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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 108. Das Beweisverfahren.
Ein Waffeneid von höherer Kraft war es, wenn die Waffe, bei der
man schwur, vorher geweiht worden war.

Den feierlichsten Eid leistete man in heidnischer Zeit auf einen Ring,
der in das Blut des Opfertiers getaucht war. So legten nachweislich
Goten und Nordgermanen Eide auf den Eidring des Heidenpriesters,
des Goden, auf heilige Bauge (armilla sacra) ab27. Spuren vom
Gebrauch des Eidrings finden sich aber auch bei den Franken28. Auf
solchen scheint die Sitte zurückzuweisen, Eide auf den Ring abzu-
legen, der als Griff der Kirchenthüre29 diente (in armilla ianuae).
Die Lex Ribuaria30 kennt einen Eid in circlo et in collore oder, wie
es in anderen Texten heisst, in circlo et in hasla, hoc est in ramo.
Die hasla, corylus, colloris war ein Haselstab31, den der Gegner des
Schwörenden bei dem Staben des Eides in der Hand hielt und den
der Schwörende antasten musste32. Der circulus war aber wahrschein-
lich nicht ein in die Erde geritzter Kreis, in welchem der Schwörende
stehen musste33, sondern nichts anderes als ein Eidring34, so dass

27 Grimm, RA S. 895. Formel eines Baugeides daselbst S. 50. Wilda,
Strafrecht S. 979. Steenstrup, Normannerne IV 228. Müllenhoff in Z. f.
DA XVII 428, wo nachgewiesen wird, dass auch die gotischen Priester Eidringe
trugen. Saxon Chron. zum Jahre 876: on tha halgan beage. Aethelweard, Chron.
de rebus Angl. IV, c. 3: in eorum armilla sacra.
28 Schon Müllenhoff hat a. O. aus dem Personennamen Eidring in einer
Lorscher Urkunde v. J. 834 gefolgert, dass der Eidring wie im Norden einst auch
in Deutschland in Gebrauch gewesen sei.
29 In Acta SS Juli VII 265 heisst es, dass, wenn jemand saltem in armilla
ianuae iusiurandum explere praesumpserit, als Strafe des Meineids die Vergeltung
nicht ausblieb. Die Stelle findet sich in den Miracula des heiligen Germanus von
Auxerre, die in der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts verfasst sind.
30 Lex Rib. 67, 5.
31 In der Urkunde Cartulaire de Redon S. 18, Nr. 21, v. J. 868, H. 375,
restituiert der Beklagte den Streitgegenstand cum sua virga corilina. Sie dient
hier als festuca. Vgl. Vita S. Galli MG SS II 9: virga colerea. Grimm, RA
S. 810, denkt bei Lex Rib. 67, 5 an ein abgestecktes Haselfeld, womit sich aber
das 'hoc est in ramo' kaum vereinigen lässt.
32 Über Eide mit Berührung des Richterstabes Grimm, RA S. 135. 899,
Seerp Gratama, Rechtsgeschiedenis van Drenthe S. 226.
33 Solche Eide sind uns durch die iura Teutonicorum in suburbio Pragensi
§ 23, bei Rössler, Deutsche Rechtsdenkmäler aus Böhmen und Mähren I 189,
bezeugt, wo es aus Anlass des Anefangs heisst: postea Theutonicus iurabit stans
in circulo facto cum gladio in terra. Ausserdem durch die Salfelder Statuten, c. 4.
Grimm bei Rössler a. O. p. VIII. v. Amira, Recht S. 193.
34 Nach konsequentem Sprachgebrauch der älteren Quellen ist der Eid in
vestimento, Lex Fris. 3, 5; 12, 2, ein Eid, der auf das Gewand, der Eid in reli-
quiis, Lex Fris. 3, 6; 12, 1; 14, 3, der Eid in sanctis, in sanctis reliquiis, Lex
Chamav. 10. 32, ein Eid, der auf die Reliquien abgelegt wird, der Eid in altare,

§ 108. Das Beweisverfahren.
Ein Waffeneid von höherer Kraft war es, wenn die Waffe, bei der
man schwur, vorher geweiht worden war.

