Die Grösse des Eides hing in erster Linie von der Bedeutung der Streitsache ab. Die Quellen drücken sich dahin aus, dass die Zahl der Helfer sich abstufe secundum qualitatem pecuniae 65, nach der Höhe des Schadens, den es zu bessern gilt, pro qualitate damni 66, oder nach der Höhe der in Frage stehenden Busse 67. Doch sind die Zahlen der Eidhelfer minder mannigfaltig als die Busszahlen, weil der unbe- schränkten Verminderung und Erhöhung des Volleides die hergebrachte Rücksicht auf die Gliederung der Sippe im Wege stand. Das bairische Volksrecht verlangt bei Diebstahl einer Saiga einen Eineid, darüber hinaus bis zu einem Solidus einen Eid mit einem Helfer, bis zu zwölf Solidi einen Sechsereid, über zwölf Solidi einen Zwölfereid 68. Ein Zu- satz zum alamannischen Volksrecht fordert einen ernannten Helfer bei einem Streitobjekt bis zu 3 Solidi, zwei ernannte bis zu 6 Solidi, 5 darüber hinaus 69. Rotharis Edikt hat die Skala von zwei, fünf und eilf Helfern, je nachdem die Streitsache weniger als zwölf oder zwölf bis zwanzig oder mehr als zwanzig Solidi beträgt 70. Schematischer verfährt das jüngere Recht. Ein Vertrag Lothars I. mit Venedig v. J. 840 rechnet auf je ein Pfund einen Eidhelfer: 'quantae sint librae, tanti sint etiam iuratores'. Doch geht die Zahl der Helfer nicht über zwölf hinaus 71. Einen Eid vom Werte eines Pfundes kennt das angelsächsische Recht 72.
Die Grösse des Eides gestaltete sich ferner verschieden je nach der Art, wie die Schaar der Eidhelfer aufgebracht wurde, sofern das Stammesrecht in dieser Beziehung dem Schwörenden freien Spielraum offen liess. Wer mit ernannten Helfern schwur, brauchte eine geringere Zahl von Schwurgenossen, da der ernannte zwei oder mehr nicht er- nannte aufwog.
Auch die Beweislage des einzelnen Falles konnte massgebend werden für die Grösse des Eides. Bot der Kläger einen verstärkten Voreid an, so zwang er damit den Beklagten, wenn dieser die Beweis-
65 Lex Baiuw. IX 2. Lex Fris. II 11: prout qualitas pecuniae fuerit.
66 Lex Angl. et Werin. 52.
67 Lex Alam. 27, 3: secundum quod debuit solvere, ita iuret. Leges Henrici primi 64, 7: iuxta pretium capitalis et witae.
68 Lex Baiuw. IX 2.
69 Lex Al. B. 6. Bis zu einem Betrage unter einem Solidus und zwei Saigae genügt ein selbstgewählter Helfer.
70 Roth. 359.
71 Cap. II 135, c. 34.
72 Aethelred I 1, § 3. Das Keurboek (A) von Vollenhove (Overyssel), hrsg. von Fockema Andreae, verlangt einen Eineid bei einem Pfund Brüche, einen Eid selbfünft bei fünf Pfund, einen Eid selbzwölft bei zehn Pfund und mehr. A. O. II 41 ff. Art. 1--4. 6--13. 24--28.
25*
§ 104. Parteieid und Eideshilfe.
Die Gröſse des Eides hing in erster Linie von der Bedeutung der Streitsache ab. Die Quellen drücken sich dahin aus, daſs die Zahl der Helfer sich abstufe secundum qualitatem pecuniae 65, nach der Höhe des Schadens, den es zu bessern gilt, pro qualitate damni 66, oder nach der Höhe der in Frage stehenden Buſse 67. Doch sind die Zahlen der Eidhelfer minder mannigfaltig als die Buſszahlen, weil der unbe- schränkten Verminderung und Erhöhung des Volleides die hergebrachte Rücksicht auf die Gliederung der Sippe im Wege stand. Das bairische Volksrecht verlangt bei Diebstahl einer Saiga einen Eineid, darüber hinaus bis zu einem Solidus einen Eid mit einem Helfer, bis zu zwölf Solidi einen Sechsereid, über zwölf Solidi einen Zwölfereid 68. Ein Zu- satz zum alamannischen Volksrecht fordert einen ernannten Helfer bei einem Streitobjekt bis zu 3 Solidi, zwei ernannte bis zu 6 Solidi, 5 darüber hinaus 69. Rotharis Edikt hat die Skala von zwei, fünf und eilf Helfern, je nachdem die Streitsache weniger als zwölf oder zwölf bis zwanzig oder mehr als zwanzig Solidi beträgt 70. Schematischer verfährt das jüngere Recht. Ein Vertrag Lothars I. mit Venedig v. J. 840 rechnet auf je ein Pfund einen Eidhelfer: ‘quantae sint librae, tanti sint etiam iuratores’. Doch geht die Zahl der Helfer nicht über zwölf hinaus 71. Einen Eid vom Werte eines Pfundes kennt das angelsächsische Recht 72.
