man die wahre aller höchstheilige Gottheit so schimpflich halten/ daß man sie einem schwachen Menschen Kinde/ um etwa eines Rittes oder Schusses willen zuleget? ja solte ich elende vor eine Göttin angesehen sein/ die ich doch so grossem Vnglück unterworfen gewesen/ und über Meer und Land mich habe müssen schleppen lassen? Mein Gefängnis ist ja in ganz Asten bekant; meine Unfälle wissen die kleinen Kinder daselbst zu erzählen. Owas vor unbesonnenheit treibet doch die Menschen an/ daß wann Gott etwa einem eine geringe Leibes Zierligkeit verleihet/ solches alsbald vor himlisch und göttlich sol gehalten und ausgeruffen sein. Narren sind es/ und unverstän- dige grobe Klozhölzer/ die dem götlichen wesen schwache menschliche Leiber/ Fleisch/ Blut und Knochen zulegen. Die verständige Weltgelehrte habens viel besser/ als die Wahnwitzi- ge Tichter/ so man Poeten nennet gewust; dann sie verstehen und bekennen/ daß Gott ein Geist/ nicht ein Mensch; eine Kraft und unbegreifliches Wesen/ nicht ein kleines ümschrie- benes Geschöpf sein müsse; und währe sehr gut/ daß man auß deren schriften die jugend etwas fleissiger in der Erkäntnis Gottes unterrichtete/ und der Tichter Lügen Bücher im Feur gen Himmel schickete/ so lange ein Mensch dadurch geärgert und verführet werden kan. Ich möchte den jetzigen Tohren gerne fragen/ warumb er nicht mit einer Göttin fried- lich ist/ und auß mir eine dreifache/ als eine hochmühtige/ blutgierige und Unzüchtige zu machen gedenket/ und kan mir doch in alle Ewigkeit nicht beweisen/ daß auch nur eine ein- zige Göttin im Himmel oder auf Erden oder unter der Erden sey. Dann worzu solte sie doch sein? oder wie solte ich gläuben/ daß Gott ein Weib habe? dann lieber worzu hat er sie doch? ein Geist suchet ja keine fleischliche Wollust; so zeuget er auch ja keine Kinder oder Geisterlein mit ihr; dann wer lachet des Ovidianischen Mehrleins nicht/ daß er den Höch- sten h h h ij
Sechſtes Buch. Ich gebe dieſem recht/ ſagte der Kaͤyſer; aber wiſſet ihr nicht/ fragete er Gallus/ wie dieſesKunſtpulver zugerichtet wird? Nein/ allergnaͤdigſter Kaͤyſer/ ſagte er; Mein Obriſter/ da ich noch ein Raͤuber wahr/ hatte dieſe Kunſt vor ſich allein/ und gab vor/ es waͤhre ſeine eigene erfindung/ die er noch keinem einigen Menſchen mitgeteilet haͤtte; erboht ſich gleich- wol/ mich dieſelbe zulehren/ welches aber ſeine Niederlage im Walde/ und meine gluͤkliche Bekehrung verhindert hat. Der Kaͤyſer hoͤrete ſolches ungerne/ lies ihm einen teil geben/ und verwahrete es fleiſſig/ im Nohtfalle zugebrauchen/ da ihm Valiſka an dem Frauenzim- mer ſehen lies/ wie mans wieder abreiben koͤnte. Er richtete dieſen Abend eine vertrauliche freundſchaft mit Herkules und ſeinem Gemahl auff/ ſo daß er ihn invictisſimum Heroa, o- ptimumq́ue Imperatoris fratrem; Einen unuͤberwindlichen Held/ und des Kaͤyſers allerbeſten Bru- der. Sie