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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659.

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Erstes Buch.
gemeister Titus Vespasianus zuschrieb/ sich im judischen Lande hatte zugetragen/ da der
welt Heyland Jesus/ etliche verstorbene zum Leben aufferweckete/ alsdann würde er seine
gar zu verwägene Feder nicht so leichtfertig wieder Gottes Allmacht geschärffet haben.
Seine übrigen Einwürffe/ da er vorgibt/ Gott könne nicht machen. Daß der gelebet hat/
nicht solte gelebet haben; der Ehrenämter bedienet hat/ sie nicht solte bedienet haben; oder; das
zweymahl zehn nicht zwanzig machten; sind auß obigem leicht zu entscheiden. Dann
machte GOTT solches/ so machte er aus der Warheit Lügen und Unwarheit. Daß
müste aber wol ein feiner GOTT seyn/ der sich in seiner Warheit selbst zum Lügner
machte! So wenig nun Gottes Almacht dadurch verletzet wird/ daß er sich selbst nicht
würgen kan; eben so wenig tuht es seiner Allmacht schaden/ daß er sich selbst nicht zum lüg-
ner machet; noch was einmahl wahr gewesen/ heisset eine Lügen und Unwarheit seyn; noch
die nohtwendige Folge (zweymahl zehn sind zwanzig)/ welche er der Vernunfft als eine
unvermeidliche Warheit eingepflanzet/ auffhebet und fälschet. Eines ist noch übrig zube-
rühren/ daß er hinzu kuht: Gott habe nullum in praeterita jus, praeterquam oblivionis. Kein
Recht über die vergangenen Dinge/ als das Recht der Vergessenheit; ist etwas dunkel geredet;
Und heisset entweder so viel/ daß Gott die vergangenen Dinge vergessen könne/ oder daß er
sie nicht vergessen könne. Verstehet er daß lezte/ so lasse ichs in so weit lauffen/ daß Gotte
die vergangenen Dinge freylich stets vor Augen stehen/ aber er dannoch viel ein grösser
Recht über dieselben habe/ als nur allein/ daß er sie nicht vergessen könne. Nimt er daß er-
ste; so ist er gedoppelt gottloß; massen die Vergessenheit keine Stat noch Raum findet bey
Gott/ als welchem nichts vergangen/ nichts zukünfftig/ sondern alles gegenwärtig ist/ wel-
ches Aristoteles bekennet/ (lib. de bon. fortun.) da er spricht: Gott sihet gar wol das Gegen-
wärtige/ vergangene und Zukünfftige. Und Homerus (Odyss. IV) Die Götter wissen alles Und
was wolte das wol vor ein Gott seyn/ dessen Gedächtnis die Vergessenheit beschleichen
könte? Es ist fast eine unnütze mühe/ und vergebliche Arbeit/ sich in Wiederlegung eines
so handgreifflichen Irtuhms länger auffzuhalten/ insonderheit/ weil meine Herren und
Brüderliche Freunde ohn zweiffel ihre gedanken am andern Orte haben; zu beklagen aber
ist es/ daß in andern Künsten und Wissenschafften ein so hocherfahrner fast unvergleich-
licher Man/ in diese tieffe und unsinnige Finsternis gerahten ist/ daß er die augenscheinli-
che Allmacht Gottes anzufechten/ und ein grösser Himmelsstürmer/ als des Ovidius sei-
ne/ zu werden/ sich nicht gescheuhet hat; da andere verständige Heyden nie gebilliget ha-
ben/ was Gott zur Beschimpffung gereichen kan; dz dem nach des vorgedachten M. Tul-
lius Warnung ihn von solcher gottlosigkeit hätte billig abhalten sollen/ welcher im andern
Buche von der Götter Art/ also schreibet: Es ist eine böse und Gottlose Gewohnheit/ wieder die
Götter zureden/ es geschehe gleich aus Ernst/ oder nur zum Scherze. Hiemit gab er seiner rede
die Endschafft/ und weil der junge Fabius alle seine Worte in sein Handbüchlein schrieb/
sagte er zu ihm: Mein Herr/ ich bitte sehr/ er wolle meine Reden keinem verständigen zei-
gen/ damit seine Schrifft nicht ein Zeuge sey meines geringen Verstandes. Ich werde
diese Unterrichtung vielmehr täglich durchlesen/ sagte er/ damit ich mich befleissige/ den
Göttern ihre gebührliche Ehre zugeben/ und mich vor deren Läster- und Beschimpffung
zu hüten. Herkules wolte sie nicht länger aufhalten/ baht nochmals/ daß sie es/ als unter der

