Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.§ 65. Königsfriede. domus ducis domus publica est. Höheren Frieden geniessen in Chur-rätien die Stadt, die Burg und das Haus, wo der Bischof sich gerade auf- hält. Wer daselbst einen Todschlag verübt, hat neben dem Wergeld eine Brüche von 60 Solidi zu zahlen. Wer in Gegenwart des Bischofs das Schwert zückt, verliert die Hand; wer es thut in der Stadt oder in dem Hause, wo der Bischof sich aufhält, aber nicht in dessen Gegenwart, wird ausgestäupt29. Das alemannische Recht dehnt den Frieden der herzoglichen Pfalz Deutlich wird der fränkische Pfalzfriede in einem Kapitular Karl- 29 Cap. Remedii c. 3. Über die staatsrechtliche Stellung des Bischofs von Chur siehe oben I 364. 30 Lex Alam. 28. Ähnlich das langobardische Recht gemäss Roth. 17, 18. 31 Lex Sax. c. 37. Vgl. Cap. Harist. v. J. 779 c. 17, I 51. 32 Karlomanni Cap. apud Vernis palatium v. J. 884, c. 2 Pertz, LL I 551: ut omnes in palatio nostro commanentes et illud undique adeuntes pacifice vivant. Quod si aliquis corrupta pace rapinam exercuerit ... ad palatinam adducatur au- dientiam, ut, secundum quod in capitulis antecessorum continetur, legali multetur iudicio, tripla compositione peracta cum banno dominico. Die Stelle bezieht sich auf Benedictus VI 97. 383. 33 Cap. legg. add. 818/9 c. 1. 2, I 281.
§ 65. Königsfriede. domus ducis domus publica est. Höheren Frieden genieſsen in Chur-rätien die Stadt, die Burg und das Haus, wo der Bischof sich gerade auf- hält. Wer daselbst einen Todschlag verübt, hat neben dem Wergeld eine Brüche von 60 Solidi zu zahlen. Wer in Gegenwart des Bischofs das Schwert zückt, verliert die Hand; wer es thut in der Stadt oder in dem Hause, wo der Bischof sich aufhält, aber nicht in dessen Gegenwart, wird ausgestäupt29. Das alemannische Recht dehnt den Frieden der herzoglichen Pfalz Deutlich wird der fränkische Pfalzfriede in einem Kapitular Karl- 29 Cap. Remedii c. 3. Über die staatsrechtliche Stellung des Bischofs von Chur siehe oben I 364. 30 Lex Alam. 28. Ähnlich das langobardische Recht gemäſs Roth. 17, 18. 31 Lex Sax. c. 37. Vgl. Cap. Harist. v. J. 779 c. 17, I 51. 32 Karlomanni Cap. apud Vernis palatium v. J. 884, c. 2 Pertz, LL I 551: ut omnes in palatio nostro commanentes et illud undique adeuntes pacifice vivant. Quod si aliquis corrupta pace rapinam exercuerit … ad palatinam adducatur au- dientiam, ut, secundum quod in capitulis antecessorum continetur, legali multetur iudicio, tripla compositione peracta cum banno dominico. Die Stelle bezieht sich auf Benedictus VI 97. 383. 33 Cap. legg. add. 818/9 c. 1. 2, I 281.
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§ 65. Königsfriede.
domus ducis domus publica est. Höheren Frieden genieſsen in Chur-
rätien die Stadt, die Burg und das Haus, wo der Bischof sich gerade auf-
hält. Wer daselbst einen Todschlag verübt, hat neben dem Wergeld
eine Brüche von 60 Solidi zu zahlen. Wer in Gegenwart des Bischofs
das Schwert zückt, verliert die Hand; wer es thut in der Stadt oder
in dem Hause, wo der Bischof sich aufhält, aber nicht in dessen
Gegenwart, wird ausgestäupt 29.
Das alemannische Recht dehnt den Frieden der herzoglichen Pfalz
und die dreifache compositio auf den Herzogsweg aus, ut unusquisque
homo pacem habeat ad dominum suum veniendo et de illum rever-
tendo 30. Daſs auch der Weg zum fränkischen König und von ihm
zurück durch dreifache Buſse geschützt war, bezeugt uns eine Vor-
schrift des sächsischen Volksrechtes, welche selbstverständlich nur
unter fränkischem Einfluſs entstanden sein kann 31. Der Sonderfriede
des Königsweges läſst auf einen analogen Sonderfrieden des fränkischen
Königshofes zurückschlieſsen.
Deutlich wird der fränkische Pfalzfriede in einem Kapitular Karl-
manns von 884 vorausgesetzt, nach welchem alle, die in der Pfalz
des Königs wohnen oder von auswärts dahin gelangen, in Frieden
leben sollen. Bricht jemand den Frieden durch Raub, so hat er seine
Missethat dreifach zu büſsen und den Königsbann zu bezahlen 32.
Wohl eine Nachbildung des fränkischen Pfalzfriedens war der örtliche
Kirchenfriede, welcher sich nach einem Kapitular Ludwigs I. darin
äuſserte, daſs der in der Kirche begangene Todschlag mit dem Leben,
unter Umständen mit 600 Solidi und dem Königsbanne, die in der
Kirche an Klerikern verübte Verwundung mit dreifacher compositio
und der Bannbuſse gesühnt werden muſste 33. Wahrscheinlich hatte
nach älterem fränkischen Rechte auf Todschlag im Hause oder in der
Nähe des Königs Friedlosigkeit, also Verwirkung des Lebens, gestan-
den, während leichtere Missethaten mit mehrfacher Buſse und mit
dem Königsbanne gebüſst wurden.
29 Cap. Remedii c. 3. Über die staatsrechtliche Stellung des Bischofs von
Chur siehe oben I 364.
30 Lex Alam. 28. Ähnlich das langobardische Recht gemäſs Roth. 17, 18.
31 Lex Sax. c. 37. Vgl. Cap. Harist. v. J. 779 c. 17, I 51.
32 Karlomanni Cap. apud Vernis palatium v. J. 884, c. 2 Pertz, LL I 551: ut
omnes in palatio nostro commanentes et illud undique adeuntes pacifice vivant.
Quod si aliquis corrupta pace rapinam exercuerit … ad palatinam adducatur au-
dientiam, ut, secundum quod in capitulis antecessorum continetur, legali multetur
iudicio, tripla compositione peracta cum banno dominico. Die Stelle bezieht sich
auf Benedictus VI 97. 383.
33 Cap. legg. add. 818/9 c. 1. 2, I 281.
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