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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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und als römischer Kaiser.
seinem Geschlechte zu verbinden. Dabei schwebte ihm nicht etwa
jenes Pfaffenkaisertum vor Augen, wie es nachmals die Kurie auszu-
gestalten versuchte, sondern, weit davon entfernt, den Papst als Kon-
ferenten der Kaiserkrone zu betrachten, nahm er für die Bestimmung
der Nachfolge in das Kaisertum die weltliche Kaiserkrönung des byzan-
tinischen Hofes zum Muster25. Mit Zustimmung der fränkischen
Grossen erhob er 813 seinen Sohn Ludwig I. zum Mitkaiser, indem
er ihm befahl, die auf dem Altar liegende Kaiserkrone zu ergreifen
und sich auf das Haupt zu setzen26. Ebenso empfing Lothar I. die
Kaiserkrone von der Hand seines Vaters, Ludwigs I., als dieser ihn
zum Mitregenten ernannte27. Das Kaisertum galt als Annex, oder
wenn man will als Potenzierung des fränkischen Königtums. Weil die
Krönung für dieses nur formelle, nicht staatsrechtliche Bedeutung
hatte, datieren weder Ludwig I. noch Lothar I. ihre Regierungsjahre
nach dem Tage der Kaiserkrönung28.

So war es trotz des Vorgangs vom Jahre 800 unzweifelhafter
Rechtssatz geworden, dass das Kaisertum sich aus sich selbst heraus,
ohne Mitwirkung des Papstes, erneuern könne. Die Päpste selbst haben
ihn nicht nur nicht bestritten, sondern anerkannt29. Nichtsdestoweniger
verfolgten sie unentwegt das Ziel, die Erhebung des Kaisers zu einem
päpstlichen Monopol zu gestalten. Zunächst mussten sie sich darauf
beschränken, der väterlichen Krönung eine päpstliche folgen zu lassen.
Stefan IV. ging 816 über die Alpen, um Ludwig I. in Reims zu
salben und zu krönen. Es war die erste Kaiserkrönung, der die
Salbung vorausging. Die Krönung geschah mit einer vom Papste mit-
gebrachten Krone, und zwar nach der Nachricht eines Zeitgenossen

25 Das byzantinische Staatsrecht kennt eine kirchliche und eine weltliche
Krönung. Jene vollzieht der Patriarch von Konstantinopel, diese der Kaiser, der
seinen designierten Nachfolger zum Mitregenten erhebt. Constantinus Porphyro-
genitus, De cerimon. I 94; II 27.
26 Mühlbacher Nr. 466 b. Per coronam auream tradidit ei imperium po-
puli sagt das Chron. Moiss.
27 Mühlbacher Nr. 627 a.
28 Ludwig I. datiert vom Todestage des Vaters. Th. Sickel, Urkunden-
lehre I 265 ff. Lothar entweder vom Jahre seiner Mündigkeit (820) oder seit der
Ankunft in Italien (822). Mühlbacher, Wiener SB LXXXV 467 f.
29 Papst Paschalis I. rechnet das Kaisertum Ludwigs I., wie dieser selbst,
seit dem Tode Karls des Grossen, nicht wie Scheffer-Boichorst, Mittheil. des
Inst. f. österr. Gf. X 308 behauptet und wie seine Polemik, wenn sie schlüssig sein
will, voraussetzt, seit der Krönung von 813. Der Kritiker hätte sich über den
richtigen Sachverhalt bei Simson, Ludwig d. Fr. I 74, oder bei Hinschius,
Kirchenrecht IV 1, S. 159, Anm., orientieren können.

und als römischer Kaiser.
seinem Geschlechte zu verbinden. Dabei schwebte ihm nicht etwa
jenes Pfaffenkaisertum vor Augen, wie es nachmals die Kurie auszu-
gestalten versuchte, sondern, weit davon entfernt, den Papst als Kon-
ferenten der Kaiserkrone zu betrachten, nahm er für die Bestimmung
der Nachfolge in das Kaisertum die weltliche Kaiserkrönung des byzan-
tinischen Hofes zum Muster25. Mit Zustimmung der fränkischen
Groſsen erhob er 813 seinen Sohn Ludwig I. zum Mitkaiser, indem
er ihm befahl, die auf dem Altar liegende Kaiserkrone zu ergreifen
und sich auf das Haupt zu setzen26. Ebenso empfing Lothar I. die
Kaiserkrone von der Hand seines Vaters, Ludwigs I., als dieser ihn
zum Mitregenten ernannte27. Das Kaisertum galt als Annex, oder
wenn man will als Potenzierung des fränkischen Königtums. Weil die
Krönung für dieses nur formelle, nicht staatsrechtliche Bedeutung
hatte, datieren weder Ludwig I. noch Lothar I. ihre Regierungsjahre
nach dem Tage der Kaiserkrönung28.

