Verkehr zwischen der kleinasiatischen Küste und dem eigent- lichen Griechenlande auch auf dem Gebiete der Kunst hin. Doch erstreckt sich diese keineswegs so weit, dass etwa die kleinasiatischen Kunstformen sofort in Griechenland Ein- gang gefunden hätten. Das Heraeon und der ephesische Tempel waren im ionischen Styl gebaut, die berühmtesten Werke dieser Periode in Griechenland sind dorisch. Am gewaltigsten tritt unter ihnen die Anlage des Zeustempels zu Athen hervor, an welcher vier Architekten, Antistates, Kallaeschros, Antimachides und Porinos thätig waren. Leider ward ihr Werk durch den Sturz der Pisistra- tiden unterbrochen. Den Zerstörungen der Perserkriege ist es wahrscheinlich zuzuschreiben, dass wir über andere athe- nische Bauten der älteren Zeit ohne Nachricht geblieben sind. Wie aber überhaupt die Uebermacht Athens jetzt noch nicht wie später hervortritt, so herrscht sein Einfluss auch noch nicht in der Architektur. Der Bau des Tempels zu Delphi zur Zeit der Pisistratiden ward, obwohl seine Leitung von dem athenischen Geschlechte der Alkmäoniden übernommen war, einem korinthischen Meister Spintharos übertragen. In Olympia aber ist der Architekt des Zeus- tempels, der in dieser Periode wenigstens begonnen sein wird, ein einheimischer Künstler, Libon, während später an Tempelbild und Giebelschmuck der attischen Kunst Gele- genheit geboten wird, sich zu verherrlichen.
Ueber andere Bauten, wie das Schatzhaus der Epidam- nier zu Olympia, ein Werk des Pyrrhos, Lakrates und Hermon, sind wir zu wenig unterrichtet, als dass wir zu bestimmen vermöchten, welche Bedeutung ihnen in architek- tonischer Beziehung zukömmt. -- In Sicilien und Griechen- land endlich sind zwar noch gewaltige Bauten aus dieser Zeit theilweise erhalten: über ihre Architekten aber mangeln alle Nachrichten.
Die Thätigkeit der bisher erwähnten Künstler beginnt zum Theil schon gegen die 50ste Olympiade, am regsten ist sie etwa zwischen Ol. 55 und 60; um die 65ste scheint sie erloschen, und von einem neuen Geschlechte, welches sie sofort wieder aufgenommen hätte, schweigt unsere Ueber- lieferung. Die Kämpfe mit den Persern, zuerst in Klein- asien, dann in Griechenland, erklären diese Unterbrechung
Verkehr zwischen der kleinasiatischen Küste und dem eigent- lichen Griechenlande auch auf dem Gebiete der Kunst hin. Doch erstreckt sich diese keineswegs so weit, dass etwa die kleinasiatischen Kunstformen sofort in Griechenland Ein- gang gefunden hätten. Das Heraeon und der ephesische Tempel waren im ionischen Styl gebaut, die berühmtesten Werke dieser Periode in Griechenland sind dorisch. Am gewaltigsten tritt unter ihnen die Anlage des Zeustempels zu Athen hervor, an welcher vier Architekten, Antistates, Kallaeschros, Antimachides und Porinos thätig waren. Leider ward ihr Werk durch den Sturz der Pisistra- tiden unterbrochen. Den Zerstörungen der Perserkriege ist es wahrscheinlich zuzuschreiben, dass wir über andere athe- nische Bauten der älteren Zeit ohne Nachricht geblieben sind. Wie aber überhaupt die Uebermacht Athens jetzt noch nicht wie später hervortritt, so herrscht sein Einfluss auch noch nicht in der Architektur. Der Bau des Tempels zu Delphi zur Zeit der Pisistratiden ward, obwohl seine Leitung von dem athenischen Geschlechte der Alkmäoniden übernommen war, einem korinthischen Meister Spintharos übertragen. In Olympia aber ist der Architekt des Zeus- tempels, der in dieser Periode wenigstens begonnen sein wird, ein einheimischer Künstler, Libon, während später an Tempelbild und Giebelschmuck der attischen Kunst Gele- genheit geboten wird, sich zu verherrlichen.
