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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 91. Das Benefizialwesen.
Gleich dem Könige haben auch Kirchen, und zwar aus eigenem Antriebe,
Benefizien verliehen. Ebenso erscheinen schon früh weltliche Grosse,
Grafen und andere Beamte, ja selbst einfache Freie als Verleiher
von Benefizien 32. Der Inhaber eines Benefiziums hatte das Recht,
es ganz oder zum Teile in die Afterleihe zu geben. Schon die Ein-
ziehung von Kirchengut, wie sie zu militärischen Zwecken unter den
Hausmeiern stattfand, war eben darauf berechnet, dass der unmittel-
bare Empfänger des Gutes davon seinerseits an kleinere Vassallen ab-
gab, die sich daraus reitermässig ausrüsten konnten.

Bei den königlichen Benefizien wurde der Ausdruck precaria ver-
mieden 33. Man unterschied sie von den königlichen Zinsgütern, so-
wohl solchen, die im Wege der Güterleihe vergeben 34, als auch solchen,
die im Wege der ordentlichen Domänenverwaltung mit Hörigen oder
Knechten besetzt wurden 35. Dagegen machte man bei verliehenen
Kirchengütern zwischen Benefizien und Precarien ursprünglich keinen
terminologischen Unterschied. Das Wort precaria wird ausserhalb
des Kreises der Krongutsverleihungen in so umfassendem Sinne ge-
braucht, dass es auch das eigentliche Benefizium in sich schliesst,
während andererseits der Ausdruck beneficium auch grössere, als Pre-
carium verliehene Güter und abhängige Höfe, zinsbares Bauernfeld 36
bezeichnen kann. Dennoch finden sich schon in karolingischer Zeit
die Anfänge eines Sprachgebrauchs, der zwischen beneficium und pre-
caria unterscheidet 37, indem das Wort beneficium auf Leihegüter be-
schränkt wird, welche die Leistung des Heerdienstes, und zwar des
Reiterdienstes, gestatteten und keine wirtschaftliche Abhängigkeit des
Beliehenen von einem Herrnhofe 38 herbeiführten, während zugleich die

32 Siehe die Beispiele bei Roth, Feudal. S. 130, aus der Zeit Karl Mar-
tells. Cap. Compend. v. J. 757, c. 9, I 38. Const. de Hisp. v. J. 815, c. 6, Cap.
I 262. Vaissete II, Nr. 85. 150. Perard S. 33.
33 Siehe oben I 212; über vereinzelte Ausnahmen, die nicht ins Gewicht
fallen, Roth, Feudal. S. 175.
34 Cap. per se scrib. 818/9, c. 4, I 287. Vgl. Waitz, VG IV 207.
35 Arg. Cap. de villis c. 67, I 89. Vgl. oben I 209, Anm. 23.
36 Waitz, VG IV 363, VI 82 f.
37 Epistola Bouquet VI 389: praefato possessori vel per praestariam vel
per beneficium valet restitui. Beyer, Mrh. UB Nr. 105 v. J. 866: ut nullus prae-
latus licentiam habeat cuiquam ipsas res beneficiare vel commutare aut in presta-
riam tribuere. In den Exempla brevium ad describendas res ecclesiasticas et
fiscales v. J. 810, Cap. I 252, werden c. 10--16 precariae oblatae und remunera-
toriae von den Benefizien unter schieden. Roth, Feudal. S. 142 ff. Waitz, VG
IV 180 f.
38 In den Exempla brevium a. O. erscheint unter der Rubrik 'de beneficiariis'
in c. 17--22 als Beneficium stets eine casa indominicata nebst abhängigen Höfen.

§ 91. Das Benefizialwesen.
Gleich dem Könige haben auch Kirchen, und zwar aus eigenem Antriebe,
Benefizien verliehen. Ebenso erscheinen schon früh weltliche Groſse,
Grafen und andere Beamte, ja selbst einfache Freie als Verleiher
von Benefizien 32. Der Inhaber eines Benefiziums hatte das Recht,
es ganz oder zum Teile in die Afterleihe zu geben. Schon die Ein-
ziehung von Kirchengut, wie sie zu militärischen Zwecken unter den
Hausmeiern stattfand, war eben darauf berechnet, daſs der unmittel-
bare Empfänger des Gutes davon seinerseits an kleinere Vassallen ab-
gab, die sich daraus reitermäſsig ausrüsten konnten.

Bei den königlichen Benefizien wurde der Ausdruck precaria ver-
mieden 33. Man unterschied sie von den königlichen Zinsgütern, so-
wohl solchen, die im Wege der Güterleihe vergeben 34, als auch solchen,
die im Wege der ordentlichen Domänenverwaltung mit Hörigen oder
Knechten besetzt wurden 35. Dagegen machte man bei verliehenen
Kirchengütern zwischen Benefizien und Precarien ursprünglich keinen
terminologischen Unterschied. Das Wort precaria wird auſserhalb
des Kreises der Krongutsverleihungen in so umfassendem Sinne ge-
braucht, daſs es auch das eigentliche Benefizium in sich schlieſst,
während andererseits der Ausdruck beneficium auch gröſsere, als Pre-
carium verliehene Güter und abhängige Höfe, zinsbares Bauernfeld 36
bezeichnen kann. Dennoch finden sich schon in karolingischer Zeit
die Anfänge eines Sprachgebrauchs, der zwischen beneficium und pre-
caria unterscheidet 37, indem das Wort beneficium auf Leihegüter be-
schränkt wird, welche die Leistung des Heerdienstes, und zwar des
Reiterdienstes, gestatteten und keine wirtschaftliche Abhängigkeit des
Beliehenen von einem Herrnhofe 38 herbeiführten, während zugleich die