aber/ Incomparabilem Heroinam, optimamq́ue Imperatoris ſororem; Eine unver- gleichliche Heldin/ und des Kaͤyſers allerbeſte Schweſter nennete; ſich auch erboht/ mit ihnen al- le ſeine Hocheit zuteilen und gemein zu haben; deſſen ſie doch beiderſeits ſich unwirdig ner- neten/ und vor die hohe gewogenheit ſich untertaͤhnig bedanketen. Des folgenden Tages kahmen der Groſfuͤrſtin die obgeſetzete Reimen zur Hand/ uͤber welche ſie ſehr unwillig ward/ dem Tichter/ dafern ſie ihn ausforſchen koͤnte/ ſchwere Rache draͤuete/ zureiß die ſchrift in kleine ſtuͤcken und ſagete; es muͤſte ihr ewig leid ſein/ die Stad Padua jemals geſehen zuhaben/ wann zu ſolcher Abgoͤtterey ſie Urſach und Anlaß geben ſolte; ja ſie gelo- bete 2000 Kronen aus/ wann man ihr den Uhrſchreiber anmelden wuͤrde. Ach du mein Gott/ ſagte ſie uͤberlaut bey der Mahlzeit/ ſol man die wahre aller hoͤchſtheilige Gottheit ſo ſchimpflich halten/ daß man ſie einem ſchwachen Menſchen Kinde/ um etwa eines Rittes oder Schuſſes willen zuleget? ja ſolte ich elende vor eine Goͤttin angeſehen ſein/ die ich doch ſo groſſem Vngluͤck unterworfen geweſen/ und uͤber Meer und Land mich habe muͤſſẽ ſchleppen laſſen? Mein Gefaͤngnis iſt ja in ganz Aſten bekant; meine Unfaͤlle wiſſen die kleinen Kinder daſelbſt zu erzaͤhlen. Owas vor unbeſonnenheit treibet doch die Menſchen an/ daß wann Gott etwa einem eine geringe Leibes Zierligkeit verleihet/ ſolches alsbald vor himliſch und goͤttlich ſol gehalten und ausgeruffen ſein. Narren ſind es/ und unverſtaͤn- dige grobe Klozhoͤlzer/ die dem goͤtlichen weſen ſchwache menſchliche Leiber/ Fleiſch/ Blut und Knochen zulegen. Die verſtaͤndige Weltgelehrte habens viel beſſer/ als die Wahnwitzi- ge Tichter/ ſo man Poeten nennet gewuſt; dann ſie verſtehen und bekennen/ daß Gott ein Geiſt/ nicht ein Menſch; eine Kraft und unbegreifliches Weſen/ nicht ein kleines ümſchrie- benes Geſchoͤpf ſein muͤſſe; und waͤhre ſehr gut/ daß man auß deren ſchriften die jugend etwas fleiſſiger in der Erkaͤntnis Gottes unterrichtete/ und der Tichter Luͤgen Buͤcher im Feur gen Himmel ſchickete/ ſo lange ein Menſch dadurch geaͤrgert und verfuͤhret werden kan. Ich moͤchte den jetzigen Tohren gerne fragen/ warumb er nicht mit einer Goͤttin fried- lich iſt/ und auß mir eine dreifache/ als eine hochmuͤhtige/ blutgierige und Unzuͤchtige zu machen gedenket/ und kan mir doch in alle Ewigkeit nicht beweiſen/ daß auch nur eine ein- zige Goͤttin im Himmel oder auf Erden oder unter der Erden ſey. Dann worzu ſolte ſie doch ſein? oder wie ſolte ich glaͤuben/ daß Gott ein Weib habe? dann lieber worzu hat er ſie doch? ein Geiſt ſuchet ja keine fleiſchliche Wolluſt; ſo zeuget er auch ja keine Kinder oder Geiſterlein mit ihr; dann wer lachet des Ovidianiſchen Mehrleins nicht/ daß er den Hoͤch- ſten h h h ij
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Sechſtes Buch.
