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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

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und über Boethos liess sich sicher nur ausmachen, dass
er nicht später, als etwa im Anfange des zweiten Jahrhun-
derts v. Ch. G. gelebt habe. Doch hindert uns nichts, ja
die mehrfache rühmliche Erwähnung bei Plinius, Cicero und
Pausanias giebt uns fast das Recht, ihn in eine ältere Zeit,
etwa die des Alexander hinaufzurücken. In dieser aber
kann die Stellung der Toreutik kaum eine andere gewesen
sein, als in der Periode des Phidias. Denn einzig von
Euphranor wird berichtet, dass er bei seiner sonstigen
Vielseitigkeit auch in diesem Kunstzweige Ausgezeichnetes
geleistet habe. Erst die Zeit der Diadochen scheint hier
einen Umschwung bewirkt zu haben. Zwar vermögen wir
in dieselbe mit voller Sicherheit ebenfalls nur wenige Künst-
ler, etwa Stratonikos, Alkon und Apelles, zu setzen;
aber wenn wir auch die lockere Zusammenstellung der be-
rühmtesten Toreuten bei Plinius (33, 156) keineswegs für
eine streng chronologische halten dürfen, so lässt doch z. B.
der Umstand, dass, wie Stratonikos aus Kyzikos, so Ari-
ston
und Eunikos aus Mytilene und Posidonios aus
Ephesos stammen, darauf schliessen, dass diese Männer eben
so wie durch ihre Geburt, so auch durch ihre ganze Thätig-
keit in die Zeit eines regen Kunstlebens in Kleinasien fallen;
und ein solches finden wir dort gerade in der Periode
der Diadochen. Bei andern Künstlern werden wir ferner
durch die ganze Kunstrichtung auf dieselbe Zeit hingeführt:
das Prunken mit der raffinirtesten Technik in den Arbeiten
des Kallikrates und Myrmekides und kaum weniger in
den Magiriscia des Pytheas erklärt sich in ihr hinlänglich
durch die Vergleichung verwandter Erscheinungen auf dem
Gebiete der Kunst sowohl, als des übrigen Geisteslebens,
während es in jeder früheren Periode als eine Abnormität
dastehen würde. Endlich aber waren damals auch die
äusseren Verhältnisse der selbstständigeren Entwickelung
der Toreutik vorzugsweise günstig, indem von den Königs-
höfen aus der Luxus im Privatleben sich in immer weiteren
Kreisen verbreitete, und deshalb auch an die Kunst in um-
fassenderem Maasse die Forderung gestellt wurde, zum
Schmuck und zur Verschönerung des Lebens behülflich zu
sein. Dieses Verhältniss dauerte zwar auch in Rom, als es
Griechenland unterjocht hatte, noch fort; von den berühmten

