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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

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auf die übertriebene Vorliebe für die Kugeln an den Enden
der Buchstaben-Linien hingewiesen. Ich leugne nicht die
Richtigkeit dieser Bemerkungen; in ihrer Anwendung erhei-
schen sie jedoch sehr grosse Vorsicht, da die Grenzen des
Zuviel sich kaum bestimmt angeben lassen. Was namentlich
die Kugeln anlangt, so schränkt Stephani ihre Anwendung
im Alterthum in zu enge Grenzen ein und hat sich dadurch
verleiten lassen, manche nachweislich alte Inschrift zu ver-
dächtigen.

Orthographische Versehen und Fehler beweisen zwar
nicht unbedingt die Unechtheit einer Inschrift, indem sie ver-
einzelt auch in alten Inschriften vorkommen. Aber sie ver-
stärken den Verdacht, namentlich wenn sich mit Wahrschein-
lichkeit nachweisen lässt, wie der Fälscher in dem einzelnen
Falle dazu kam, den Fehler zu begehen, oder wenn der Feh-
ler sich öfter wiederholt (so z. B. die Form [fremdsprachliches Material - fehlt]).
Noch entscheidender ist es, wenn die Namensform geradezu
ungriechisch ist, wie [fremdsprachliches Material - fehlt]. -- Dass die Abkürzung [fremdsprachliches Material - fehlt]
für [fremdsprachliches Material - fehlt] nicht unbedingt ein Beweis der Fälschung ist, lehrt
die Inschrift des. Eutyches; doch giebt sie einen Grund zum
Verdacht ab, wo sie ohne eine äussere Veranlassung vor-
kömmt. -- Ueber fehlerhafte Zeilenabtheilung ist schon oben
gesprochen worden. In paläographischer Beziehung müssen
natürlich ungewöhnliche Buchstabenformen immer Anstoss
erregen, und eben so hebt Stephani mit Recht hervor, dass
Punkte an den Enden der Worte, wenn sie auch in der spä-
tern griechischen Epigraphik vorkommen, doch auf Gemmen-
und namentlich Künstlerinschriften noch nirgends als echt
nachgewiesen worden sind.

Weitere Gründe gegen die Echtheit fasst Stephani S. 191
unter der Bezeichnung "innere Widersprüche" zusam-
men. Als solche betrachtet er namentlich: a) Verschieden-
heit im Schnitt des Bildes und der Buchstaben; b) vertiefte
Buchstaben auf Cameen, was nur unter sehr starken, schon
früher hervorgehobenen Einschränkungen zugegeben werden
kann; c) den Ort der Inschrift, namentlich dann, wenn sie
auf fragmentirten Steinen so angebracht ist, dass sie die Ab-
sicht verräth, ein Gleichgewicht der Theile des Fragments,
nicht aber des Steins in seinem ursprünglichen, vollständigen
Zustande herzustellen. Vom Standpunkte der praktischen

auf die übertriebene Vorliebe für die Kugeln an den Enden
der Buchstaben-Linien hingewiesen. Ich leugne nicht die
Richtigkeit dieser Bemerkungen; in ihrer Anwendung erhei-
schen sie jedoch sehr grosse Vorsicht, da die Grenzen des
Zuviel sich kaum bestimmt angeben lassen. Was namentlich
die Kugeln anlangt, so schränkt Stephani ihre Anwendung
im Alterthum in zu enge Grenzen ein und hat sich dadurch
verleiten lassen, manche nachweislich alte Inschrift zu ver-
dächtigen.

