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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

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könne oder modern sein muss?" Der Liebhaber mag
sich durch die so gestellte Frage seine Freude an dem Werke
allerdings wahren. Für die Wissenschaft ist sie jedoch gleich-
bedeutend mit einem Zweifel an der Echtheit.

Auch der folgende Stein bedarf, namentlich da über
seine Herkunft nichts bekannt ist und er zugleich mit meh-
reren anderen bis jetzt noch nicht hinlänglich beglaubigten
aus einer einzigen Privatsammlung bekannt geworden ist,
noch einer gründlichen Prüfung. Ich vermag hier blos den
Bericht des jetzigen Besitzers, F. v. Pulszky, in Gerhard's
Arch. Anz. 1854, S. 433 mitzutheilen: "Der wichtigste Stein
der Fejervari'schen Gemmen, die mit einem Namen bezeich-
net sind, ist die Muse, die im Cataloge unter Nr. 179 be-
schrieben ist. Es ist ein wunderschöner dunkelrother Sard
von intensivem Feuer. Der Name [fremdsprachliches Material - fehlt] ist meiner
Ansicht nach echt; denn es ist augenscheinlich, dass der
Künstler etwas mehr Raum nach der linken Seite liess, um
Platz für den Namen zu machen. Der Styl dieses Kunst-
werkes ist nicht jener des Blacas'schen Augustus oder des
durch Winckelmann publicirten Demosthenes. Er ist ganz
jenem der Poniatowski'schen lo gleich, die Köhler für zu
gut hält, als dass sie von Dioskurides geschnitten sein
könnte!"

Wir gehen jetzt zu der langen Reihe von Gemmen mit
dem Namen des Dioskurides über, die sämmtlich mehr oder
minder verdächtig, zum grossen Theil sogar offenbar falsch
sind. Wir beginnen mit einem Carneol, der aus der Stoschi-
schen Sammlung in den Besitz des Grafen Carlisle kam.
Dargestellt ist Hermes, der Körper im Profil, der Kopf en
face; von der linken Schulter hängt die Chlamys herab; in
der Rechten trägt er den Caduceus, in der Linken eine Schale,
auf der ein Widderkopf liegt; hinter ihm: [fremdsprachliches Material - fehlt]:
[Natter Methode pl. 28; Lippert I, 331]; Bracci II, t. 64;
Raspe 2311; (Copie 2312); Cades I, K, 43; Köhler S. 118.
Ob der blasse Carneol, wie Köhler meint, einen Beweis mo-
dernen Ursprungs liefert, vermag ich nicht zu beurtheilen.
Dagegen muss ich namentlich bei einem Vergleich mit dem
an erster Stelle besprochenen Hermes nach meinem subje-
ctiven Gefühl Köhler's Urtheil billigen, der in diesem zweiten
Steine "keine kräftige vom Geiste des Alterthums durch-

könne oder modern sein muss?‟ Der Liebhaber mag
sich durch die so gestellte Frage seine Freude an dem Werke
allerdings wahren. Für die Wissenschaft ist sie jedoch gleich-
bedeutend mit einem Zweifel an der Echtheit.

Auch der folgende Stein bedarf, namentlich da über
seine Herkunft nichts bekannt ist und er zugleich mit meh-
reren anderen bis jetzt noch nicht hinlänglich beglaubigten
aus einer einzigen Privatsammlung bekannt geworden ist,
noch einer gründlichen Prüfung. Ich vermag hier blos den
Bericht des jetzigen Besitzers, F. v. Pulszky, in Gerhard’s
Arch. Anz. 1854, S. 433 mitzutheilen: „Der wichtigste Stein
der Fejervari’schen Gemmen, die mit einem Namen bezeich-
net sind, ist die Muse, die im Cataloge unter Nr. 179 be-
schrieben ist. Es ist ein wunderschöner dunkelrother Sard
von intensivem Feuer. Der Name [fremdsprachliches Material – fehlt] ist meiner
Ansicht nach echt; denn es ist augenscheinlich, dass der
Künstler etwas mehr Raum nach der linken Seite liess, um
Platz für den Namen zu machen. Der Styl dieses Kunst-
werkes ist nicht jener des Blacas’schen Augustus oder des
durch Winckelmann publicirten Demosthenes. Er ist ganz
jenem der Poniatowski’schen lo gleich, die Köhler für zu
gut hält, als dass sie von Dioskurides geschnitten sein
könnte!‟

