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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 62. Die Thronfolge.
promiss zwischen dem Erfordernis der Reichseinheit und dem Haus-
rechte des fränkischen Königtums wurde in der Institution des Unter-
königtums gefunden, nur dass Pippin und Ludwig hinsichtlich des
Umfangs und der Bedeutung ihrer Gebiete schlechter gestellt wurden
als Bernhard im Jahre 813. Die Thronfolgeordnung vom Jahre 817
gelangte bekanntlich nicht zur Ausführung. Das Kriegsgeschick und
der Vertrag von Verdun entschieden für die fränkische Teilungssitte.

Die Teilung von Verdun, die man ohne durchschlagenden Grund
als den Akt der Auflösung des fränkischen Reiches betrachtet, schloss
ebensowenig wie die älteren Teilungen eine gemeinsame Behandlung
gemeinsamer Angelegenheiten aus. Mehrfach fanden zu diesem Zwecke
Zusammenkünfte der Teilregenten statt; so z. B. 847 und 851 zu
Meersen bei Maastricht, wo sie gegenseitige Unterstützung, gemeinsame
Verfolgung und Bestrafung der Friedensbrecher und den Schutz der
Kirchen verabredeten. Trotz der Teilungen galt das fränkische Reich
nach wie vor als gemeinschaftliches Besitztum des karolingischen
Hauses 30.

Mit dem Erbrechte der Karolinger konkurrierte von Anfang an
die Teilnahme des Volkes, insbesondere der Grossen, an der Besetzung
des Thrones und an den Reichsteilungen. Durch die Wahl der Franken
wurde Pippin 751 zum König erhoben 31. Als 754 der Papst den

30 Ludwig II. antwortet (MG SS III 521) dem oströmischen Kaiser Basilius,
er sei im ganzen Francien Kaiser, weil er ohne Zweifel besitze, was diejenigen
besässen, mit welchen er ein Fleisch und ein Blut und ein Geist sei durch Gott.
31 De unctione Pippini nota monachi Sancti Dionysii, MG SS XV 1: Pippi-
nus .. per ... electionem omnium Francorum ... in regni solio sublimatus est.
Fredegarii Contin. 33 (117): Pippinus electione totius Francorum in sedem regni
cum consecratione episcoporum et subiectione principum una cum regina Bertradane,
ut antiquitus ordo deposcit, sublimatur in regno. Ann. Lauriss. z. J. 750: Pippi-
nus secundum morem Francorum electus est ad regem et unctus per manus s. m.
Bonifacii archiepiscopi et elevatus a Francis in regno. Dass die Wahl in der
altgermanischen Form der Schilderhebung erfolgte, darf bezweifelt werden. Neuer-
dings ist Zeumer, Z2 f. RG IX 50, dafür eingetreten, indem er den Ausdruck
elevatio regis in Lex Rom. Cur. VIII 4 darauf bezieht. Allein von elevare sprechen,
wie Zeumer selbst bemerkt, die Annales Lauriss. noch z. J. 768 bei der Erhebung
Karls und Karlmanns; in reges levati sunt sagt noch Hincmar, Migne Patr. lat.
CXXV 985; in regnum elevatur heisst es in Ann. Alam. cont. z. J. 887 und bei
Regino z. J. 892. Wir müssten sonach eine Schilderhebung auch in diesen Fällen
annehmen. Das würde aber dem auch von Zeumer betonten ausserordentlichen
Charakter der Schilderhebung (siehe Waitz, VG II 1 S. 166 und oben I 122)
widersprechen. Die Elevatio Pippins kann füglich nichts anderes bedeuten, als die
feierliche Erhebung auf den Thron (vgl. oben S. 19. 22, Anm. 46 u. Widukind II 1:
duces ac principes .. collocarunt [Ottonem] in solio ibidem constructo). Auch
Waitz, VG III 64, bezweifelt die Schilderhebung bei Pippin. Doch scheint mir

