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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 61. Titel, Ehrenzeichen und Regierungsantritt.
Hochsitz seines Vorgängers setzt 21, im Geiste der Rechtssätze, welche
bei der Übereignung von Grundstücken unter Umständen sogar ein
dreitägiges Besitzen verlangten, fand unter den Merowingern eine
feierliche Thronbesteigung statt 22, durch welche der König den Antritt
der Herrschaft zu förmlichem Ausdruck brachte Die Handlung hatte
ursprünglich nicht die staatsrechtliche Bedeutung, dass etwa erst durch
sie die königliche Gewalt auf den neuen König übergegangen wäre,
sondern sollte nur, wie etwa nachmals die karolingische Königskrönung,
den Übergang der Herrschaft in sichtlicher Weise constatieren. Wie
unter den privatrechtlichen Formen des Erwerbs von Grundstücken
eine feierliche Grenzbegehung vorkommt, so pflegte der merowingische
König zum Zeichen förmlicher Besitzergreifung eine Umfahrt im Reiche
zu halten 23. Für das ältere merowingische Königtum ist es sicher-
lich bezeichnend, dass es eine Form des Regierungsantrittes kennt,
welche sich mit der Apprehensionssymbolik begnügt und die Tradi-
tionssymbolik vermissen kann.

War der Thronerbe unmündig, so erfolgte eine feierliche Thron-
erhebung sublimare, sollemniter sublimare, elevare, stabilire in regnum,
regem instituere, statuere 24. Ursprünglich hielten sich die Oheime
für berufen, den unmündigen Neffen in die Herrschaft einzusetzen.

21 Homeyer, Der Dreissigste, S. 120. 242 ff.
22 Darauf hat W. Sickel a. O. 963 mit Zusammenstellung der Belege auf-
merksam gemacht.
23 Greg. Tur. Hist. Franc. IV 14. 16. VII 10. Fredegar IV 59: cum Auster
regio cultu circuerit. Grimm, RA. S. 237 ff.
24 Greg. Tur. Hist. Franc. III 18. Als Childebert I. und Chlothar I. die
Söhne Chlodomirs ihres Reiches berauben wollen, sprengt Childebert zunächst das
Gerücht aus: ob hoc hos coniungi regis quasi parvolus (illos) elevaturus in regno
Sie verlangen von Chrodihildis, dass sie die Knaben zu diesem Zwecke herausgebe.
"Dirige parvulos ad nos, ut sublimentur in regno." -- Greg Tur. l. c.
V 1: Gundovaldus dux adpraehensum Childeberthum .. parvolum f[ - 1 Zeichen fehlt]tim abstulit
ereptumque ab immenente morte, collectisque gentibus, super qua[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] pater eius
regnum tenuerat, regem instituit. Greg. Tur. l. c. X 28: p[unleserliches Material - 3 Zeichen fehlen]um istum
in urbis Parisiacae cathedram regem statues. Fredegar IV 79: omnes leudis
de Neuster et Burgundia (Chlodoveum) Masaloco villa sublimant in regno. Vita
Sigiberti c. 15, Bouquet II 602: rex .. (filium suum Dagobertum) nutriendum com-
misit m. d. Grimoaldo, ut eius potentia contra omnes tutus sublimaretur in Austra-
sierum regno. Liber hist. Franc. c. 43: Grimoaldus .. filium suum in regno consti-
tuens. Vita Leodegarii c. 8: cum Hebroinus .. Theudericum convocatis optimatibus
sollemniter, ut mos est, debuisset sublimare in regnum, .. eos noluit
deinde convocare .. Ideo .. regem, quem publice debuerat sublimare. Ursinus I 6:
Hildericum in toto sublimaverunt regno. Liber. hist. Franc. c. 44: Franci vero
Chlotharium seniorem puerum ex tribus regem sibi statuunt; a. O. c. 45: Theu-

§ 61. Titel, Ehrenzeichen und Regierungsantritt.
Hochsitz seines Vorgängers setzt 21, im Geiste der Rechtssätze, welche
bei der Übereignung von Grundstücken unter Umständen sogar ein
dreitägiges Besitzen verlangten, fand unter den Merowingern eine
feierliche Thronbesteigung statt 22, durch welche der König den Antritt
der Herrschaft zu förmlichem Ausdruck brachte Die Handlung hatte
ursprünglich nicht die staatsrechtliche Bedeutung, daſs etwa erst durch
sie die königliche Gewalt auf den neuen König übergegangen wäre,
sondern sollte nur, wie etwa nachmals die karolingische Königskrönung,
den Übergang der Herrschaft in sichtlicher Weise constatieren. Wie
unter den privatrechtlichen Formen des Erwerbs von Grundstücken
eine feierliche Grenzbegehung vorkommt, so pflegte der merowingische
König zum Zeichen förmlicher Besitzergreifung eine Umfahrt im Reiche
zu halten 23. Für das ältere merowingische Königtum ist es sicher-
lich bezeichnend, daſs es eine Form des Regierungsantrittes kennt,
welche sich mit der Apprehensionssymbolik begnügt und die Tradi-
tionssymbolik vermissen kann.

War der Thronerbe unmündig, so erfolgte eine feierliche Thron-
erhebung sublimare, sollemniter sublimare, elevare, stabilire in regnum,
regem instituere, statuere 24. Ursprünglich hielten sich die Oheime
für berufen, den unmündigen Neffen in die Herrschaft einzusetzen.

