Eine Satzung Childeberts II. schloss den Anefang aus gegen jeden, der die Sache zehn Jahre (inter praesentes) besessen hatte 35.
Der Anefang war nicht nur eine aussergerichtliche Einleitung des Rechtsgangs, welche die ordentliche Mahnung ersetzte, sondern mehr als das; er war zugleich, wie jüngere Rechtsquellen sagen, der Klage Beginn. Denn er zwang den Besitzer zur sofortigen rechtmässigen Erwiderung und berechtigte den Kläger 36, falls sie ausblieb, die an- geschlagene Sache an sich zu nehmen, als hätte er sie im Wege der Spurfolge rechtzeitig gefunden 37.
Als regelmässige Erwiderung des Besitzers setzen die Quellen den Zug auf den Gewährsmann voraus, die Berufung des Besitzers auf die dritte Hand, aus der er die Sache erhalten habe. Für den Gewährs- mann hat die Lex Ribuaria das Wort fordro, Vormann. Althoch- deutsch hiess er *werento, von dem Verbum weren, auf welches friesisch werand, sächsisch warend, niederl. waerande und die romanischen Formen: ital. warento, franz. garant, provenz. guiren, zurückführen 38. Stammverwandt sind wer, werer, gewer, werman. Das Oberdeutsche nennt den Gewähren auch Schub, ein Wort, das zunächst den Ge- währszug bedeutet, durch den ja die Sache der dritten Hand zuge- schoben wurde 39. Bei den Angelsachsen hiess jener geteama von team Zug 40, im Norden heimildarmadr, hemulsman 41, hiemmel, bei den Dänen auch skot, skotae, skjöde.
Beruft sich der Besitzer auf einen Gewähren, so leisten -- wenig- stens nach manchen Rechten -- Kläger und Beklagter einen Eid und zwar nach der Lex Ribuaria einen Waffeneid, indem jeder die Sache mit der Linken anfasst und mit der bewehrten Rechten schwört, der Kläger, dass die Sache seine Sache sei, der Beklagte, dass er sie an jene Hand ziehe, von der er sie erhielt 42.
der Besitzer selbsiebent schwören soll, si in ipsa hora, quando res interciatur, res- ponderet, quod fordronem suum nesciat.
35 Childeb. II decr. c. 3.
36 Nach salischem Rechte soll er ihm vorher die Sonne setzen. Lex Sal. 37, 3.
38Grimm, RA S. 603. Diez, WB I s. v. guarento. Kluge, WB unter ge- währen. Waerande bei Kilian. Über tolosanisch guirens siehe Du Cange (Henschel) III 592.
39 Schub heisst auch die geschobene Sache und die Fürfangsgebühr. London S. 200.
40Schmid, Ges. der Ags. S. 660.
41 v. Amira, Recht S. 160. Derselbe, Nordgerm. Obligationenrecht I 558. Der heimelborh, hemoldborh in Wilh. I 21 stammt aus dem nordischen Sprachschatz.
42 Lex Rib. 33, 1. Die beiden Eide sind auch für das angelsächsische und für das langobardische Recht bezeugt. Schmid, Ges. der Ags. Anh. X 2. 3,
§ 118. Spurfolge und Anefang.
Eine Satzung Childeberts II. schloſs den Anefang aus gegen jeden, der die Sache zehn Jahre (inter praesentes) besessen hatte 35.
Der Anefang war nicht nur eine auſsergerichtliche Einleitung des Rechtsgangs, welche die ordentliche Mahnung ersetzte, sondern mehr als das; er war zugleich, wie jüngere Rechtsquellen sagen, der Klage Beginn. Denn er zwang den Besitzer zur sofortigen rechtmäſsigen Erwiderung und berechtigte den Kläger 36, falls sie ausblieb, die an- geschlagene Sache an sich zu nehmen, als hätte er sie im Wege der Spurfolge rechtzeitig gefunden 37.
Als regelmäſsige Erwiderung des Besitzers setzen die Quellen den Zug auf den Gewährsmann voraus, die Berufung des Besitzers auf die dritte Hand, aus der er die Sache erhalten habe. Für den Gewährs- mann hat die Lex Ribuaria das Wort fordro, Vormann. Althoch- deutsch hieſs er *wërênto, von dem Verbum wërên, auf welches friesisch werand, sächsisch warend, niederl. waerande und die romanischen Formen: ital. warento, franz. garant, provenz. guiren, zurückführen 38. Stammverwandt sind wër, wërer, gewër, wërman. Das Oberdeutsche nennt den Gewähren auch Schub, ein Wort, das zunächst den Ge- währszug bedeutet, durch den ja die Sache der dritten Hand zuge- schoben wurde 39. Bei den Angelsachsen hieſs jener getéama von téam Zug 40, im Norden heimildarmađr, hemulsman 41, hiemmel, bei den Dänen auch skot, skotæ, skjöde.