§ 62. Die Thronfolge.
promiſs zwischen dem Erfordernis der Reichseinheit und dem Haus-
rechte des fränkischen Königtums wurde in der Institution des Unter-
königtums gefunden, nur daſs Pippin und Ludwig hinsichtlich des
Umfangs und der Bedeutung ihrer Gebiete schlechter gestellt wurden
als Bernhard im Jahre 813. Die Thronfolgeordnung vom Jahre 817
gelangte bekanntlich nicht zur Ausführung. Das Kriegsgeschick und
der Vertrag von Verdun entschieden für die fränkische Teilungssitte.

Die Teilung von Verdun, die man ohne durchschlagenden Grund
als den Akt der Auflösung des fränkischen Reiches betrachtet, schloſs
ebensowenig wie die älteren Teilungen eine gemeinsame Behandlung
gemeinsamer Angelegenheiten aus. Mehrfach fanden zu diesem Zwecke
Zusammenkünfte der Teilregenten statt; so z. B. 847 und 851 zu
Meersen bei Maastricht, wo sie gegenseitige Unterstützung, gemeinsame
Verfolgung und Bestrafung der Friedensbrecher und den Schutz der
Kirchen verabredeten. Trotz der Teilungen galt das fränkische Reich
nach wie vor als gemeinschaftliches Besitztum des karolingischen
Hauses 30.

Mit dem Erbrechte der Karolinger konkurrierte von Anfang an
die Teilnahme des Volkes, insbesondere der Groſsen, an der Besetzung
des Thrones und an den Reichsteilungen. Durch die Wahl der Franken
wurde Pippin 751 zum König erhoben 31. Als 754 der Papst den

