Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.§ 7. Das Germanentum im römischen Reich. Abgaben an den Grundherrn. Andrerseits ist er als membrum terraean die Scholle gebunden 5 und ist diese Gebundenheit eine erbliche. Die Ansiedlung von Kolonen diente zur Ausfüllung der Lücken, welche die Barbareneinfälle im Verein mit dem Druck der Rekrutierung und der Verwaltung in die Reihen des römischen Bauernstandes rissen. Der Kolonat ergänzte aber nicht bloss den römischen Bauernstand, sondern auch die römische Armee, denn die Grundherren waren ver- pflichtet, ihre Kolonen als Rekruten zu stellen. Ausgehobene Kolonen bildeten den Kern der Heere, mit welchen das Reich die Schlachten der Völkerwanderung schlug 6. Die Entstehung des Kolonats ist streitig 7. Dass er auf germanische Einflüsse zurückzuführen sei, hat vieles für sich. Denn die Gebundenheit und die Erblichkeit des Ver- hältnisses sind unrömische Züge. Vermutlich war es gerade die Rück- sicht auf die Einstellung in das Reichsheer, welches Unfreie grund- sätzlich ausschloss, dass man die Barbaren nicht als Knechte, sondern als rechtlich freie, aber an die Scholle gebundene Kolonen ansiedelte 8. Wie dem auch sei, Thatsache ist, dass zahlreiche Germanen, ja ganze Völkerschaften auf römischem Boden namentlich in den Grenzprovinzen als Kolonen unter die Grundbesitzer und auf den kaiserlichen Domänen verteilt wurden 9, um dem Reiche Bauern und Soldaten zu liefern. Höher als die Kolonen 10 stehen die seit dem Ausgang des dritten 5 Cod. Just. XI 48, 23. Über die Stellung der Kolonen s. Karlowa, Röm. RG S 918 f. 6 Mommsen, Conscriptionsordnung, Hermes XIX 18. 7 v. Savigny, Vermischte Schriften II 1. Zumpt, Die Entstehung und hist. Entwicklung des Kolonats, Rhein. Museum 1843 III 1. Giraud a. O. S 148. Revillout, Histoire du colonat, Revue hist. de droit francais et etranger 1857 III 216. Mommsen im Hermes XV 408. Jung a. O. S 357. Heisterbergk, Die Entstehung des Kolonats, 1876. Mommsen, Römische Geschichte V 216. Fustel de Coulanges, Recherches sur quelques problemes d'histoire, 1885. Esmein, Melanges d'hist. du droit, 1886, S 293. Karlowa, Röm. RG S 918 f. 8 Vgl. Mommsen, Hermes XV 408, XIX 18. 9 Cod. Theod. V 4, 3: Scyras barbaram nationem ... imperio nostro subegi- mus. Ideoque damus omnibus copiam ex praedicta gente hominum agros proprios frequentandi, ita ut omnes sciant susceptos non alio iure quam colonatus apud se futuros. 10 Im 5. Jahrh. gilt die Ehe der Läten mit Kolonen für eine ungleiche Ehe, aus welcher die Kinder dem Herrn der Kolonen zufallen. Nov. Severi II 1 bei Haenel c. 338, aber nur lückenhaft. Vervollständigt bei Bluhme, MG LL III 624. 11 Böcking, Notitia dignitatum II 1044. Giraud, Essai I 184. v. Beth-
mann-Hollweg a. O. S 113. v. Wietersheim I 322. § 7. Das Germanentum im römischen Reich. Abgaben an den Grundherrn. Andrerseits ist er als membrum terraean die Scholle gebunden 5 und ist diese Gebundenheit eine erbliche. Die Ansiedlung von Kolonen diente zur Ausfüllung der Lücken, welche die Barbareneinfälle im Verein mit dem Druck der Rekrutierung und der Verwaltung in die Reihen des römischen Bauernstandes rissen. Der Kolonat ergänzte aber nicht bloſs den römischen Bauernstand, sondern auch die römische Armee, denn die Grundherren waren ver- pflichtet, ihre Kolonen als Rekruten zu stellen. Ausgehobene Kolonen bildeten den Kern der Heere, mit welchen das Reich die Schlachten der Völkerwanderung schlug 6. Die Entstehung des Kolonats ist streitig 7. Daſs er auf germanische Einflüsse zurückzuführen sei, hat vieles für sich. Denn die Gebundenheit und die Erblichkeit des Ver- hältnisses sind unrömische Züge. Vermutlich war es gerade die Rück- sicht auf die Einstellung in das Reichsheer, welches Unfreie grund- sätzlich ausschloſs, daſs man die Barbaren nicht als Knechte, sondern als rechtlich freie, aber an die Scholle gebundene Kolonen ansiedelte 8. Wie dem auch sei, Thatsache ist, daſs zahlreiche Germanen, ja ganze Völkerschaften auf römischem Boden namentlich in den Grenzprovinzen als Kolonen unter die Grundbesitzer und auf den kaiserlichen Domänen verteilt wurden 9, um dem Reiche Bauern und Soldaten zu liefern. Höher als die Kolonen 10 stehen die seit dem Ausgang des dritten 5 Cod. Just. XI 48, 23. Über die Stellung der Kolonen s. Karlowa, Röm. RG S 918 f. 6 Mommsen, Conscriptionsordnung, Hermes XIX 18. 