Den feierlichsten Eid leistete man in heidnischer Zeit auf einen Ring,
der in das Blut des Opfertiers getaucht war. So legten nachweislich
Goten und Nordgermanen Eide auf den Eidring des Heidenpriesters,
des Goden, auf heilige Bauge (armilla sacra) ab27. Spuren vom
Gebrauch des Eidrings finden sich aber auch bei den Franken28. Auf
solchen scheint die Sitte zurückzuweisen, Eide auf den Ring abzu-
legen, der als Griff der Kirchenthüre29 diente (in armilla ianuae).
Die Lex Ribuaria30 kennt einen Eid in circlo et in collore oder, wie
es in anderen Texten heiſst, in circlo et in hasla, hoc est in ramo.
Die hasla, corylus, colloris war ein Haselstab31, den der Gegner des
Schwörenden bei dem Staben des Eides in der Hand hielt und den
der Schwörende antasten muſste32. Der circulus war aber wahrschein-
lich nicht ein in die Erde geritzter Kreis, in welchem der Schwörende
stehen muſste33, sondern nichts anderes als ein Eidring34, so daſs

27 Grimm, RA S. 895. Formel eines Baugeides daselbst S. 50. Wilda,
Strafrecht S. 979. Steenstrup, Normannerne IV 228. Müllenhoff in Z. f.
DA XVII 428, wo nachgewiesen wird, daſs auch die gotischen Priester Eidringe
trugen. Saxon Chron. zum Jahre 876: on þa halgan beage. Aethelweard, Chron.
de rebus Angl. IV, c. 3: in eorum armilla sacra.
28 Schon Müllenhoff hat a. O. aus dem Personennamen Eidring in einer
Lorscher Urkunde v. J. 834 gefolgert, daſs der Eidring wie im Norden einst auch
in Deutschland in Gebrauch gewesen sei.
29 In Acta SS Juli VII 265 heiſst es, daſs, wenn jemand saltem in armilla
ianuae iusiurandum explere praesumpserit, als Strafe des Meineids die Vergeltung
nicht ausblieb. Die Stelle findet sich in den Miracula des heiligen Germanus von
Auxerre, die in der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts verfaſst sind.
30 Lex Rib. 67, 5.
31 In der Urkunde Cartulaire de Redon S. 18, Nr. 21, v. J. 868, H. 375,
restituiert der Beklagte den Streitgegenstand cum sua virga corilina. Sie dient
hier als festuca. Vgl. Vita S. Galli MG SS II 9: virga colerea. Grimm, RA
S. 810, denkt bei Lex Rib. 67, 5 an ein abgestecktes Haselfeld, womit sich aber
das ‘hoc est in ramo’ kaum vereinigen läſst.
32 Über Eide mit Berührung des Richterstabes Grimm, RA S. 135. 899,
Seerp Gratama, Rechtsgeschiedenis van Drenthe S. 226.
33 Solche Eide sind uns durch die iura Teutonicorum in suburbio Pragensi
§ 23, bei Rössler, Deutsche Rechtsdenkmäler aus Böhmen und Mähren I 189,
bezeugt, wo es aus Anlaſs des Anefangs heiſst: postea Theutonicus iurabit stans
in circulo facto cum gladio in terra. Auſserdem durch die Salfelder Statuten, c. 4.
Grimm bei Rössler a. O. p. VIII. v. Amira, Recht S. 193.
34 Nach konsequentem Sprachgebrauch der älteren Quellen ist der Eid in
vestimento, Lex Fris. 3, 5; 12, 2, ein Eid, der auf das Gewand, der Eid in reli-
quiis, Lex Fris. 3, 6; 12, 1; 14, 3, der Eid in sanctis, in sanctis reliquiis, Lex
