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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 91. Das Benefizialwesen.
Mannfalls unterblieb nicht selten die Geltendmachung des Heimfall-
rechtes, indem das Benefizium dem Sohne oder einem sonstigen Erben
des Verstorbenen aufs neue verliehen wurde. So war z. B. die Villa
Persy bei Autun ein Benefizium, welches seit den Tagen Karl Mar-
tells fast hundert Jahre hindurch im Besitz derselben Familie blieb66.
Im Jahre 883 zog Karl III. Benefizien ein, welche seit den Urgross-
vätern in den Familien der Besitzer gewesen waren67. Den Nach-
kommen flüchtiger Spanier, die von Karl dem Grossen Güter zu
Benefizium erhalten hatten, sicherte Karl II. ausdrücklich das Recht
zu, sie ihrerseits auf ihre Nachkommen zu vererben68. Karls II.
Kapitulare von Kiersy aus dem Jahre 877 setzt den Übergang des
Benefiziums vom Vater auf den Sohn als etwas Herkömmliches vor-
aus69. Doch ist der Rechtssatz der Erblichkeit der Benefizien in der
fränkischen Zeit noch nicht zur Ausbildung gelangt.

Eine Mittelstellung zwischen der alten Landschenkung und dem
königlichen Benefizium nimmt das ius aprisionis ein, welches Karl
der Grosse und seine Nachfolger in Septimanien und in der spanischen
Mark spanischen Flüchtlingen an urbar gemachtem Ödlande zinsfrei
verliehen70. Das Aprisionsgut gilt als Eigentum, proprietas des
Königs71. Doch fehlt ihm eines der Merkmale des Benefiziums, näm-
lich der Mannfall; denn es vererbt wie die Landschenkung und zwar
nur auf die männliche Nachkommenschaft des Besitzers72. Wie das

66 Roth, BW S. 422 f.
67 Siehe oben Anm. 65.
68 Siehe oben S. 252, Anm. 42.
69 Cap. Carisiac. v. J. 877, c. 3, Pertz, LL I 542.
70 Vaissete II, Nr. 12 v. J. 795, Mühlbacher Nr. 319. Praeceptum pro
Hispanis v. J. 812, Cap. I 169. Constit. de Hispanis v. J. 815, Cap. I 261. Vais-
sete II, Nr. 34 v. J. 815, Mühlbacher Nr. 547. Constit. de Hispanis v. J. 816,
Cap. I 263. Urkunde Ludwigs I. v. J. 814 bei Vaissete II, Nr. 84, Mühlbacher
Nr. 539. Placitum v. J. 834 bei Vaissete II, Nr. 85, H. 280. Urkunden Karls II.
v. J. 844 bei Vaissete II, Nr. 110. 112. Praeceptum pro Gothis seu Hispanis v. J.
844 bei Vaissete II, Nr. 119. Gerichtsurkunden v. J. 852, 858, 875 bei Vaissete
Nr. 139. 150. 187, H. 334. 352. 401.
71 Es heisst fiscus. Eingriffe Dritter gelten für Eingriffe in die vestitura
regis. Cap. I 169. Vaissete II, Nr. 132 v. J. 847, Nr. 135 v. J. 849, Nr. 144
v. J. 854 (res quasdam nostrae proprietatis, quas ipsi hactenus per aprisionis ius
habuisse cognoscuntur).
72 Vaissete II, Nr. 12: ille et posteritas sua. Cap. I 264: tam ipsi quam
illorum posteritas ... suae posteritati derelinquant. Die Beschränkung auf die
männliche Nachkommenschaft ergiebt Vaissete II, Nr. 110, wo zunächst das gel-
tende Erbrecht bestätigt wird: sicut a progenitoribus magnisque imperatoribus
parentibus eorum constat esse concessum, ita ipsi et filii filiorum suorum .. ipsas

§ 91. Das Benefizialwesen.
Mannfalls unterblieb nicht selten die Geltendmachung des Heimfall-
rechtes, indem das Benefizium dem Sohne oder einem sonstigen Erben
des Verstorbenen aufs neue verliehen wurde. So war z. B. die Villa
Persy bei Autun ein Benefizium, welches seit den Tagen Karl Mar-
tells fast hundert Jahre hindurch im Besitz derselben Familie blieb66.
Im Jahre 883 zog Karl III. Benefizien ein, welche seit den Urgroſs-
vätern in den Familien der Besitzer gewesen waren67. Den Nach-
kommen flüchtiger Spanier, die von Karl dem Groſsen Güter zu
Benefizium erhalten hatten, sicherte Karl II. ausdrücklich das Recht
zu, sie ihrerseits auf ihre Nachkommen zu vererben68. Karls II.
Kapitulare von Kiersy aus dem Jahre 877 setzt den Übergang des
Benefiziums vom Vater auf den Sohn als etwas Herkömmliches vor-
aus69. Doch ist der Rechtssatz der Erblichkeit der Benefizien in der
fränkischen Zeit noch nicht zur Ausbildung gelangt.