Ro-

Erſtes Buch.
gemeiſter Titus Veſpaſianus zuſchrieb/ ſich im judiſchen Lande hatte zugetragen/ da der
welt Heyland Jeſus/ etliche verſtorbene zum Leben aufferweckete/ alsdann wuͤrde er ſeine
gar zu verwaͤgene Feder nicht ſo leichtfertig wieder Gottes Allmacht geſchaͤrffet haben.
Seine uͤbrigen Einwuͤrffe/ da er vorgibt/ Gott koͤnne nicht machen. Daß der gelebet hat/
nicht ſolte gelebet haben; der Ehrenaͤmter bedienet hat/ ſie nicht ſolte bedienet haben; oder; das
zweymahl zehn nicht zwanzig machten; ſind auß obigem leicht zu entſcheiden. Dann
machte GOTT ſolches/ ſo machte er aus der Warheit Luͤgen und Unwarheit. Daß
muͤſte aber wol ein feiner GOTT ſeyn/ der ſich in ſeiner Warheit ſelbſt zum Luͤgner
machte! So wenig nun Gottes Almacht dadurch verletzet wird/ daß er ſich ſelbſt nicht
wuͤrgen kan; eben ſo wenig tuht es ſeiner Allmacht ſchaden/ daß er ſich ſelbſt nicht zum luͤg-
ner machet; noch was einmahl wahr geweſen/ heiſſet eine Luͤgen uñ Unwarheit ſeyn; noch
die nohtwendige Folge (zweymahl zehn ſind zwanzig)/ welche er der Vernunfft als eine
unvermeidliche Warheit eingepflanzet/ auffhebet und faͤlſchet. Eines iſt noch uͤbrig zube-
ruͤhren/ daß er hinzu kuht: Gott habe nullum in præterita jus, præterquam oblivionis. Kein
Recht uͤber die vergangenen Dinge/ als das Recht der Vergeſſenheit; iſt etwas dunkel geredet;
Und heiſſet entweder ſo viel/ daß Gott die vergangenen Dinge vergeſſen koͤnne/ oder daß er
ſie nicht vergeſſen koͤnne. Verſtehet er daß lezte/ ſo laſſe ichs in ſo weit lauffen/ daß Gotte
die vergangenen Dinge freylich ſtets vor Augen ſtehen/ aber er dannoch viel ein groͤſſer
Recht uͤber dieſelben habe/ als nur allein/ daß er ſie nicht vergeſſen koͤnne. Nimt er daß er-
ſte; ſo iſt er gedoppelt gottloß; maſſen die Vergeſſenheit keine Stat noch Raum findet bey
Gott/ als welchem nichts vergangen/ nichts zukuͤnfftig/ ſondern alles gegenwaͤrtig iſt/ wel-
ches Ariſtoteles bekennet/ (lib. de bon. fortun.) da er ſpricht: Gott ſihet gar wol das Gegen-
waͤrtige/ vergangene und Zukuͤnfftige. Und Homerus (Odysſ. IV) Die Goͤtter wiſſen alles Und
was wolte das wol vor ein Gott ſeyn/ deſſen Gedaͤchtnis die Vergeſſenheit beſchleichen
koͤnte? Es iſt faſt eine unnuͤtze muͤhe/ und vergebliche Arbeit/ ſich in Wiederlegung eines
ſo handgreifflichen Irtuhms laͤnger auffzuhalten/ inſonderheit/ weil meine Herren und
Bruͤderliche Freunde ohn zweiffel ihre gedanken am andern Orte haben; zu beklagen abeꝛ
iſt es/ daß in andern Kuͤnſten und Wiſſenſchafften ein ſo hocherfahrner faſt unvergleich-
licher Man/ in dieſe tieffe und unſinnige Finſternis gerahten iſt/ daß er die augenſcheinli-
che Allmacht Gottes anzufechten/ und ein groͤſſer Himmelsſtuͤrmer/ als des Ovidius ſei-
ne/ zu werden/ ſich nicht geſcheuhet hat; da andere verſtaͤndige Heyden nie gebilliget ha-
ben/ was Gott zur Beſchimpffung gereichen kan; dz dem nach des vorgedachten M. Tul-
lius Warnung ihn von ſolcher gottloſigkeit haͤtte billig abhalten ſollen/ welcher im andern
Buche von der Goͤtter Art/ alſo ſchreibet: Es iſt eine boͤſe und Gottloſe Gewohnheit/ wieder die
Goͤtter zureden/ es geſchehe gleich aus Ernſt/ oder nur zum Scherze. Hiemit gab er ſeiner rede
die Endſchafft/ und weil der junge Fabius alle ſeine Worte in ſein Handbuͤchlein ſchrieb/
ſagte er zu ihm: Mein Herr/ ich bitte ſehr/ er wolle meine Reden keinem verſtaͤndigen zei-
gen/ damit ſeine Schrifft nicht ein Zeuge ſey meines geringen Verſtandes. Ich werde
dieſe Unterrichtung vielmehr taͤglich durchleſen/ ſagte er/ damit ich mich befleiſſige/ den
Goͤttern ihre gebuͤhrliche Ehre zugeben/ und mich vor deren Laͤſter- und Beſchimpffung
zu huͤten. Herkules wolte ſie nicht laͤnger aufhalten/ baht nochmals/ daß ſie es/ als unteꝛ der

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/158>, abgerufen am 05.10.2024.