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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 87. Wehrpflicht und Heerwesen.
ordentlichen Missi oder besonderen haribannatores übertragen 51. Der
Senior verwirkt ebenso wie der Graf die Heerbannbusse, wenn er
einen Dienstfähigen rechtswidriger Weise vom Aufgebote enthebt 52.
Nach einem Kapitular von 811 wetten Senior und Graf den Königs-
bann für jeden Mann, den sie daheim bleiben liessen 53. Die Haftung
des Seniors ist, wie man sieht, der Haftung des Grafen völlig gleich-
gestellt.

Der Senior haftet auch für das Verhalten seiner Leute während
der Heerfahrt. Er hat Rechenschaft zu leisten für Friedensbrüche,
die seine Leute (qui in suo obsequio pergunt) auf der Heerfahrt be-
gehen 54. Der Senior muss Busse zahlen und Strafe leiden, wenn er
es versäumt, dafür zu sorgen, dass Raub und Plünderung gebüsst und
geahndet werde, die seine Leute auf der Heerfahrt sich zu Schulden
kommen lassen. Demnach hatten die Senioren zur Aufrechthaltung
der Manneszucht militärische Strafgewalt, wie sie über die freien Gau-
leute des Heeres der Graf besass 55.

Vom Heerdienst waren die Geistlichen befreit, weil ihnen kano-
nische Satzung verbot, Waffen zu tragen 56. Dieser Grundsatz fand
aber nur auf Priester und Mönche unbeschränkte Anwendung, dagegen
nicht auf Bischöfe und Äbte. Schon in merowingischer Zeit nahmen
Bischöfe an Feldzügen, ja auch am Schlachtengetümmel teil. Im

51 Siehe oben S. 165.
52 Cap. de exercitu promovendo c. 3, I 137.
53 Cap. Bonon. v. J. 811, c. 9, I 167: .. ipse pro eo eundem bannum per-
solvat et tot heribanni ab eo exigantur, quot homines domi dimisit.
54 Admonitio 823--825, c. 17, I 305: ut ille de eorum factis rationem se sciat
redditurum et quicquid ipsi in pace violanda dereliquerint, ad ipsius debet plivium
pervenire. Vgl. Kar. Ep. ad Fulradum, Cap. I 168: qualiter absencia domini locum
non det hominibus eius mala faciendi.
55 Conv. Silvacensis v. J. 853, c. 13, LL I 425: in seniore hoc emendamus ..
quatenus homines suos in potestate habeat. Const. de exped. Benev. v. J. 866,
c. 9, II 96. Vgl. Benedictus VI 382: dignum enim est, ut magistri vel seniores pro
sibi commissis reddant rationes, si aliquid praedae egerint aut iniuste fecerint eo
quod eos ita correctos non habent, ut talia non audeant perpetrare. Über die
entsprechende Haftung des Grafen siehe Lex Baiuw. II 5. Die Vorschrift der Ad-
monitio 823--825, c. 17, I 305: ut cognoscat unusquisque omnes, qui in suo obse-
quio in tali itinere pergunt, sive sui sint sive alieni, ut ille de eorum factis
u. s. w., wie oben Anm. 54, gilt auch für den Grafen. Nur der öffentliche Beamte
kommt in Betracht als Führer von Mannschaften, die nicht seine homines (sui) sind.
56 E. Loening, Kirchenrecht II 312. Waitz, VG IV 592, Anm. 1. Freie
Leute traten in den geistlichen Stand ein, um sich von der Dienstpflicht zu be-
freien. Cap. miss. Theod. primum v. J. 805, c. 10, I 122. Der Eintritt in den
Klerus war daher an königliche Zustimmung gebunden. Marculf I 19, Cap. miss.
Theod. sec. v. J. 805, c. 15, I 125.

§ 87. Wehrpflicht und Heerwesen.
ordentlichen Missi oder besonderen haribannatores übertragen 51. Der
Senior verwirkt ebenso wie der Graf die Heerbannbuſse, wenn er
einen Dienstfähigen rechtswidriger Weise vom Aufgebote enthebt 52.
Nach einem Kapitular von 811 wetten Senior und Graf den Königs-
bann für jeden Mann, den sie daheim bleiben lieſsen 53. Die Haftung
des Seniors ist, wie man sieht, der Haftung des Grafen völlig gleich-
gestellt.

Der Senior haftet auch für das Verhalten seiner Leute während
der Heerfahrt. Er hat Rechenschaft zu leisten für Friedensbrüche,
die seine Leute (qui in suo obsequio pergunt) auf der Heerfahrt be-
gehen 54. Der Senior muſs Buſse zahlen und Strafe leiden, wenn er
es versäumt, dafür zu sorgen, daſs Raub und Plünderung gebüſst und
geahndet werde, die seine Leute auf der Heerfahrt sich zu Schulden
kommen lassen. Demnach hatten die Senioren zur Aufrechthaltung
der Manneszucht militärische Strafgewalt, wie sie über die freien Gau-
leute des Heeres der Graf besaſs 55.