Ich gebe dieſem recht/ ſagte der Kaͤyſer; aber wiſſet ihr nicht/ fragete er Gallus/ wie dieſes
Kunſtpulver zugerichtet wird? Nein/ allergnaͤdigſter Kaͤyſer/ ſagte er; Mein Obriſter/ da
ich noch ein Raͤuber wahr/ hatte dieſe Kunſt vor ſich allein/ und gab vor/ es waͤhre ſeine
eigene erfindung/ die er noch keinem einigen Menſchen mitgeteilet haͤtte; erboht ſich gleich-
wol/ mich dieſelbe zulehren/ welches aber ſeine Niederlage im Walde/ und meine gluͤkliche
Bekehrung verhindert hat. Der Kaͤyſer hoͤrete ſolches ungerne/ lies ihm einen teil geben/
und verwahrete es fleiſſig/ im Nohtfalle zugebrauchen/ da ihm Valiſka an dem Frauenzim-
mer ſehen lies/ wie mans wieder abreiben koͤnte. Er richtete dieſen Abend eine vertrauliche
freundſchaft mit Herkules und ſeinem Gemahl auff/ ſo daß er ihn invictisſimum Heroa, o-
ptimumq́ue Imperatoris fratrem; Einen unuͤberwindlichen Held/ und des Kaͤyſers allerbeſten Bru-
der. Sie aber/ Incomparabilem Heroinam, optimamq́ue Imperatoris ſororem; Eine unver-
gleichliche Heldin/ und des Kaͤyſers allerbeſte Schweſter nennete; ſich auch erboht/ mit ihnen al-
le ſeine Hocheit zuteilen und gemein zu haben; deſſen ſie doch beiderſeits ſich unwirdig ner-
neten/ und vor die hohe gewogenheit ſich untertaͤhnig bedanketen. Des folgenden Tages
kahmen der Groſfuͤrſtin die obgeſetzete Reimen zur Hand/ uͤber welche ſie ſehr unwillig
ward/ dem Tichter/ dafern ſie ihn ausforſchen koͤnte/ ſchwere Rache draͤuete/ zureiß
die ſchrift in kleine ſtuͤcken und ſagete; es muͤſte ihr ewig leid ſein/ die Stad Padua jemals
geſehen zuhaben/ wann zu ſolcher Abgoͤtterey ſie Urſach und Anlaß geben ſolte; ja ſie gelo-
bete 2000 Kronen aus/ wann man ihr den Uhrſchreiber anmelden wuͤrde. Ach du mein
Gott/ ſagte ſie uͤberlaut bey der Mahlzeit/ ſol man die wahre aller hoͤchſtheilige Gottheit ſo
ſchimpflich halten/ daß man ſie einem ſchwachen Menſchen Kinde/ um etwa eines Rittes
oder Schuſſes willen zuleget? ja ſolte ich elende vor eine Goͤttin angeſehen ſein/ die ich
doch ſo groſſem Vngluͤck unterworfen geweſen/ und uͤber Meer und Land mich habe muͤſſẽ
ſchleppen laſſen? Mein Gefaͤngnis iſt ja in ganz Aſten bekant; meine Unfaͤlle wiſſen die
kleinen Kinder daſelbſt zu erzaͤhlen. Owas vor unbeſonnenheit treibet doch die Menſchen
an/ daß wann Gott etwa einem eine geringe Leibes Zierligkeit verleihet/ ſolches alsbald vor
himliſch und goͤttlich ſol gehalten und ausgeruffen ſein. Narren ſind es/ und unverſtaͤn-
dige grobe Klozhoͤlzer/ die dem goͤtlichen weſen ſchwache menſchliche Leiber/ Fleiſch/ Blut
und Knochen zulegen. Die verſtaͤndige Weltgelehrte habens viel beſſer/ als die Wahnwitzi-
ge Tichter/ ſo man Poeten nennet gewuſt; dann ſie verſtehen und bekennen/ daß Gott ein
Geiſt/ nicht ein Menſch; eine Kraft und unbegreifliches Weſen/ nicht ein kleines ümſchrie-
benes Geſchoͤpf ſein muͤſſe; und waͤhre ſehr gut/ daß man auß deren ſchriften die jugend
etwas fleiſſiger in der Erkaͤntnis Gottes unterrichtete/ und der Tichter Luͤgen Buͤcher im
Feur gen Himmel ſchickete/ ſo lange ein Menſch dadurch geaͤrgert und verfuͤhret werden
kan. Ich moͤchte den jetzigen Tohren gerne fragen/ warumb er nicht mit einer Goͤttin fried-
lich iſt/ und auß mir eine dreifache/ als eine hochmuͤhtige/ blutgierige und Unzuͤchtige zu
machen gedenket/ und kan mir doch in alle Ewigkeit nicht beweiſen/ daß auch nur eine ein-
zige Goͤttin im Himmel oder auf Erden oder unter der Erden ſey. Dann worzu ſolte ſie
doch ſein? oder wie ſolte ich glaͤuben/ daß Gott ein Weib habe? dann lieber worzu hat er
ſie doch? ein Geiſt ſuchet ja keine fleiſchliche Wolluſt; ſo zeuget er auch ja keine Kinder oder
Geiſterlein mit ihr; dann wer lachet des Ovidianiſchen Mehrleins nicht/ daß er den Hoͤch-
ſten
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Zitationshilfe: | Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/433>, abgerufen am 16.07.2024. |