Wir gehen jetzt zu der langen Reihe von Gemmen mit
dem Namen des Dioskurides über, die sämmtlich mehr oder
minder verdächtig, zum grossen Theil sogar offenbar falsch
sind. Wir beginnen mit einem Carneol, der aus der Stoschi-
schen Sammlung in den Besitz des Grafen Carlisle kam.
Dargestellt ist Hermes, der Körper im Profil, der Kopf en
face; von der linken Schulter hängt die Chlamys herab; in
der Rechten trägt er den Caduceus, in der Linken eine Schale,
auf der ein Widderkopf liegt; hinter ihm: [fremdsprachliches Material – fehlt]:
[Natter Méthode pl. 28; Lippert I, 331]; Bracci II, t. 64;
Raspe 2311; (Copie 2312); Cades I, K, 43; Köhler S. 118.
Ob der blasse Carneol, wie Köhler meint, einen Beweis mo-
dernen Ursprungs liefert, vermag ich nicht zu beurtheilen.
Dagegen muss ich namentlich bei einem Vergleich mit dem
an erster Stelle besprochenen Hermes nach meinem subje-
ctiven Gefühl Köhler’s Urtheil billigen, der in diesem zweiten
Steine „keine kräftige vom Geiste des Alterthums durch-

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[492/0509] könne oder modern sein muss?‟ Der Liebhaber mag sich durch die so gestellte Frage seine Freude an dem Werke allerdings wahren. Für die Wissenschaft ist sie jedoch gleich- bedeutend mit einem Zweifel an der Echtheit. Auch der folgende Stein bedarf, namentlich da über seine Herkunft nichts bekannt ist und er zugleich mit meh- reren anderen bis jetzt noch nicht hinlänglich beglaubigten aus einer einzigen Privatsammlung bekannt geworden ist, noch einer gründlichen Prüfung. Ich vermag hier blos den Bericht des jetzigen Besitzers, F. v. Pulszky, in Gerhard’s Arch. Anz. 1854, S. 433 mitzutheilen: „Der wichtigste Stein der Fejervari’schen Gemmen, die mit einem Namen bezeich- net sind, ist die Muse, die im Cataloge unter Nr. 179 be- schrieben ist. Es ist ein wunderschöner dunkelrother Sard von intensivem Feuer. Der Name _ ist meiner Ansicht nach echt; denn es ist augenscheinlich, dass der Künstler etwas mehr Raum nach der linken Seite liess, um Platz für den Namen zu machen. Der Styl dieses Kunst- werkes ist nicht jener des Blacas’schen Augustus oder des durch Winckelmann publicirten Demosthenes. Er ist ganz jenem der Poniatowski’schen lo gleich, die Köhler für zu gut hält, als dass sie von Dioskurides geschnitten sein könnte!‟ Wir gehen jetzt zu der langen Reihe von Gemmen mit dem Namen des Dioskurides über, die sämmtlich mehr oder minder verdächtig, zum grossen Theil sogar offenbar falsch sind. Wir beginnen mit einem Carneol, der aus der Stoschi- schen Sammlung in den Besitz des Grafen Carlisle kam. Dargestellt ist Hermes, der Körper im Profil, der Kopf en face; von der linken Schulter hängt die Chlamys herab; in der Rechten trägt er den Caduceus, in der Linken eine Schale, auf der ein Widderkopf liegt; hinter ihm: _ : [Natter Méthode pl. 28; Lippert I, 331]; Bracci II, t. 64; Raspe 2311; (Copie 2312); Cades I, K, 43; Köhler S. 118. Ob der blasse Carneol, wie Köhler meint, einen Beweis mo- dernen Ursprungs liefert, vermag ich nicht zu beurtheilen. Dagegen muss ich namentlich bei einem Vergleich mit dem an erster Stelle besprochenen Hermes nach meinem subje- ctiven Gefühl Köhler’s Urtheil billigen, der in diesem zweiten Steine „keine kräftige vom Geiste des Alterthums durch-

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/509>, abgerufen am 28.11.2024.