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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 98. Ladung und Streitgedinge.

Der Vorgeladene hat ein Recht auf mehrmalige Frist, das heisst,
er kann nicht sofort, nachdem er auf die Ladung ausgeblieben, in der
Sache selbst verurteilt, oder dem Zugriff auf sein Vermögen ausgesetzt
oder friedlos gelegt werden, sondern es ist eine wiederholte Ladung
erforderlich. Das ältere salische Recht verlangt vier Ladungen30,
während das jüngere wie die meisten übrigen Rechte sich mit drei
Ladungen begnügt31. Nach ribuarischem Rechte musste der richter-
lichen Pfändung sogar eine siebenmalige Ladung vorausgegangen sein32.

Die Parteihandlung der Mannitio wurde bei den Franken im Laufe
der fränkischen Zeit ersetzt durch die richterliche Ladung, durch ein
richterliches Fürgebot. Den Ausgangspunkt dieser Umwandlung bildete
vielleicht das Verfahren des Königsgerichtes, welches, wie schon oben
S. 137 bemerkt wurde, eine Ladung durch königlichen Befehl zur
Anwendung brachte33. Im Anschluss an die königliche Ladung mag
sich in den Volksgerichten die Ladung durch richterlichen Befehl
eingebürgert haben. Weil auf dem Banne des Richters beruhend,

verbürgt, so tritt zum solsadire das abjectire, das Konstatieren des Wortbruches
hinzu. Marculf I 37. Form. Tur. 33. Add. Tur. 6. Mühlbacher Nr. 455.
(H. 197). Siehe unten § 102.
30 Sohm, Prozess S. 161. v. Bethmann-Hollweg IV 519 mit Rücksicht
auf Lex Sal. 106.
31 Arg. Cap. legi Salicae add. v. J. 819, c. 1. Für das jüngere fränkische
Recht Reinaert 1371. 1338. 1339: dri waerven daghen, also men doet enen vrien
man. Dreimalige Tagung verlangen flandrische Rechte. Warnkönig a. O. III
279. 285. Dreimal vierzehn Tage gewährt das kleine Kaiserrecht I 15 bei Pro-
zessen um Eigen und Erbe. Das altfranzösische Recht gestattete dem Vorgeladenen
in der Regel drei Contremands, d. h. er konnte dreimalige Fristerstreckung ver-
langen. Zum vierten Gerichtstage war nur noch eine Essoine zulässig. Tardif
a. O. S. 53. Über die drei Gerichtstage, auf die nach sächsischem Rechte der
abwesend Verklagte Anspruch hatte, Planck, Gerichtsverfahren I 341. Siehe
noch Franklin, Reichshofgericht II 217, Anm. 3 u. A. Schmidt, Echte Not
S. 153. Über die drei Termine des angelsächsischen Rechtes oben S. 333, Anm. 8.
32 Lex Rib. 32. Wie es scheint, wurde im vierten Ding ein Urteil gefällt.
Siehe unten § 113. Vier Ladungen lässt das Cap. legi Rib. add. v. J. 803, c. 6
der provisorischen missio in bannum vorausgehen. -- Erst nach neunmaliger La-
dung kann gemäss dem westerlauwerschen Schulzenrecht, Richthofen, Rq. S. 396,
die Verurteilung zu Bruch und Brand erfolgen.
33 Der indiculus commonitorius konnte dem Kläger übergeben werden, der
damit zu dem Prozessgegner ging, um ihn vorzuweisen. Die Vorweisung wurde
mannitio genannt. Argum. Carta Senon. 26, wo es vom Kläger heisst: quod apud
nostro signaculo homine alico .. mannitum habuisset. Unter signaculum ist wohl
das Siegel oder das königliche signum, das Handzeichen des Ladungsbriefes, zu
verstehen. Vgl. Memorie di Lucca V 3, Nr. 1768 v. J. 901. H. Brunner, Ent-
stehung der Schwurgerichte S. 79. Th. Sickel, Urkundenlehre S. 198, Anm. 3.
Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 22
§ 98. Ladung und Streitgedinge.