21 Homeyer, Der Dreiſsigste, S. 120. 242 ff.
22 Darauf hat W. Sickel a. O. 963 mit Zusammenstellung der Belege auf-
merksam gemacht.
23 Greg. Tur. Hist. Franc. IV 14. 16. VII 10. Fredegar IV 59: cum Auster
regio cultu circuerit. Grimm, RA. S. 237 ff.
24 Greg. Tur. Hist. Franc. III 18. Als Childebert I. und Chlothar I. die
Söhne Chlodomirs ihres Reiches berauben wollen, sprengt Childebert zunächst das
Gerücht aus: ob hoc hos coniungi regis quasi parvolus (illos) elevaturus in regno
Sie verlangen von Chrodihildis, daſs sie die Knaben zu diesem Zwecke herausgebe.
„Dirige parvulos ad nos, ut sublimentur in regno.“ — Greg Tur. l. c.
V 1: Gundovaldus dux adpraehensum Childeberthum .. parvolum f[ – 1 Zeichen fehlt]tim abstulit
ereptumque ab immenente morte, collectisque gentibus, super qua[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] pater eius
regnum tenuerat, regem instituit. Greg. Tur. l. c. X 28: p[unleserliches Material – 3 Zeichen fehlen]um istum
in urbis Parisiacae cathedram regem statues. Fredegar IV 79: omnes leudis
de Neuster et Burgundia (Chlodoveum) Masaloco villa sublimant in regno. Vita
Sigiberti c. 15, Bouquet II 602: rex .. (filium suum Dagobertum) nutriendum com-
misit m. d. Grimoaldo, ut eius potentia contra omnes tutus sublimaretur in Austra-
sierum regno. Liber hist. Franc. c. 43: Grimoaldus .. filium suum in regno consti-
tuens. Vita Leodegarii c. 8: cum Hebroinus .. Theudericum convocatis optimatibus
sollemniter, ut mos est, debuisset sublimare in regnum, .. eos noluit
deinde convocare .. Ideo .. regem, quem publice debuerat sublimare. Ursinus I 6:
Hildericum in toto sublimaverunt regno. Liber. hist. Franc. c. 44: Franci vero
Chlotharium seniorem puerum ex tribus regem sibi statuunt; a. O. c. 45: Theu-
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[18/0036] § 61. Titel, Ehrenzeichen und Regierungsantritt. Hochsitz seines Vorgängers setzt 21, im Geiste der Rechtssätze, welche bei der Übereignung von Grundstücken unter Umständen sogar ein dreitägiges Besitzen verlangten, fand unter den Merowingern eine feierliche Thronbesteigung statt 22, durch welche der König den Antritt der Herrschaft zu förmlichem Ausdruck brachte Die Handlung hatte ursprünglich nicht die staatsrechtliche Bedeutung, daſs etwa erst durch sie die königliche Gewalt auf den neuen König übergegangen wäre, sondern sollte nur, wie etwa nachmals die karolingische Königskrönung, den Übergang der Herrschaft in sichtlicher Weise constatieren. Wie unter den privatrechtlichen Formen des Erwerbs von Grundstücken eine feierliche Grenzbegehung vorkommt, so pflegte der merowingische König zum Zeichen förmlicher Besitzergreifung eine Umfahrt im Reiche zu halten 23. Für das ältere merowingische Königtum ist es sicher- lich bezeichnend, daſs es eine Form des Regierungsantrittes kennt, welche sich mit der Apprehensionssymbolik begnügt und die Tradi- tionssymbolik vermissen kann. War der Thronerbe unmündig, so erfolgte eine feierliche Thron- erhebung sublimare, sollemniter sublimare, elevare, stabilire in regnum, regem instituere, statuere 24. Ursprünglich hielten sich die Oheime für berufen, den unmündigen Neffen in die Herrschaft einzusetzen. 21 Homeyer, Der Dreiſsigste, S. 120. 242 ff. 22 Darauf hat W. Sickel a. O. 963 mit Zusammenstellung der Belege auf- merksam gemacht. 23 Greg. Tur. Hist. Franc. IV 14. 16. VII 10. Fredegar IV 59: cum Auster regio cultu circuerit. Grimm, RA. S. 237 ff. 24 Greg. Tur. Hist. Franc. III 18. Als Childebert I. und Chlothar I. die Söhne Chlodomirs ihres Reiches berauben wollen, sprengt Childebert zunächst das Gerücht aus: ob hoc hos coniungi regis quasi parvolus (illos) elevaturus in regno Sie verlangen von Chrodihildis, daſs sie die Knaben zu diesem Zwecke herausgebe. „Dirige parvulos ad nos, ut sublimentur in regno.“ — Greg Tur. l. c. V 1: Gundovaldus dux adpraehensum Childeberthum .. parvolum f_tim abstulit ereptumque ab immenente morte, collectisque gentibus, super qua_ pater eius regnum tenuerat, regem instituit. Greg. Tur. l. c. X 28: p___um istum in urbis Parisiacae cathedram regem statues. Fredegar IV 79: omnes leudis de Neuster et Burgundia (Chlodoveum) Masaloco villa sublimant in regno. Vita Sigiberti c. 15, Bouquet II 602: rex .. (filium suum Dagobertum) nutriendum com- misit m. d. Grimoaldo, ut eius potentia contra omnes tutus sublimaretur in Austra- sierum regno. Liber hist. Franc. c. 43: Grimoaldus .. filium suum in regno consti- tuens. Vita Leodegarii c. 8: cum Hebroinus .. Theudericum convocatis optimatibus sollemniter, ut mos est, debuisset sublimare in regnum, .. eos noluit deinde convocare .. Ideo .. regem, quem publice debuerat sublimare. Ursinus I 6: Hildericum in toto sublimaverunt regno. Liber. hist. Franc. c. 44: Franci vero Chlotharium seniorem puerum ex tribus regem sibi statuunt; a. O. c. 45: Theu-

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/36>, abgerufen am 24.11.2024.