Die Gröſse des Eides gestaltete sich ferner verschieden je nach der Art, wie die Schaar der Eidhelfer aufgebracht wurde, sofern das Stammesrecht in dieser Beziehung dem Schwörenden freien Spielraum offen lieſs. Wer mit ernannten Helfern schwur, brauchte eine geringere Zahl von Schwurgenossen, da der ernannte zwei oder mehr nicht er- nannte aufwog.
Auch die Beweislage des einzelnen Falles konnte maſsgebend werden für die Gröſse des Eides. Bot der Kläger einen verstärkten Voreid an, so zwang er damit den Beklagten, wenn dieser die Beweis-
65 Lex Baiuw. IX 2. Lex Fris. II 11: prout qualitas pecuniae fuerit.
66 Lex Angl. et Werin. 52.
67 Lex Alam. 27, 3: secundum quod debuit solvere, ita iuret. Leges Henrici primi 64, 7: iuxta pretium capitalis et witae.
68 Lex Baiuw. IX 2.
69 Lex Al. B. 6. Bis zu einem Betrage unter einem Solidus und zwei Saigae genügt ein selbstgewählter Helfer.
70 Roth. 359.
71 Cap. II 135, c. 34.
72 Aethelred I 1, § 3. Das Keurboek (A) von Vollenhove (Overyssel), hrsg. von Fockema Andreae, verlangt einen Eineid bei einem Pfund Brüche, einen Eid selbfünft bei fünf Pfund, einen Eid selbzwölft bei zehn Pfund und mehr. A. O. II 41 ff. Art. 1—4. 6—13. 24—28.
25*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0405"n="387"/><fwplace="top"type="header">§ 104. Parteieid und Eideshilfe.</fw><lb/><p>Die Gröſse des Eides hing in erster Linie von der Bedeutung der<lb/>
Streitsache ab. Die Quellen drücken sich dahin aus, daſs die Zahl<lb/>
der Helfer sich abstufe secundum qualitatem pecuniae <noteplace="foot"n="65">Lex Baiuw. IX 2. Lex Fris. II 11: prout qualitas pecuniae fuerit.</note>, nach der Höhe<lb/>
des Schadens, den es zu bessern gilt, pro qualitate damni <noteplace="foot"n="66">Lex Angl. et Werin. 52.</note>, oder nach<lb/>
der Höhe der in Frage stehenden Buſse <noteplace="foot"n="67">Lex Alam. 27, 3: secundum quod debuit solvere, ita iuret. Leges Henrici<lb/>
primi 64, 7: iuxta pretium capitalis et witae.</note>. Doch sind die Zahlen der<lb/>
Eidhelfer minder mannigfaltig als die Buſszahlen, weil der unbe-<lb/>
schränkten Verminderung und Erhöhung des Volleides die hergebrachte<lb/>
Rücksicht auf die Gliederung der Sippe im Wege stand. Das bairische<lb/>
Volksrecht verlangt bei Diebstahl einer Saiga einen Eineid, darüber<lb/>
hinaus bis zu einem Solidus einen Eid mit einem Helfer, bis zu zwölf<lb/>
Solidi einen Sechsereid, über zwölf Solidi einen Zwölfereid <noteplace="foot"n="68">Lex Baiuw. IX 2.</note>. Ein Zu-<lb/>
satz zum alamannischen Volksrecht fordert einen ernannten Helfer bei<lb/>
einem Streitobjekt bis zu 3 Solidi, zwei ernannte bis zu 6 Solidi, 5<lb/>
darüber hinaus <noteplace="foot"n="69">Lex Al. B. 6. Bis zu einem Betrage unter einem Solidus und zwei Saigae<lb/>
genügt ein selbstgewählter Helfer.</note>. Rotharis Edikt hat die Skala von zwei, fünf und<lb/>
eilf Helfern, je nachdem die Streitsache weniger als zwölf oder zwölf<lb/>
bis zwanzig oder mehr als zwanzig Solidi beträgt <noteplace="foot"n="70">Roth. 359.</note>. Schematischer<lb/>
verfährt das jüngere Recht. Ein Vertrag Lothars I. mit Venedig<lb/>
v. J. 840 rechnet auf je ein Pfund einen Eidhelfer: ‘quantae sint<lb/>
librae, tanti sint etiam iuratores’. Doch geht die Zahl der Helfer<lb/>
nicht über zwölf hinaus <noteplace="foot"n="71">Cap. II 135, c. 34.</note>. Einen Eid vom Werte eines Pfundes kennt<lb/>
das angelsächsische Recht <noteplace="foot"n="72">Aethelred I 1, § 3. Das Keurboek (A) von Vollenhove (Overyssel), hrsg.<lb/>
von Fockema Andreae, verlangt einen Eineid bei einem Pfund Brüche, einen Eid<lb/>
selbfünft bei fünf Pfund, einen Eid selbzwölft bei zehn Pfund und mehr. A. O.<lb/>
II 41 ff. Art. 1—4. 6—13. 24—28.</note>.</p><lb/><p>Die Gröſse des Eides gestaltete sich ferner verschieden je nach<lb/>
der Art, wie die Schaar der Eidhelfer aufgebracht wurde, sofern das<lb/>
Stammesrecht in dieser Beziehung dem Schwörenden freien Spielraum<lb/>
offen lieſs. Wer mit ernannten Helfern schwur, brauchte eine geringere<lb/>
Zahl von Schwurgenossen, da der ernannte zwei oder mehr nicht er-<lb/>
nannte aufwog.</p><lb/><p>Auch die Beweislage des einzelnen Falles konnte maſsgebend<lb/>
werden für die Gröſse des Eides. Bot der Kläger einen verstärkten<lb/>
Voreid an, so zwang er damit den Beklagten, wenn dieser die Beweis-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">25*</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[387/0405]
§ 104. Parteieid und Eideshilfe.