7 v. Savigny, Vermischte Schriften II 1. Zumpt, Die Entstehung und hist. Entwicklung des Kolonats, Rhein. Museum 1843 III 1. Giraud a. O. S 148. Revillout, Histoire du colonat, Revue hist. de droit français et étranger 1857 III 216. Mommsen im Hermes XV 408. Jung a. O. S 357. Heisterbergk, Die Entstehung des Kolonats, 1876. Mommsen, Römische Geschichte V 216. Fustel de Coulanges, Recherches sur quelques problèmes d’histoire, 1885. Esmein, Mélanges d’hist. du droit, 1886, S 293. Karlowa, Röm. RG S 918 f. 8 Vgl. Mommsen, Hermes XV 408, XIX 18. 9 Cod. Theod. V 4, 3: Scyras barbaram nationem … imperio nostro subegi- mus. Ideoque damus omnibus copiam ex praedicta gente hominum agros proprios frequentandi, ita ut omnes sciant susceptos non alio iure quam colonatus apud se futuros. 10 Im 5. Jahrh. gilt die Ehe der Läten mit Kolonen für eine ungleiche Ehe, aus welcher die Kinder dem Herrn der Kolonen zufallen. Nov. Severi II 1 bei Haenel c. 338, aber nur lückenhaft. Vervollständigt bei Bluhme, MG LL III 624. 11 Böcking, Notitia dignitatum II 1044. Giraud, Essai I 184. v. Beth-
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§ 7. Das Germanentum im römischen Reich.
Abgaben an den Grundherrn. Andrerseits ist er als membrum terrae
an die Scholle gebunden 5 und ist diese Gebundenheit eine erbliche.
Die Ansiedlung von Kolonen diente zur Ausfüllung der Lücken, welche
die Barbareneinfälle im Verein mit dem Druck der Rekrutierung und
der Verwaltung in die Reihen des römischen Bauernstandes rissen.
Der Kolonat ergänzte aber nicht bloſs den römischen Bauernstand,
sondern auch die römische Armee, denn die Grundherren waren ver-
pflichtet, ihre Kolonen als Rekruten zu stellen. Ausgehobene Kolonen
bildeten den Kern der Heere, mit welchen das Reich die Schlachten
der Völkerwanderung schlug 6. Die Entstehung des Kolonats ist
streitig 7. Daſs er auf germanische Einflüsse zurückzuführen sei, hat
vieles für sich. Denn die Gebundenheit und die Erblichkeit des Ver-
hältnisses sind unrömische Züge. Vermutlich war es gerade die Rück-
sicht auf die Einstellung in das Reichsheer, welches Unfreie grund-
sätzlich ausschloſs, daſs man die Barbaren nicht als Knechte, sondern
als rechtlich freie, aber an die Scholle gebundene Kolonen ansiedelte 8.
Wie dem auch sei, Thatsache ist, daſs zahlreiche Germanen, ja ganze
Völkerschaften auf römischem Boden namentlich in den Grenzprovinzen
als Kolonen unter die Grundbesitzer und auf den kaiserlichen Domänen
verteilt wurden 9, um dem Reiche Bauern und Soldaten zu liefern.
Höher als die Kolonen 10 stehen die seit dem Ausgang des dritten
Jahrhunderts begegnenden Laeti 11, geschlossene Haufen von über-
5 Cod. Just. XI 48, 23. Über die Stellung der Kolonen s. Karlowa, Röm.
RG S 918 f.
6 Mommsen, Conscriptionsordnung, Hermes XIX 18.
7 v. Savigny, Vermischte Schriften II 1. Zumpt, Die Entstehung und
hist. Entwicklung des Kolonats, Rhein. Museum 1843 III 1. Giraud a. O. S 148.
Revillout, Histoire du colonat, Revue hist. de droit français et étranger 1857
III 216. Mommsen im Hermes XV 408. Jung a. O. S 357. Heisterbergk,
Die Entstehung des Kolonats, 1876. Mommsen, Römische Geschichte V 216.
Fustel de Coulanges, Recherches sur quelques problèmes d’histoire, 1885.
Esmein, Mélanges d’hist. du droit, 1886, S 293. Karlowa, Röm. RG S 918 f.
8 Vgl. Mommsen, Hermes XV 408, XIX 18.
9 Cod. Theod. V 4, 3: Scyras barbaram nationem … imperio nostro subegi-
mus. Ideoque damus omnibus copiam ex praedicta gente hominum agros proprios
frequentandi, ita ut omnes sciant susceptos non alio iure quam colonatus apud se
futuros.
10 Im 5. Jahrh. gilt die Ehe der Läten mit Kolonen für eine ungleiche Ehe,
aus welcher die Kinder dem Herrn der Kolonen zufallen. Nov. Severi II 1 bei
Haenel c. 338, aber nur lückenhaft. Vervollständigt bei Bluhme, MG LL
III 624.
11 Böcking, Notitia dignitatum II 1044. Giraud, Essai I 184. v. Beth-
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