Ich glaube ferner die Vortheile, welche die Enkaustik bot, auch in Anschlag bringen zu müssen, wenn wir hören, dass Pausias in der Blumenmalerei keinen geringen Ruhm erwor- ben habe. Wenn wir freilich auch in diesem Genre von einem Meisterwerke eine hohe Vollendung der Zeichnung zu verlangen nicht umhin können, welche es sich namentlich zur Aufgabe zu setzen hat, den Wuchs, die Schwingung der Blätter, die Bildung und Entfaltung des Blüthenkelches im mannigfachen Wechsel der Lagen dem Organismus der Pflanze gemäss darzustellen, so hat man doch von jeher hier vor Allem nach Illusion durch die Farbe gestrebt, nach einem Wiedergeben jenes Schmelzes und jenes Reichthums von Farbentönen, die auch in der Wirklichkeit, weit mehr als die Form, das Auge anzuziehen pflegen. Dieses Ziel zu erreichen war aber erst durch eine vollendete Technik mög- lich, wie sie die Enkaustik bot. Doch wollen wir das Ver- dienst des Pausias nicht auf diese allein beschränken, son- dern es nach dem ausdrücklichen Zeugnisse des Plinius auch darauf ausdehnen, dass er nicht minder in der Anordnung der verschiedenen Blumen die reichste Mannigfaltigkeit zu entwickeln verstanden habe, was vom künstlerischen Stand- punkte einen feinen Sinn für Farbenzusammenstellung vor- aussetzt.
Blicken wir jetzt noch einmal auf die Leistungen des Pausias zurück, so können wir nicht behaupten, dass ihm in der Wahl und der innerlichen Auffassung der Gegenstände, im geistigen poetischen Schaffen ein hervorstechendes Ver- dienst gebühre. Selbst bei dem Stieropfer wird nicht das Poetische, sondern das Kunstreiche der Erfindung gepriesen. Bei dem Bilde der Methe kann der sonst so trockene Pau- sanias eine Bemerkung über das technische Verdienst nicht unterdrücken. Plinius aber sagt geradezu, dass er haupt- sächlich Kinder gemalt, also Darstellungen der naivsten Art geliebt habe. Ja es scheint sogar, dass er in der Wahl seiner Gegenstände nicht immer die Schranken strenger Sitte wahrte. Polemon nemlich in der Schrift über die Gemälde in Sikyon1) nennt unter den [fremdsprachliches Material - fehlt] neben Aristides und Nikophanes einen ganz unbekannten Maler Pausanias, an
1) bei Athen. XIII, p. 567 B.
Ich glaube ferner die Vortheile, welche die Enkaustik bot, auch in Anschlag bringen zu müssen, wenn wir hören, dass Pausias in der Blumenmalerei keinen geringen Ruhm erwor- ben habe. Wenn wir freilich auch in diesem Genre von einem Meisterwerke eine hohe Vollendung der Zeichnung zu verlangen nicht umhin können, welche es sich namentlich zur Aufgabe zu setzen hat, den Wuchs, die Schwingung der Blätter, die Bildung und Entfaltung des Blüthenkelches im mannigfachen Wechsel der Lagen dem Organismus der Pflanze gemäss darzustellen, so hat man doch von jeher hier vor Allem nach Illusion durch die Farbe gestrebt, nach einem Wiedergeben jenes Schmelzes und jenes Reichthums von Farbentönen, die auch in der Wirklichkeit, weit mehr als die Form, das Auge anzuziehen pflegen. Dieses Ziel zu erreichen war aber erst durch eine vollendete Technik mög- lich, wie sie die Enkaustik bot. Doch wollen wir das Ver- dienst des Pausias nicht auf diese allein beschränken, son- dern es nach dem ausdrücklichen Zeugnisse des Plinius auch darauf ausdehnen, dass er nicht minder in der Anordnung der verschiedenen Blumen die reichste Mannigfaltigkeit zu entwickeln verstanden habe, was vom künstlerischen Stand- punkte einen feinen Sinn für Farbenzusammenstellung vor- aussetzt.