So war es trotz des Vorgangs vom Jahre 800 unzweifelhafter
Rechtssatz geworden, daſs das Kaisertum sich aus sich selbst heraus,
ohne Mitwirkung des Papstes, erneuern könne. Die Päpste selbst haben
ihn nicht nur nicht bestritten, sondern anerkannt29. Nichtsdestoweniger
verfolgten sie unentwegt das Ziel, die Erhebung des Kaisers zu einem
päpstlichen Monopol zu gestalten. Zunächst muſsten sie sich darauf
beschränken, der väterlichen Krönung eine päpstliche folgen zu lassen.
Stefan IV. ging 816 über die Alpen, um Ludwig I. in Reims zu
salben und zu krönen. Es war die erste Kaiserkrönung, der die
Salbung vorausging. Die Krönung geschah mit einer vom Papste mit-
gebrachten Krone, und zwar nach der Nachricht eines Zeitgenossen

25 Das byzantinische Staatsrecht kennt eine kirchliche und eine weltliche
Krönung. Jene vollzieht der Patriarch von Konstantinopel, diese der Kaiser, der
seinen designierten Nachfolger zum Mitregenten erhebt. Constantinus Porphyro-
genitus, De cerimon. I 94; II 27.
26 Mühlbacher Nr. 466 b. Per coronam auream tradidit ei imperium po-
puli sagt das Chron. Moiss.
27 Mühlbacher Nr. 627 a.
28 Ludwig I. datiert vom Todestage des Vaters. Th. Sickel, Urkunden-
lehre I 265 ff. Lothar entweder vom Jahre seiner Mündigkeit (820) oder seit der
Ankunft in Italien (822). Mühlbacher, Wiener SB LXXXV 467 f.
29 Papst Paschalis I. rechnet das Kaisertum Ludwigs I., wie dieser selbst,
seit dem Tode Karls des Groſsen, nicht wie Scheffer-Boichorst, Mittheil. des
Inst. f. österr. Gf. X 308 behauptet und wie seine Polemik, wenn sie schlüssig sein
will, voraussetzt, seit der Krönung von 813. Der Kritiker hätte sich über den
richtigen Sachverhalt bei Simson, Ludwig d. Fr. I 74, oder bei Hinschius,
Kirchenrecht IV 1, S. 159, Anm., orientieren können.
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[89/0107] und als römischer Kaiser. seinem Geschlechte zu verbinden. Dabei schwebte ihm nicht etwa jenes Pfaffenkaisertum vor Augen, wie es nachmals die Kurie auszu- gestalten versuchte, sondern, weit davon entfernt, den Papst als Kon- ferenten der Kaiserkrone zu betrachten, nahm er für die Bestimmung der Nachfolge in das Kaisertum die weltliche Kaiserkrönung des byzan- tinischen Hofes zum Muster 25. Mit Zustimmung der fränkischen Groſsen erhob er 813 seinen Sohn Ludwig I. zum Mitkaiser, indem er ihm befahl, die auf dem Altar liegende Kaiserkrone zu ergreifen und sich auf das Haupt zu setzen 26. Ebenso empfing Lothar I. die Kaiserkrone von der Hand seines Vaters, Ludwigs I., als dieser ihn zum Mitregenten ernannte 27. Das Kaisertum galt als Annex, oder wenn man will als Potenzierung des fränkischen Königtums. Weil die Krönung für dieses nur formelle, nicht staatsrechtliche Bedeutung hatte, datieren weder Ludwig I. noch Lothar I. ihre Regierungsjahre nach dem Tage der Kaiserkrönung 28. So war es trotz des Vorgangs vom Jahre 800 unzweifelhafter Rechtssatz geworden, daſs das Kaisertum sich aus sich selbst heraus, ohne Mitwirkung des Papstes, erneuern könne. Die Päpste selbst haben ihn nicht nur nicht bestritten, sondern anerkannt 29. Nichtsdestoweniger verfolgten sie unentwegt das Ziel, die Erhebung des Kaisers zu einem päpstlichen Monopol zu gestalten. Zunächst muſsten sie sich darauf beschränken, der väterlichen Krönung eine päpstliche folgen zu lassen. Stefan IV. ging 816 über die Alpen, um Ludwig I. in Reims zu salben und zu krönen. Es war die erste Kaiserkrönung, der die Salbung vorausging. Die Krönung geschah mit einer vom Papste mit- gebrachten Krone, und zwar nach der Nachricht eines Zeitgenossen 25 Das byzantinische Staatsrecht kennt eine kirchliche und eine weltliche Krönung. Jene vollzieht der Patriarch von Konstantinopel, diese der Kaiser, der seinen designierten Nachfolger zum Mitregenten erhebt. Constantinus Porphyro- genitus, De cerimon. I 94; II 27. 26 Mühlbacher Nr. 466 b. Per coronam auream tradidit ei imperium po- puli sagt das Chron. Moiss. 27 Mühlbacher Nr. 627 a. 28 Ludwig I. datiert vom Todestage des Vaters. Th. Sickel, Urkunden- lehre I 265 ff. Lothar entweder vom Jahre seiner Mündigkeit (820) oder seit der Ankunft in Italien (822). Mühlbacher, Wiener SB LXXXV 467 f. 29 Papst Paschalis I. rechnet das Kaisertum Ludwigs I., wie dieser selbst, seit dem Tode Karls des Groſsen, nicht wie Scheffer-Boichorst, Mittheil. des Inst. f. österr. Gf. X 308 behauptet und wie seine Polemik, wenn sie schlüssig sein will, voraussetzt, seit der Krönung von 813. Der Kritiker hätte sich über den richtigen Sachverhalt bei Simson, Ludwig d. Fr. I 74, oder bei Hinschius, Kirchenrecht IV 1, S. 159, Anm., orientieren können.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/107>, abgerufen am 25.11.2024.