Die Gröſse des Eides hing in erster Linie von der Bedeutung der
Streitsache ab. Die Quellen drücken sich dahin aus, daſs die Zahl
der Helfer sich abstufe secundum qualitatem pecuniae 65, nach der Höhe
des Schadens, den es zu bessern gilt, pro qualitate damni 66, oder nach
der Höhe der in Frage stehenden Buſse 67. Doch sind die Zahlen der
Eidhelfer minder mannigfaltig als die Buſszahlen, weil der unbe-
schränkten Verminderung und Erhöhung des Volleides die hergebrachte
Rücksicht auf die Gliederung der Sippe im Wege stand. Das bairische
Volksrecht verlangt bei Diebstahl einer Saiga einen Eineid, darüber
hinaus bis zu einem Solidus einen Eid mit einem Helfer, bis zu zwölf
Solidi einen Sechsereid, über zwölf Solidi einen Zwölfereid 68. Ein Zu-
satz zum alamannischen Volksrecht fordert einen ernannten Helfer bei
einem Streitobjekt bis zu 3 Solidi, zwei ernannte bis zu 6 Solidi, 5
darüber hinaus 69. Rotharis Edikt hat die Skala von zwei, fünf und
eilf Helfern, je nachdem die Streitsache weniger als zwölf oder zwölf
bis zwanzig oder mehr als zwanzig Solidi beträgt 70. Schematischer
verfährt das jüngere Recht. Ein Vertrag Lothars I. mit Venedig
v. J. 840 rechnet auf je ein Pfund einen Eidhelfer: ‘quantae sint
librae, tanti sint etiam iuratores’. Doch geht die Zahl der Helfer
nicht über zwölf hinaus 71. Einen Eid vom Werte eines Pfundes kennt
das angelsächsische Recht 72.
Die Gröſse des Eides gestaltete sich ferner verschieden je nach
der Art, wie die Schaar der Eidhelfer aufgebracht wurde, sofern das
Stammesrecht in dieser Beziehung dem Schwörenden freien Spielraum
offen lieſs. Wer mit ernannten Helfern schwur, brauchte eine geringere
Zahl von Schwurgenossen, da der ernannte zwei oder mehr nicht er-
nannte aufwog.
Auch die Beweislage des einzelnen Falles konnte maſsgebend
werden für die Gröſse des Eides. Bot der Kläger einen verstärkten
Voreid an, so zwang er damit den Beklagten, wenn dieser die Beweis-
65 Lex Baiuw. IX 2. Lex Fris. II 11: prout qualitas pecuniae fuerit.
66 Lex Angl. et Werin. 52.
67 Lex Alam. 27, 3: secundum quod debuit solvere, ita iuret. Leges Henrici
primi 64, 7: iuxta pretium capitalis et witae.
68 Lex Baiuw. IX 2.
69 Lex Al. B. 6. Bis zu einem Betrage unter einem Solidus und zwei Saigae
genügt ein selbstgewählter Helfer.
70 Roth. 359.
71 Cap. II 135, c. 34.
72 Aethelred I 1, § 3. Das Keurboek (A) von Vollenhove (Overyssel), hrsg.
von Fockema Andreae, verlangt einen Eineid bei einem Pfund Brüche, einen Eid
selbfünft bei fünf Pfund, einen Eid selbzwölft bei zehn Pfund und mehr. A. O.
II 41 ff. Art. 1—4. 6—13. 24—28.
25*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/405>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.