Der Vorgeladene hat ein Recht auf mehrmalige Frist, das heiſst,
er kann nicht sofort, nachdem er auf die Ladung ausgeblieben, in der
Sache selbst verurteilt, oder dem Zugriff auf sein Vermögen ausgesetzt
oder friedlos gelegt werden, sondern es ist eine wiederholte Ladung
erforderlich. Das ältere salische Recht verlangt vier Ladungen30,
während das jüngere wie die meisten übrigen Rechte sich mit drei
Ladungen begnügt31. Nach ribuarischem Rechte muſste der richter-
lichen Pfändung sogar eine siebenmalige Ladung vorausgegangen sein32.

Die Parteihandlung der Mannitio wurde bei den Franken im Laufe
der fränkischen Zeit ersetzt durch die richterliche Ladung, durch ein
richterliches Fürgebot. Den Ausgangspunkt dieser Umwandlung bildete
vielleicht das Verfahren des Königsgerichtes, welches, wie schon oben
S. 137 bemerkt wurde, eine Ladung durch königlichen Befehl zur
Anwendung brachte33. Im Anschluſs an die königliche Ladung mag
sich in den Volksgerichten die Ladung durch richterlichen Befehl
eingebürgert haben. Weil auf dem Banne des Richters beruhend,

verbürgt, so tritt zum solsadire das abjectire, das Konstatieren des Wortbruches
hinzu. Marculf I 37. Form. Tur. 33. Add. Tur. 6. Mühlbacher Nr. 455.
(H. 197). Siehe unten § 102.
30 Sohm, Prozeſs S. 161. v. Bethmann-Hollweg IV 519 mit Rücksicht
auf Lex Sal. 106.
31 Arg. Cap. legi Salicae add. v. J. 819, c. 1. Für das jüngere fränkische
Recht Reinaert 1371. 1338. 1339: dri waerven daghen, also men doet enen vrien
man. Dreimalige Tagung verlangen flandrische Rechte. Warnkönig a. O. III
279. 285. Dreimal vierzehn Tage gewährt das kleine Kaiserrecht I 15 bei Pro-
zessen um Eigen und Erbe. Das altfranzösische Recht gestattete dem Vorgeladenen
in der Regel drei Contremands, d. h. er konnte dreimalige Fristerstreckung ver-
langen. Zum vierten Gerichtstage war nur noch eine Essoine zulässig. Tardif
a. O. S. 53. Über die drei Gerichtstage, auf die nach sächsischem Rechte der
abwesend Verklagte Anspruch hatte, Planck, Gerichtsverfahren I 341. Siehe
noch Franklin, Reichshofgericht II 217, Anm. 3 u. A. Schmidt, Echte Not
S. 153. Über die drei Termine des angelsächsischen Rechtes oben S. 333, Anm. 8.
32 Lex Rib. 32. Wie es scheint, wurde im vierten Ding ein Urteil gefällt.
Siehe unten § 113. Vier Ladungen läſst das Cap. legi Rib. add. v. J. 803, c. 6
der provisorischen missio in bannum vorausgehen. — Erst nach neunmaliger La-
dung kann gemäſs dem westerlauwerschen Schulzenrecht, Richthofen, Rq. S. 396,
die Verurteilung zu Bruch und Brand erfolgen.
33 Der indiculus commonitorius konnte dem Kläger übergeben werden, der
damit zu dem Prozeſsgegner ging, um ihn vorzuweisen. Die Vorweisung wurde
mannitio genannt. Argum. Carta Senon. 26, wo es vom Kläger heiſst: quod apud
nostro signaculo homine alico .. mannitum habuisset. Unter signaculum ist wohl
das Siegel oder das königliche signum, das Handzeichen des Ladungsbriefes, zu
verstehen. Vgl. Memorie di Lucca V 3, Nr. 1768 v. J. 901. H. Brunner, Ent-
stehung der Schwurgerichte S. 79. Th. Sickel, Urkundenlehre S. 198, Anm. 3.
Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 22