30 Ludwig II. antwortet (MG SS III 521) dem oströmischen Kaiser Basilius,
er sei im ganzen Francien Kaiser, weil er ohne Zweifel besitze, was diejenigen
besäſsen, mit welchen er ein Fleisch und ein Blut und ein Geist sei durch Gott.
31 De unctione Pippini nota monachi Sancti Dionysii, MG SS XV 1: Pippi-
nus .. per … electionem omnium Francorum … in regni solio sublimatus est.
Fredegarii Contin. 33 (117): Pippinus electione totius Francorum in sedem regni
cum consecratione episcoporum et subiectione principum una cum regina Bertradane,
ut antiquitus ordo deposcit, sublimatur in regno. Ann. Lauriss. z. J. 750: Pippi-
nus secundum morem Francorum electus est ad regem et unctus per manus s. m.
Bonifacii archiepiscopi et elevatus a Francis in regno. Daſs die Wahl in der
altgermanischen Form der Schilderhebung erfolgte, darf bezweifelt werden. Neuer-
dings ist Zeumer, Z2 f. RG IX 50, dafür eingetreten, indem er den Ausdruck
elevatio regis in Lex Rom. Cur. VIII 4 darauf bezieht. Allein von elevare sprechen,
wie Zeumer selbst bemerkt, die Annales Lauriss. noch z. J. 768 bei der Erhebung
Karls und Karlmanns; in reges levati sunt sagt noch Hincmar, Migne Patr. lat.
CXXV 985; in regnum elevatur heiſst es in Ann. Alam. cont. z. J. 887 und bei
Regino z. J. 892. Wir müſsten sonach eine Schilderhebung auch in diesen Fällen
annehmen. Das würde aber dem auch von Zeumer betonten auſserordentlichen
Charakter der Schilderhebung (siehe Waitz, VG II 1 S. 166 und oben I 122)
widersprechen. Die Elevatio Pippins kann füglich nichts anderes bedeuten, als die
feierliche Erhebung auf den Thron (vgl. oben S. 19. 22, Anm. 46 u. Widukind II 1:
duces ac principes .. collocarunt [Ottonem] in solio ibidem constructo). Auch
Waitz, VG III 64, bezweifelt die Schilderhebung bei Pippin. Doch scheint mir
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[29/0047] § 62. Die Thronfolge. promiſs zwischen dem Erfordernis der Reichseinheit und dem Haus- rechte des fränkischen Königtums wurde in der Institution des Unter- königtums gefunden, nur daſs Pippin und Ludwig hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung ihrer Gebiete schlechter gestellt wurden als Bernhard im Jahre 813. Die Thronfolgeordnung vom Jahre 817 gelangte bekanntlich nicht zur Ausführung. Das Kriegsgeschick und der Vertrag von Verdun entschieden für die fränkische Teilungssitte. Die Teilung von Verdun, die man ohne durchschlagenden Grund als den Akt der Auflösung des fränkischen Reiches betrachtet, schloſs ebensowenig wie die älteren Teilungen eine gemeinsame Behandlung gemeinsamer Angelegenheiten aus. Mehrfach fanden zu diesem Zwecke Zusammenkünfte der Teilregenten statt; so z. B. 847 und 851 zu Meersen bei Maastricht, wo sie gegenseitige Unterstützung, gemeinsame Verfolgung und Bestrafung der Friedensbrecher und den Schutz der Kirchen verabredeten. Trotz der Teilungen galt das fränkische Reich nach wie vor als gemeinschaftliches Besitztum des karolingischen Hauses 30. Mit dem Erbrechte der Karolinger konkurrierte von Anfang an die Teilnahme des Volkes, insbesondere der Groſsen, an der Besetzung des Thrones und an den Reichsteilungen. Durch die Wahl der Franken wurde Pippin 751 zum König erhoben 31. Als 754 der Papst den 30 Ludwig II. antwortet (MG SS III 521) dem oströmischen Kaiser Basilius, er sei im ganzen Francien Kaiser, weil er ohne Zweifel besitze, was diejenigen besäſsen, mit welchen er ein Fleisch und ein Blut und ein Geist sei durch Gott. 31 De unctione Pippini nota monachi Sancti Dionysii, MG SS XV 1: Pippi- nus .. per … electionem omnium Francorum … in regni solio sublimatus est. Fredegarii Contin. 33 (117): Pippinus electione totius Francorum in sedem regni cum consecratione episcoporum et subiectione principum una cum regina Bertradane, ut antiquitus ordo deposcit, sublimatur in regno. Ann. Lauriss. z. J. 750: Pippi- nus secundum morem Francorum electus est ad regem et unctus per manus s. m. Bonifacii archiepiscopi et elevatus a Francis in regno. Daſs die Wahl in der altgermanischen Form der Schilderhebung erfolgte, darf bezweifelt werden. Neuer- dings ist Zeumer, Z2 f. RG IX 50, dafür eingetreten, indem er den Ausdruck elevatio regis in Lex Rom. Cur. VIII 4 darauf bezieht. Allein von elevare sprechen, wie Zeumer selbst bemerkt, die Annales Lauriss. noch z. J. 768 bei der Erhebung Karls und Karlmanns; in reges levati sunt sagt noch Hincmar, Migne Patr. lat. CXXV 985; in regnum elevatur heiſst es in Ann. Alam. cont. z. J. 887 und bei Regino z. J. 892. Wir müſsten sonach eine Schilderhebung auch in diesen Fällen annehmen. Das würde aber dem auch von Zeumer betonten auſserordentlichen Charakter der Schilderhebung (siehe Waitz, VG II 1 S. 166 und oben I 122) widersprechen. Die Elevatio Pippins kann füglich nichts anderes bedeuten, als die feierliche Erhebung auf den Thron (vgl. oben S. 19. 22, Anm. 46 u. Widukind II 1: duces ac principes .. collocarunt [Ottonem] in solio ibidem constructo). Auch Waitz, VG III 64, bezweifelt die Schilderhebung bei Pippin. Doch scheint mir

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/47>, abgerufen am 27.11.2024.