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[429/0447] § 108. Das Beweisverfahren. Ein Waffeneid von höherer Kraft war es, wenn die Waffe, bei der man schwur, vorher geweiht worden war. Den feierlichsten Eid leistete man in heidnischer Zeit auf einen Ring, der in das Blut des Opfertiers getaucht war. So legten nachweislich Goten und Nordgermanen Eide auf den Eidring des Heidenpriesters, des Goden, auf heilige Bauge (armilla sacra) ab 27. Spuren vom Gebrauch des Eidrings finden sich aber auch bei den Franken 28. Auf solchen scheint die Sitte zurückzuweisen, Eide auf den Ring abzu- legen, der als Griff der Kirchenthüre 29 diente (in armilla ianuae). Die Lex Ribuaria 30 kennt einen Eid in circlo et in collore oder, wie es in anderen Texten heiſst, in circlo et in hasla, hoc est in ramo. Die hasla, corylus, colloris war ein Haselstab 31, den der Gegner des Schwörenden bei dem Staben des Eides in der Hand hielt und den der Schwörende antasten muſste 32. Der circulus war aber wahrschein- lich nicht ein in die Erde geritzter Kreis, in welchem der Schwörende stehen muſste 33, sondern nichts anderes als ein Eidring 34, so daſs 27 Grimm, RA S. 895. Formel eines Baugeides daselbst S. 50. Wilda, Strafrecht S. 979. Steenstrup, Normannerne IV 228. Müllenhoff in Z. f. DA XVII 428, wo nachgewiesen wird, daſs auch die gotischen Priester Eidringe trugen. Saxon Chron. zum Jahre 876: on þa halgan beage. Aethelweard, Chron. de rebus Angl. IV, c. 3: in eorum armilla sacra. 28 Schon Müllenhoff hat a. O. aus dem Personennamen Eidring in einer Lorscher Urkunde v. J. 834 gefolgert, daſs der Eidring wie im Norden einst auch in Deutschland in Gebrauch gewesen sei. 29 In Acta SS Juli VII 265 heiſst es, daſs, wenn jemand saltem in armilla ianuae iusiurandum explere praesumpserit, als Strafe des Meineids die Vergeltung nicht ausblieb. Die Stelle findet sich in den Miracula des heiligen Germanus von Auxerre, die in der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts verfaſst sind. 30 Lex Rib. 67, 5. 31 In der Urkunde Cartulaire de Redon S. 18, Nr. 21, v. J. 868, H. 375, restituiert der Beklagte den Streitgegenstand cum sua virga corilina. Sie dient hier als festuca. Vgl. Vita S. Galli MG SS II 9: virga colerea. Grimm, RA S. 810, denkt bei Lex Rib. 67, 5 an ein abgestecktes Haselfeld, womit sich aber das ‘hoc est in ramo’ kaum vereinigen läſst. 32 Über Eide mit Berührung des Richterstabes Grimm, RA S. 135. 899, Seerp Gratama, Rechtsgeschiedenis van Drenthe S. 226. 33 Solche Eide sind uns durch die iura Teutonicorum in suburbio Pragensi § 23, bei Rössler, Deutsche Rechtsdenkmäler aus Böhmen und Mähren I 189, bezeugt, wo es aus Anlaſs des Anefangs heiſst: postea Theutonicus iurabit stans in circulo facto cum gladio in terra. Auſserdem durch die Salfelder Statuten, c. 4. Grimm bei Rössler a. O. p. VIII. v. Amira, Recht S. 193. 34 Nach konsequentem Sprachgebrauch der älteren Quellen ist der Eid in vestimento, Lex Fris. 3, 5; 12, 2, ein Eid, der auf das Gewand, der Eid in reli- quiis, Lex Fris. 3, 6; 12, 1; 14, 3, der Eid in sanctis, in sanctis reliquiis, Lex Chamav. 10. 32, ein Eid, der auf die Reliquien abgelegt wird, der Eid in altare,

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/447>, abgerufen am 22.11.2024.