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[337/0355] § 98. Ladung und Streitgedinge. Der Vorgeladene hat ein Recht auf mehrmalige Frist, das heiſst, er kann nicht sofort, nachdem er auf die Ladung ausgeblieben, in der Sache selbst verurteilt, oder dem Zugriff auf sein Vermögen ausgesetzt oder friedlos gelegt werden, sondern es ist eine wiederholte Ladung erforderlich. Das ältere salische Recht verlangt vier Ladungen 30, während das jüngere wie die meisten übrigen Rechte sich mit drei Ladungen begnügt 31. Nach ribuarischem Rechte muſste der richter- lichen Pfändung sogar eine siebenmalige Ladung vorausgegangen sein 32. Die Parteihandlung der Mannitio wurde bei den Franken im Laufe der fränkischen Zeit ersetzt durch die richterliche Ladung, durch ein richterliches Fürgebot. Den Ausgangspunkt dieser Umwandlung bildete vielleicht das Verfahren des Königsgerichtes, welches, wie schon oben S. 137 bemerkt wurde, eine Ladung durch königlichen Befehl zur Anwendung brachte 33. Im Anschluſs an die königliche Ladung mag sich in den Volksgerichten die Ladung durch richterlichen Befehl eingebürgert haben. Weil auf dem Banne des Richters beruhend, 29 30 Sohm, Prozeſs S. 161. v. Bethmann-Hollweg IV 519 mit Rücksicht auf Lex Sal. 106. 31 Arg. Cap. legi Salicae add. v. J. 819, c. 1. Für das jüngere fränkische Recht Reinaert 1371. 1338. 1339: dri waerven daghen, also men doet enen vrien man. Dreimalige Tagung verlangen flandrische Rechte. Warnkönig a. O. III 279. 285. Dreimal vierzehn Tage gewährt das kleine Kaiserrecht I 15 bei Pro- zessen um Eigen und Erbe. Das altfranzösische Recht gestattete dem Vorgeladenen in der Regel drei Contremands, d. h. er konnte dreimalige Fristerstreckung ver- langen. Zum vierten Gerichtstage war nur noch eine Essoine zulässig. Tardif a. O. S. 53. Über die drei Gerichtstage, auf die nach sächsischem Rechte der abwesend Verklagte Anspruch hatte, Planck, Gerichtsverfahren I 341. Siehe noch Franklin, Reichshofgericht II 217, Anm. 3 u. A. Schmidt, Echte Not S. 153. Über die drei Termine des angelsächsischen Rechtes oben S. 333, Anm. 8. 32 Lex Rib. 32. Wie es scheint, wurde im vierten Ding ein Urteil gefällt. Siehe unten § 113. Vier Ladungen läſst das Cap. legi Rib. add. v. J. 803, c. 6 der provisorischen missio in bannum vorausgehen. — Erst nach neunmaliger La- dung kann gemäſs dem westerlauwerschen Schulzenrecht, Richthofen, Rq. S. 396, die Verurteilung zu Bruch und Brand erfolgen. 33 Der indiculus commonitorius konnte dem Kläger übergeben werden, der damit zu dem Prozeſsgegner ging, um ihn vorzuweisen. Die Vorweisung wurde mannitio genannt. Argum. Carta Senon. 26, wo es vom Kläger heiſst: quod apud nostro signaculo homine alico .. mannitum habuisset. Unter signaculum ist wohl das Siegel oder das königliche signum, das Handzeichen des Ladungsbriefes, zu verstehen. Vgl. Memorie di Lucca V 3, Nr. 1768 v. J. 901. H. Brunner, Ent- stehung der Schwurgerichte S. 79. Th. Sickel, Urkundenlehre S. 198, Anm. 3. 29 verbürgt, so tritt zum solsadire das abjectire, das Konstatieren des Wortbruches hinzu. Marculf I 37. Form. Tur. 33. Add. Tur. 6. Mühlbacher Nr. 455. (H. 197). Siehe unten § 102. Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 22

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/355>, abgerufen am 22.11.2024.