Blicken wir jetzt noch einmal auf die Leistungen des Pausias zurück, so können wir nicht behaupten, dass ihm in der Wahl und der innerlichen Auffassung der Gegenstände, im geistigen poetischen Schaffen ein hervorstechendes Ver- dienst gebühre. Selbst bei dem Stieropfer wird nicht das Poetische, sondern das Kunstreiche der Erfindung gepriesen. Bei dem Bilde der Methe kann der sonst so trockene Pau- sanias eine Bemerkung über das technische Verdienst nicht unterdrücken. Plinius aber sagt geradezu, dass er haupt- sächlich Kinder gemalt, also Darstellungen der naivsten Art geliebt habe. Ja es scheint sogar, dass er in der Wahl seiner Gegenstände nicht immer die Schranken strenger Sitte wahrte. Polemon nemlich in der Schrift über die Gemälde in Sikyon1) nennt unter den [fremdsprachliches Material – fehlt] neben Aristides und Nikophanes einen ganz unbekannten Maler Pausanias, an
1) bei Athen. XIII, p. 567 B.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0169"n="152"/>
Ich glaube ferner die Vortheile, welche die Enkaustik bot,<lb/>
auch in Anschlag bringen zu müssen, wenn wir hören, dass<lb/>
Pausias in der Blumenmalerei keinen geringen Ruhm erwor-<lb/>
ben habe. Wenn wir freilich auch in diesem Genre von<lb/>
einem Meisterwerke eine hohe Vollendung der Zeichnung zu<lb/>
verlangen nicht umhin können, welche es sich namentlich<lb/>
zur Aufgabe zu setzen hat, den Wuchs, die Schwingung der<lb/>
Blätter, die Bildung und Entfaltung des Blüthenkelches im<lb/>
mannigfachen Wechsel der Lagen dem Organismus der<lb/>
Pflanze gemäss darzustellen, so hat man doch von jeher<lb/>
hier vor Allem nach Illusion durch die Farbe gestrebt, nach<lb/>
einem Wiedergeben jenes Schmelzes und jenes Reichthums<lb/>
von Farbentönen, die auch in der Wirklichkeit, weit mehr<lb/>
als die Form, das Auge anzuziehen pflegen. Dieses Ziel zu<lb/>
erreichen war aber erst durch eine vollendete Technik mög-<lb/>
lich, wie sie die Enkaustik bot. Doch wollen wir das Ver-<lb/>
dienst des Pausias nicht auf diese allein beschränken, son-<lb/>
dern es nach dem ausdrücklichen Zeugnisse des Plinius auch<lb/>
darauf ausdehnen, dass er nicht minder in der Anordnung<lb/>
der verschiedenen Blumen die reichste Mannigfaltigkeit zu<lb/>
entwickeln verstanden habe, was vom künstlerischen Stand-<lb/>
punkte einen feinen Sinn für Farbenzusammenstellung vor-<lb/>
aussetzt.</p><lb/><p>Blicken wir jetzt noch einmal auf die Leistungen des<lb/>
Pausias zurück, so können wir nicht behaupten, dass ihm in<lb/>
der Wahl und der innerlichen Auffassung der Gegenstände,<lb/>
im geistigen poetischen Schaffen ein hervorstechendes Ver-<lb/>
dienst gebühre. Selbst bei dem Stieropfer wird nicht das<lb/>
Poetische, sondern das Kunstreiche der Erfindung gepriesen.<lb/>
Bei dem Bilde der Methe kann der sonst so trockene Pau-<lb/>
sanias eine Bemerkung über das technische Verdienst nicht<lb/>
unterdrücken. Plinius aber sagt geradezu, dass er haupt-<lb/>
sächlich Kinder gemalt, also Darstellungen der naivsten Art<lb/>
geliebt habe. Ja es scheint sogar, dass er in der Wahl<lb/>
seiner Gegenstände nicht immer die Schranken strenger Sitte<lb/>
wahrte. Polemon nemlich in der Schrift über die Gemälde<lb/>
in Sikyon<noteplace="foot"n="1)">bei Athen. XIII, p. 567 B.</note> nennt unter den <foreignxml:lang="gre"><gapreason="fm"unit="words"/></foreign> neben Aristides und<lb/>
Nikophanes einen ganz unbekannten Maler Pausanias, an<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[152/0169]
Ich glaube ferner die Vortheile, welche die Enkaustik bot,
auch in Anschlag bringen zu müssen, wenn wir hören, dass
Pausias in der Blumenmalerei keinen geringen Ruhm erwor-
ben habe. Wenn wir freilich auch in diesem Genre von
einem Meisterwerke eine hohe Vollendung der Zeichnung zu
verlangen nicht umhin können, welche es sich namentlich
zur Aufgabe zu setzen hat, den Wuchs, die Schwingung der
Blätter, die Bildung und Entfaltung des Blüthenkelches im
mannigfachen Wechsel der Lagen dem Organismus der
Pflanze gemäss darzustellen, so hat man doch von jeher
hier vor Allem nach Illusion durch die Farbe gestrebt, nach
einem Wiedergeben jenes Schmelzes und jenes Reichthums
von Farbentönen, die auch in der Wirklichkeit, weit mehr
als die Form, das Auge anzuziehen pflegen. Dieses Ziel zu
erreichen war aber erst durch eine vollendete Technik mög-
lich, wie sie die Enkaustik bot. Doch wollen wir das Ver-
dienst des Pausias nicht auf diese allein beschränken, son-
dern es nach dem ausdrücklichen Zeugnisse des Plinius auch
darauf ausdehnen, dass er nicht minder in der Anordnung
der verschiedenen Blumen die reichste Mannigfaltigkeit zu
entwickeln verstanden habe, was vom künstlerischen Stand-
punkte einen feinen Sinn für Farbenzusammenstellung vor-
aussetzt.
Blicken wir jetzt noch einmal auf die Leistungen des
Pausias zurück, so können wir nicht behaupten, dass ihm in
der Wahl und der innerlichen Auffassung der Gegenstände,
im geistigen poetischen Schaffen ein hervorstechendes Ver-
dienst gebühre. Selbst bei dem Stieropfer wird nicht das
Poetische, sondern das Kunstreiche der Erfindung gepriesen.
Bei dem Bilde der Methe kann der sonst so trockene Pau-
sanias eine Bemerkung über das technische Verdienst nicht
unterdrücken. Plinius aber sagt geradezu, dass er haupt-
sächlich Kinder gemalt, also Darstellungen der naivsten Art
geliebt habe. Ja es scheint sogar, dass er in der Wahl
seiner Gegenstände nicht immer die Schranken strenger Sitte
wahrte. Polemon nemlich in der Schrift über die Gemälde
in Sikyon 1) nennt unter den _ neben Aristides und
Nikophanes einen ganz unbekannten Maler Pausanias, an
1) bei Athen. XIII, p. 567 B.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen … [mehr]
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen Künstler" von Heinrich von Brunn enthält ebenfalls den "Zweiten Teil der ersten Abteilung", die im Deutschen Textarchiv als eigenständiges Werk verzeichnet ist.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/169>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.