Ueber andere Bauten, wie das Schatzhaus der Epidam- nier zu Olympia, ein Werk des Pyrrhos, Lakrates und Hermon, sind wir zu wenig unterrichtet, als dass wir zu bestimmen vermöchten, welche Bedeutung ihnen in architek- tonischer Beziehung zukömmt. — In Sicilien und Griechen- land endlich sind zwar noch gewaltige Bauten aus dieser Zeit theilweise erhalten: über ihre Architekten aber mangeln alle Nachrichten.
Die Thätigkeit der bisher erwähnten Künstler beginnt zum Theil schon gegen die 50ste Olympiade, am regsten ist sie etwa zwischen Ol. 55 und 60; um die 65ste scheint sie erloschen, und von einem neuen Geschlechte, welches sie sofort wieder aufgenommen hätte, schweigt unsere Ueber- lieferung. Die Kämpfe mit den Persern, zuerst in Klein- asien, dann in Griechenland, erklären diese Unterbrechung
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Verkehr zwischen der kleinasiatischen Küste und dem eigent-
lichen Griechenlande auch auf dem Gebiete der Kunst hin.
Doch erstreckt sich diese keineswegs so weit, dass etwa
die kleinasiatischen Kunstformen sofort in Griechenland Ein-
gang gefunden hätten. Das Heraeon und der ephesische
Tempel waren im ionischen Styl gebaut, die berühmtesten
Werke dieser Periode in Griechenland sind dorisch. Am
gewaltigsten tritt unter ihnen die Anlage des Zeustempels
zu Athen hervor, an welcher vier Architekten, Antistates,
Kallaeschros, Antimachides und Porinos thätig
waren. Leider ward ihr Werk durch den Sturz der Pisistra-
tiden unterbrochen. Den Zerstörungen der Perserkriege ist
es wahrscheinlich zuzuschreiben, dass wir über andere athe-
nische Bauten der älteren Zeit ohne Nachricht geblieben
sind. Wie aber überhaupt die Uebermacht Athens jetzt
noch nicht wie später hervortritt, so herrscht sein Einfluss
auch noch nicht in der Architektur. Der Bau des Tempels
zu Delphi zur Zeit der Pisistratiden ward, obwohl seine
Leitung von dem athenischen Geschlechte der Alkmäoniden
übernommen war, einem korinthischen Meister Spintharos
übertragen. In Olympia aber ist der Architekt des Zeus-
tempels, der in dieser Periode wenigstens begonnen sein
wird, ein einheimischer Künstler, Libon, während später
an Tempelbild und Giebelschmuck der attischen Kunst Gele-
genheit geboten wird, sich zu verherrlichen.
Ueber andere Bauten, wie das Schatzhaus der Epidam-
nier zu Olympia, ein Werk des Pyrrhos, Lakrates und
Hermon, sind wir zu wenig unterrichtet, als dass wir zu
bestimmen vermöchten, welche Bedeutung ihnen in architek-
tonischer Beziehung zukömmt. — In Sicilien und Griechen-
land endlich sind zwar noch gewaltige Bauten aus dieser
Zeit theilweise erhalten: über ihre Architekten aber mangeln
alle Nachrichten.
Die Thätigkeit der bisher erwähnten Künstler beginnt
zum Theil schon gegen die 50ste Olympiade, am regsten ist
sie etwa zwischen Ol. 55 und 60; um die 65ste scheint sie
erloschen, und von einem neuen Geschlechte, welches sie
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen … [mehr]
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen Künstler" von Heinrich von Brunn enthält ebenfalls den "Zweiten Teil der ersten Abteilung", die im Deutschen Textarchiv als eigenständiges Werk verzeichnet ist.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/343>, abgerufen am 24.11.2024.
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