Vom Heerdienst waren die Geistlichen befreit, weil ihnen kano-
nische Satzung verbot, Waffen zu tragen 56. Dieser Grundsatz fand
aber nur auf Priester und Mönche unbeschränkte Anwendung, dagegen
nicht auf Bischöfe und Äbte. Schon in merowingischer Zeit nahmen
Bischöfe an Feldzügen, ja auch am Schlachtengetümmel teil. Im

51 Siehe oben S. 165.
52 Cap. de exercitu promovendo c. 3, I 137.
53 Cap. Bonon. v. J. 811, c. 9, I 167: .. ipse pro eo eundem bannum per-
solvat et tot heribanni ab eo exigantur, quot homines domi dimisit.
54 Admonitio 823—825, c. 17, I 305: ut ille de eorum factis rationem se sciat
redditurum et quicquid ipsi in pace violanda dereliquerint, ad ipsius debet plivium
pervenire. Vgl. Kar. Ep. ad Fulradum, Cap. I 168: qualiter absencia domini locum
non det hominibus eius mala faciendi.
55 Conv. Silvacensis v. J. 853, c. 13, LL I 425: in seniore hoc emendamus ..
quatenus homines suos in potestate habeat. Const. de exped. Benev. v. J. 866,
c. 9, II 96. Vgl. Benedictus VI 382: dignum enim est, ut magistri vel seniores pro
sibi commissis reddant rationes, si aliquid praedae egerint aut iniuste fecerint eo
quod eos ita correctos non habent, ut talia non audeant perpetrare. Über die
entsprechende Haftung des Grafen siehe Lex Baiuw. II 5. Die Vorschrift der Ad-
monitio 823—825, c. 17, I 305: ut cognoscat unusquisque omnes, qui in suo obse-
quio in tali itinere pergunt, sive sui sint sive alieni, ut ille de eorum factis
u. s. w., wie oben Anm. 54, gilt auch für den Grafen. Nur der öffentliche Beamte
kommt in Betracht als Führer von Mannschaften, die nicht seine homines (sui) sind.
56 E. Loening, Kirchenrecht II 312. Waitz, VG IV 592, Anm. 1. Freie
Leute traten in den geistlichen Stand ein, um sich von der Dienstpflicht zu be-
freien. Cap. miss. Theod. primum v. J. 805, c. 10, I 122. Der Eintritt in den
Klerus war daher an königliche Zustimmung gebunden. Marculf I 19, Cap. miss.
Theod. sec. v. J. 805, c. 15, I 125.
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[214/0232] § 87. Wehrpflicht und Heerwesen. ordentlichen Missi oder besonderen haribannatores übertragen 51. Der Senior verwirkt ebenso wie der Graf die Heerbannbuſse, wenn er einen Dienstfähigen rechtswidriger Weise vom Aufgebote enthebt 52. Nach einem Kapitular von 811 wetten Senior und Graf den Königs- bann für jeden Mann, den sie daheim bleiben lieſsen 53. Die Haftung des Seniors ist, wie man sieht, der Haftung des Grafen völlig gleich- gestellt. Der Senior haftet auch für das Verhalten seiner Leute während der Heerfahrt. Er hat Rechenschaft zu leisten für Friedensbrüche, die seine Leute (qui in suo obsequio pergunt) auf der Heerfahrt be- gehen 54. Der Senior muſs Buſse zahlen und Strafe leiden, wenn er es versäumt, dafür zu sorgen, daſs Raub und Plünderung gebüſst und geahndet werde, die seine Leute auf der Heerfahrt sich zu Schulden kommen lassen. Demnach hatten die Senioren zur Aufrechthaltung der Manneszucht militärische Strafgewalt, wie sie über die freien Gau- leute des Heeres der Graf besaſs 55. Vom Heerdienst waren die Geistlichen befreit, weil ihnen kano- nische Satzung verbot, Waffen zu tragen 56. Dieser Grundsatz fand aber nur auf Priester und Mönche unbeschränkte Anwendung, dagegen nicht auf Bischöfe und Äbte. Schon in merowingischer Zeit nahmen Bischöfe an Feldzügen, ja auch am Schlachtengetümmel teil. Im 51 Siehe oben S. 165. 52 Cap. de exercitu promovendo c. 3, I 137. 53 Cap. Bonon. v. J. 811, c. 9, I 167: .. ipse pro eo eundem bannum per- solvat et tot heribanni ab eo exigantur, quot homines domi dimisit. 54 Admonitio 823—825, c. 17, I 305: ut ille de eorum factis rationem se sciat redditurum et quicquid ipsi in pace violanda dereliquerint, ad ipsius debet plivium pervenire. Vgl. Kar. Ep. ad Fulradum, Cap. I 168: qualiter absencia domini locum non det hominibus eius mala faciendi. 55 Conv. Silvacensis v. J. 853, c. 13, LL I 425: in seniore hoc emendamus .. quatenus homines suos in potestate habeat. Const. de exped. Benev. v. J. 866, c. 9, II 96. Vgl. Benedictus VI 382: dignum enim est, ut magistri vel seniores pro sibi commissis reddant rationes, si aliquid praedae egerint aut iniuste fecerint eo quod eos ita correctos non habent, ut talia non audeant perpetrare. Über die entsprechende Haftung des Grafen siehe Lex Baiuw. II 5. Die Vorschrift der Ad- monitio 823—825, c. 17, I 305: ut cognoscat unusquisque omnes, qui in suo obse- quio in tali itinere pergunt, sive sui sint sive alieni, ut ille de eorum factis u. s. w., wie oben Anm. 54, gilt auch für den Grafen. Nur der öffentliche Beamte kommt in Betracht als Führer von Mannschaften, die nicht seine homines (sui) sind. 56 E. Loening, Kirchenrecht II 312. Waitz, VG IV 592, Anm. 1. Freie Leute traten in den geistlichen Stand ein, um sich von der Dienstpflicht zu be- freien. Cap. miss. Theod. primum v. J. 805, c. 10, I 122. Der Eintritt in den Klerus war daher an königliche Zustimmung gebunden. Marculf I 19, Cap. miss. Theod. sec. v. J. 805, c. 15, I 125.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/232>, abgerufen am 22.11.2024.