32 Siehe die Beispiele bei Roth, Feudal. S. 130, aus der Zeit Karl Mar-
tells. Cap. Compend. v. J. 757, c. 9, I 38. Const. de Hisp. v. J. 815, c. 6, Cap.
I 262. Vaissete II, Nr. 85. 150. Pérard S. 33.
33 Siehe oben I 212; über vereinzelte Ausnahmen, die nicht ins Gewicht
fallen, Roth, Feudal. S. 175.
34 Cap. per se scrib. 818/9, c. 4, I 287. Vgl. Waitz, VG IV 207.
35 Arg. Cap. de villis c. 67, I 89. Vgl. oben I 209, Anm. 23.
36 Waitz, VG IV 363, VI 82 f.
37 Epistola Bouquet VI 389: praefato possessori vel per praestariam vel
per beneficium valet restitui. Beyer, Mrh. UB Nr. 105 v. J. 866: ut nullus prae-
latus licentiam habeat cuiquam ipsas res beneficiare vel commutare aut in presta-
riam tribuere. In den Exempla brevium ad describendas res ecclesiasticas et
fiscales v. J. 810, Cap. I 252, werden c. 10—16 precariae oblatae und remunera-
toriae von den Benefizien unter schieden. Roth, Feudal. S. 142 ff. Waitz, VG
IV 180 f.
38 In den Exempla brevium a. O. erscheint unter der Rubrik ‘de beneficiariis’
in c. 17—22 als Beneficium stets eine casa indominicata nebst abhängigen Höfen.
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[251/0269] § 91. Das Benefizialwesen. Gleich dem Könige haben auch Kirchen, und zwar aus eigenem Antriebe, Benefizien verliehen. Ebenso erscheinen schon früh weltliche Groſse, Grafen und andere Beamte, ja selbst einfache Freie als Verleiher von Benefizien 32. Der Inhaber eines Benefiziums hatte das Recht, es ganz oder zum Teile in die Afterleihe zu geben. Schon die Ein- ziehung von Kirchengut, wie sie zu militärischen Zwecken unter den Hausmeiern stattfand, war eben darauf berechnet, daſs der unmittel- bare Empfänger des Gutes davon seinerseits an kleinere Vassallen ab- gab, die sich daraus reitermäſsig ausrüsten konnten. Bei den königlichen Benefizien wurde der Ausdruck precaria ver- mieden 33. Man unterschied sie von den königlichen Zinsgütern, so- wohl solchen, die im Wege der Güterleihe vergeben 34, als auch solchen, die im Wege der ordentlichen Domänenverwaltung mit Hörigen oder Knechten besetzt wurden 35. Dagegen machte man bei verliehenen Kirchengütern zwischen Benefizien und Precarien ursprünglich keinen terminologischen Unterschied. Das Wort precaria wird auſserhalb des Kreises der Krongutsverleihungen in so umfassendem Sinne ge- braucht, daſs es auch das eigentliche Benefizium in sich schlieſst, während andererseits der Ausdruck beneficium auch gröſsere, als Pre- carium verliehene Güter und abhängige Höfe, zinsbares Bauernfeld 36 bezeichnen kann. Dennoch finden sich schon in karolingischer Zeit die Anfänge eines Sprachgebrauchs, der zwischen beneficium und pre- caria unterscheidet 37, indem das Wort beneficium auf Leihegüter be- schränkt wird, welche die Leistung des Heerdienstes, und zwar des Reiterdienstes, gestatteten und keine wirtschaftliche Abhängigkeit des Beliehenen von einem Herrnhofe 38 herbeiführten, während zugleich die 32 Siehe die Beispiele bei Roth, Feudal. S. 130, aus der Zeit Karl Mar- tells. Cap. Compend. v. J. 757, c. 9, I 38. Const. de Hisp. v. J. 815, c. 6, Cap. I 262. Vaissete II, Nr. 85. 150. Pérard S. 33. 33 Siehe oben I 212; über vereinzelte Ausnahmen, die nicht ins Gewicht fallen, Roth, Feudal. S. 175. 34 Cap. per se scrib. 818/9, c. 4, I 287. Vgl. Waitz, VG IV 207. 35 Arg. Cap. de villis c. 67, I 89. Vgl. oben I 209, Anm. 23. 36 Waitz, VG IV 363, VI 82 f. 37 Epistola Bouquet VI 389: praefato possessori vel per praestariam vel per beneficium valet restitui. Beyer, Mrh. UB Nr. 105 v. J. 866: ut nullus prae- latus licentiam habeat cuiquam ipsas res beneficiare vel commutare aut in presta- riam tribuere. In den Exempla brevium ad describendas res ecclesiasticas et fiscales v. J. 810, Cap. I 252, werden c. 10—16 precariae oblatae und remunera- toriae von den Benefizien unter schieden. Roth, Feudal. S. 142 ff. Waitz, VG IV 180 f. 38 In den Exempla brevium a. O. erscheint unter der Rubrik ‘de beneficiariis’ in c. 17—22 als Beneficium stets eine casa indominicata nebst abhängigen Höfen.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/269>, abgerufen am 23.11.2024.