Eine Mittelstellung zwischen der alten Landschenkung und dem
königlichen Benefizium nimmt das ius aprisionis ein, welches Karl
der Groſse und seine Nachfolger in Septimanien und in der spanischen
Mark spanischen Flüchtlingen an urbar gemachtem Ödlande zinsfrei
verliehen70. Das Aprisionsgut gilt als Eigentum, proprietas des
Königs71. Doch fehlt ihm eines der Merkmale des Benefiziums, näm-
lich der Mannfall; denn es vererbt wie die Landschenkung und zwar
nur auf die männliche Nachkommenschaft des Besitzers72. Wie das

66 Roth, BW S. 422 f.
67 Siehe oben Anm. 65.
68 Siehe oben S. 252, Anm. 42.
69 Cap. Carisiac. v. J. 877, c. 3, Pertz, LL I 542.
70 Vaissete II, Nr. 12 v. J. 795, Mühlbacher Nr. 319. Praeceptum pro
Hispanis v. J. 812, Cap. I 169. Constit. de Hispanis v. J. 815, Cap. I 261. Vais-
sete II, Nr. 34 v. J. 815, Mühlbacher Nr. 547. Constit. de Hispanis v. J. 816,
Cap. I 263. Urkunde Ludwigs I. v. J. 814 bei Vaissete II, Nr. 84, Mühlbacher
Nr. 539. Placitum v. J. 834 bei Vaissete II, Nr. 85, H. 280. Urkunden Karls II.
v. J. 844 bei Vaissete II, Nr. 110. 112. Praeceptum pro Gothis seu Hispanis v. J.
844 bei Vaissete II, Nr. 119. Gerichtsurkunden v. J. 852, 858, 875 bei Vaissete
Nr. 139. 150. 187, H. 334. 352. 401.
71 Es heiſst fiscus. Eingriffe Dritter gelten für Eingriffe in die vestitura
regis. Cap. I 169. Vaissete II, Nr. 132 v. J. 847, Nr. 135 v. J. 849, Nr. 144
v. J. 854 (res quasdam nostrae proprietatis, quas ipsi hactenus per aprisionis ius
habuisse cognoscuntur).
72 Vaissete II, Nr. 12: ille et posteritas sua. Cap. I 264: tam ipsi quam
illorum posteritas … suae posteritati derelinquant. Die Beschränkung auf die
männliche Nachkommenschaft ergiebt Vaissete II, Nr. 110, wo zunächst das gel-
tende Erbrecht bestätigt wird: sicut a progenitoribus magnisque imperatoribus
parentibus eorum constat esse concessum, ita ipsi et filii filiorum suorum .. ipsas
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[256/0274] § 91. Das Benefizialwesen. Mannfalls unterblieb nicht selten die Geltendmachung des Heimfall- rechtes, indem das Benefizium dem Sohne oder einem sonstigen Erben des Verstorbenen aufs neue verliehen wurde. So war z. B. die Villa Persy bei Autun ein Benefizium, welches seit den Tagen Karl Mar- tells fast hundert Jahre hindurch im Besitz derselben Familie blieb 66. Im Jahre 883 zog Karl III. Benefizien ein, welche seit den Urgroſs- vätern in den Familien der Besitzer gewesen waren 67. Den Nach- kommen flüchtiger Spanier, die von Karl dem Groſsen Güter zu Benefizium erhalten hatten, sicherte Karl II. ausdrücklich das Recht zu, sie ihrerseits auf ihre Nachkommen zu vererben 68. Karls II. Kapitulare von Kiersy aus dem Jahre 877 setzt den Übergang des Benefiziums vom Vater auf den Sohn als etwas Herkömmliches vor- aus 69. Doch ist der Rechtssatz der Erblichkeit der Benefizien in der fränkischen Zeit noch nicht zur Ausbildung gelangt. Eine Mittelstellung zwischen der alten Landschenkung und dem königlichen Benefizium nimmt das ius aprisionis ein, welches Karl der Groſse und seine Nachfolger in Septimanien und in der spanischen Mark spanischen Flüchtlingen an urbar gemachtem Ödlande zinsfrei verliehen 70. Das Aprisionsgut gilt als Eigentum, proprietas des Königs 71. Doch fehlt ihm eines der Merkmale des Benefiziums, näm- lich der Mannfall; denn es vererbt wie die Landschenkung und zwar nur auf die männliche Nachkommenschaft des Besitzers 72. Wie das 66 Roth, BW S. 422 f. 67 Siehe oben Anm. 65. 68 Siehe oben S. 252, Anm. 42. 69 Cap. Carisiac. v. J. 877, c. 3, Pertz, LL I 542. 70 Vaissete II, Nr. 12 v. J. 795, Mühlbacher Nr. 319. Praeceptum pro Hispanis v. J. 812, Cap. I 169. Constit. de Hispanis v. J. 815, Cap. I 261. Vais- sete II, Nr. 34 v. J. 815, Mühlbacher Nr. 547. Constit. de Hispanis v. J. 816, Cap. I 263. Urkunde Ludwigs I. v. J. 814 bei Vaissete II, Nr. 84, Mühlbacher Nr. 539. Placitum v. J. 834 bei Vaissete II, Nr. 85, H. 280. Urkunden Karls II. v. J. 844 bei Vaissete II, Nr. 110. 112. Praeceptum pro Gothis seu Hispanis v. J. 844 bei Vaissete II, Nr. 119. Gerichtsurkunden v. J. 852, 858, 875 bei Vaissete Nr. 139. 150. 187, H. 334. 352. 401. 71 Es heiſst fiscus. Eingriffe Dritter gelten für Eingriffe in die vestitura regis. Cap. I 169. Vaissete II, Nr. 132 v. J. 847, Nr. 135 v. J. 849, Nr. 144 v. J. 854 (res quasdam nostrae proprietatis, quas ipsi hactenus per aprisionis ius habuisse cognoscuntur). 72 Vaissete II, Nr. 12: ille et posteritas sua. Cap. I 264: tam ipsi quam illorum posteritas … suae posteritati derelinquant. Die Beschränkung auf die männliche Nachkommenschaft ergiebt Vaissete II, Nr. 110, wo zunächst das gel- tende Erbrecht bestätigt wird: sicut a progenitoribus magnisque imperatoribus parentibus eorum constat esse concessum, ita ipsi et filii filiorum suorum .. ipsas

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/274>, abgerufen am 27.11.2024.