Beruft sich der Besitzer auf einen Gewähren, so leisten — wenig- stens nach manchen Rechten — Kläger und Beklagter einen Eid und zwar nach der Lex Ribuaria einen Waffeneid, indem jeder die Sache mit der Linken anfaſst und mit der bewehrten Rechten schwört, der Kläger, daſs die Sache seine Sache sei, der Beklagte, daſs er sie an jene Hand ziehe, von der er sie erhielt 42.
der Besitzer selbsiebent schwören soll, si in ipsa hora, quando res interciatur, res- ponderet, quod fordronem suum nesciat.
35 Childeb. II decr. c. 3.
36 Nach salischem Rechte soll er ihm vorher die Sonne setzen. Lex Sal. 37, 3.
38Grimm, RA S. 603. Diez, WB I s. v. guarento. Kluge, WB unter ge- währen. Waerande bei Kilian. Über tolosanisch guirens siehe Du Cange (Henschel) III 592.
39 Schub heiſst auch die geschobene Sache und die Fürfangsgebühr. London S. 200.
40Schmid, Ges. der Ags. S. 660.
41 v. Amira, Recht S. 160. Derselbe, Nordgerm. Obligationenrecht I 558. Der heimelborh, hemoldborh in Wilh. I 21 stammt aus dem nordischen Sprachschatz.
42 Lex Rib. 33, 1. Die beiden Eide sind auch für das angelsächsische und für das langobardische Recht bezeugt. Schmid, Ges. der Ags. Anh. X 2. 3,
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§ 118. Spurfolge und Anefang.
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Der Anefang war nicht nur eine auſsergerichtliche Einleitung des
Rechtsgangs, welche die ordentliche Mahnung ersetzte, sondern mehr
als das; er war zugleich, wie jüngere Rechtsquellen sagen, der Klage
Beginn. Denn er zwang den Besitzer zur sofortigen rechtmäſsigen
Erwiderung und berechtigte den Kläger 36, falls sie ausblieb, die an-
geschlagene Sache an sich zu nehmen, als hätte er sie im Wege der
Spurfolge rechtzeitig gefunden 37.
Als regelmäſsige Erwiderung des Besitzers setzen die Quellen den
Zug auf den Gewährsmann voraus, die Berufung des Besitzers auf die
dritte Hand, aus der er die Sache erhalten habe. Für den Gewährs-
mann hat die Lex Ribuaria das Wort fordro, Vormann. Althoch-
deutsch hieſs er *wërênto, von dem Verbum wërên, auf welches friesisch
werand, sächsisch warend, niederl. waerande und die romanischen
Formen: ital. warento, franz. garant, provenz. guiren, zurückführen 38.
Stammverwandt sind wër, wërer, gewër, wërman. Das Oberdeutsche
nennt den Gewähren auch Schub, ein Wort, das zunächst den Ge-
währszug bedeutet, durch den ja die Sache der dritten Hand zuge-
schoben wurde 39. Bei den Angelsachsen hieſs jener getéama von téam
Zug 40, im Norden heimildarmađr, hemulsman 41, hiemmel, bei den
Dänen auch skot, skotæ, skjöde.
Beruft sich der Besitzer auf einen Gewähren, so leisten — wenig-
stens nach manchen Rechten — Kläger und Beklagter einen Eid und
zwar nach der Lex Ribuaria einen Waffeneid, indem jeder die Sache
mit der Linken anfaſst und mit der bewehrten Rechten schwört, der
Kläger, daſs die Sache seine Sache sei, der Beklagte, daſs er sie an
jene Hand ziehe, von der er sie erhielt 42.
34
35 Childeb. II decr. c. 3.
36 Nach salischem Rechte soll er ihm vorher die Sonne setzen. Lex Sal. 37, 3.
37 Lex Sal. 37. Lex Burg. 83, 1. Lex Rom. Burg. 34, 1.
38 Grimm, RA S. 603. Diez, WB I s. v. guarento. Kluge, WB unter ge-
währen. Waerande bei Kilian. Über tolosanisch guirens siehe Du Cange (Henschel)
III 592.
39 Schub heiſst auch die geschobene Sache und die Fürfangsgebühr. London
S. 200.
40 Schmid, Ges. der Ags. S. 660.
41 v. Amira, Recht S. 160. Derselbe, Nordgerm. Obligationenrecht I 558.
Der heimelborh, hemoldborh in Wilh. I 21 stammt aus dem nordischen Sprachschatz.
42 Lex Rib. 33, 1. Die beiden Eide sind auch für das angelsächsische und
für das langobardische Recht bezeugt. Schmid, Ges. der Ags. Anh. X 2. 3,
34 der Besitzer selbsiebent schwören soll, si in ipsa hora, quando res interciatur, res-
ponderet, quod fordronem suum nesciat.
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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/519>, abgerufen am 15.06.2024.
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