Orthographische Versehen und Fehler beweisen zwar
nicht unbedingt die Unechtheit einer Inschrift, indem sie ver-
einzelt auch in alten Inschriften vorkommen. Aber sie ver-
stärken den Verdacht, namentlich wenn sich mit Wahrschein-
lichkeit nachweisen lässt, wie der Fälscher in dem einzelnen
Falle dazu kam, den Fehler zu begehen, oder wenn der Feh-
ler sich öfter wiederholt (so z. B. die Form [fremdsprachliches Material – fehlt]).
Noch entscheidender ist es, wenn die Namensform geradezu
ungriechisch ist, wie [fremdsprachliches Material – fehlt]. — Dass die Abkürzung [fremdsprachliches Material – fehlt]
für [fremdsprachliches Material – fehlt] nicht unbedingt ein Beweis der Fälschung ist, lehrt
die Inschrift des. Eutyches; doch giebt sie einen Grund zum
Verdacht ab, wo sie ohne eine äussere Veranlassung vor-
kömmt. — Ueber fehlerhafte Zeilenabtheilung ist schon oben
gesprochen worden. In paläographischer Beziehung müssen
natürlich ungewöhnliche Buchstabenformen immer Anstoss
erregen, und eben so hebt Stephani mit Recht hervor, dass
Punkte an den Enden der Worte, wenn sie auch in der spä-
tern griechischen Epigraphik vorkommen, doch auf Gemmen-
und namentlich Künstlerinschriften noch nirgends als echt
nachgewiesen worden sind.

Weitere Gründe gegen die Echtheit fasst Stephani S. 191
unter der Bezeichnung „innere Widersprüche‟ zusam-
men. Als solche betrachtet er namentlich: a) Verschieden-
heit im Schnitt des Bildes und der Buchstaben; b) vertiefte
Buchstaben auf Cameen, was nur unter sehr starken, schon
früher hervorgehobenen Einschränkungen zugegeben werden
kann; c) den Ort der Inschrift, namentlich dann, wenn sie
auf fragmentirten Steinen so angebracht ist, dass sie die Ab-
sicht verräth, ein Gleichgewicht der Theile des Fragments,
nicht aber des Steins in seinem ursprünglichen, vollständigen
Zustande herzustellen. Vom Standpunkte der praktischen

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[454/0471] auf die übertriebene Vorliebe für die Kugeln an den Enden der Buchstaben-Linien hingewiesen. Ich leugne nicht die Richtigkeit dieser Bemerkungen; in ihrer Anwendung erhei- schen sie jedoch sehr grosse Vorsicht, da die Grenzen des Zuviel sich kaum bestimmt angeben lassen. Was namentlich die Kugeln anlangt, so schränkt Stephani ihre Anwendung im Alterthum in zu enge Grenzen ein und hat sich dadurch verleiten lassen, manche nachweislich alte Inschrift zu ver- dächtigen. Orthographische Versehen und Fehler beweisen zwar nicht unbedingt die Unechtheit einer Inschrift, indem sie ver- einzelt auch in alten Inschriften vorkommen. Aber sie ver- stärken den Verdacht, namentlich wenn sich mit Wahrschein- lichkeit nachweisen lässt, wie der Fälscher in dem einzelnen Falle dazu kam, den Fehler zu begehen, oder wenn der Feh- ler sich öfter wiederholt (so z. B. die Form _ ). Noch entscheidender ist es, wenn die Namensform geradezu ungriechisch ist, wie _ . — Dass die Abkürzung _ für _ nicht unbedingt ein Beweis der Fälschung ist, lehrt die Inschrift des. Eutyches; doch giebt sie einen Grund zum Verdacht ab, wo sie ohne eine äussere Veranlassung vor- kömmt. — Ueber fehlerhafte Zeilenabtheilung ist schon oben gesprochen worden. In paläographischer Beziehung müssen natürlich ungewöhnliche Buchstabenformen immer Anstoss erregen, und eben so hebt Stephani mit Recht hervor, dass Punkte an den Enden der Worte, wenn sie auch in der spä- tern griechischen Epigraphik vorkommen, doch auf Gemmen- und namentlich Künstlerinschriften noch nirgends als echt nachgewiesen worden sind. Weitere Gründe gegen die Echtheit fasst Stephani S. 191 unter der Bezeichnung „innere Widersprüche‟ zusam- men. Als solche betrachtet er namentlich: a) Verschieden- heit im Schnitt des Bildes und der Buchstaben; b) vertiefte Buchstaben auf Cameen, was nur unter sehr starken, schon früher hervorgehobenen Einschränkungen zugegeben werden kann; c) den Ort der Inschrift, namentlich dann, wenn sie auf fragmentirten Steinen so angebracht ist, dass sie die Ab- sicht verräth, ein Gleichgewicht der Theile des Fragments, nicht aber des Steins in seinem ursprünglichen, vollständigen Zustande herzustellen. Vom Standpunkte der praktischen

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/471>, abgerufen am 17.06.2024.