und über Boethos liess sich sicher nur ausmachen, dass
er nicht später, als etwa im Anfange des zweiten Jahrhun-
derts v. Ch. G. gelebt habe. Doch hindert uns nichts, ja
die mehrfache rühmliche Erwähnung bei Plinius, Cicero und
Pausanias giebt uns fast das Recht, ihn in eine ältere Zeit,
etwa die des Alexander hinaufzurücken. In dieser aber
kann die Stellung der Toreutik kaum eine andere gewesen
sein, als in der Periode des Phidias. Denn einzig von
Euphranor wird berichtet, dass er bei seiner sonstigen
Vielseitigkeit auch in diesem Kunstzweige Ausgezeichnetes
geleistet habe. Erst die Zeit der Diadochen scheint hier
einen Umschwung bewirkt zu haben. Zwar vermögen wir
in dieselbe mit voller Sicherheit ebenfalls nur wenige Künst-
ler, etwa Stratonikos, Alkon und Apelles, zu setzen;
aber wenn wir auch die lockere Zusammenstellung der be-
rühmtesten Toreuten bei Plinius (33, 156) keineswegs für
eine streng chronologische halten dürfen, so lässt doch z. B.
der Umstand, dass, wie Stratonikos aus Kyzikos, so Ari-
ston
und Eunikos aus Mytilene und Posidonios aus
Ephesos stammen, darauf schliessen, dass diese Männer eben
so wie durch ihre Geburt, so auch durch ihre ganze Thätig-
keit in die Zeit eines regen Kunstlebens in Kleinasien fallen;
und ein solches finden wir dort gerade in der Periode
der Diadochen. Bei andern Künstlern werden wir ferner
durch die ganze Kunstrichtung auf dieselbe Zeit hingeführt:
das Prunken mit der raffinirtesten Technik in den Arbeiten
des Kallikrates und Myrmekides und kaum weniger in
den Magiriscia des Pytheas erklärt sich in ihr hinlänglich
durch die Vergleichung verwandter Erscheinungen auf dem
Gebiete der Kunst sowohl, als des übrigen Geisteslebens,
während es in jeder früheren Periode als eine Abnormität
dastehen würde. Endlich aber waren damals auch die
äusseren Verhältnisse der selbstständigeren Entwickelung
der Toreutik vorzugsweise günstig, indem von den Königs-
höfen aus der Luxus im Privatleben sich in immer weiteren
Kreisen verbreitete, und deshalb auch an die Kunst in um-
fassenderem Maasse die Forderung gestellt wurde, zum
Schmuck und zur Verschönerung des Lebens behülflich zu
sein. Dieses Verhältniss dauerte zwar auch in Rom, als es
Griechenland unterjocht hatte, noch fort; von den berühmten

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[400/0408] und über Boethos liess sich sicher nur ausmachen, dass er nicht später, als etwa im Anfange des zweiten Jahrhun- derts v. Ch. G. gelebt habe. Doch hindert uns nichts, ja die mehrfache rühmliche Erwähnung bei Plinius, Cicero und Pausanias giebt uns fast das Recht, ihn in eine ältere Zeit, etwa die des Alexander hinaufzurücken. In dieser aber kann die Stellung der Toreutik kaum eine andere gewesen sein, als in der Periode des Phidias. Denn einzig von Euphranor wird berichtet, dass er bei seiner sonstigen Vielseitigkeit auch in diesem Kunstzweige Ausgezeichnetes geleistet habe. Erst die Zeit der Diadochen scheint hier einen Umschwung bewirkt zu haben. Zwar vermögen wir in dieselbe mit voller Sicherheit ebenfalls nur wenige Künst- ler, etwa Stratonikos, Alkon und Apelles, zu setzen; aber wenn wir auch die lockere Zusammenstellung der be- rühmtesten Toreuten bei Plinius (33, 156) keineswegs für eine streng chronologische halten dürfen, so lässt doch z. B. der Umstand, dass, wie Stratonikos aus Kyzikos, so Ari- ston und Eunikos aus Mytilene und Posidonios aus Ephesos stammen, darauf schliessen, dass diese Männer eben so wie durch ihre Geburt, so auch durch ihre ganze Thätig- keit in die Zeit eines regen Kunstlebens in Kleinasien fallen; und ein solches finden wir dort gerade in der Periode der Diadochen. Bei andern Künstlern werden wir ferner durch die ganze Kunstrichtung auf dieselbe Zeit hingeführt: das Prunken mit der raffinirtesten Technik in den Arbeiten des Kallikrates und Myrmekides und kaum weniger in den Magiriscia des Pytheas erklärt sich in ihr hinlänglich durch die Vergleichung verwandter Erscheinungen auf dem Gebiete der Kunst sowohl, als des übrigen Geisteslebens, während es in jeder früheren Periode als eine Abnormität dastehen würde. Endlich aber waren damals auch die äusseren Verhältnisse der selbstständigeren Entwickelung der Toreutik vorzugsweise günstig, indem von den Königs- höfen aus der Luxus im Privatleben sich in immer weiteren Kreisen verbreitete, und deshalb auch an die Kunst in um- fassenderem Maasse die Forderung gestellt wurde, zum Schmuck und zur Verschönerung des Lebens behülflich zu sein. Dieses Verhältniss dauerte zwar auch in Rom, als es Griechenland unterjocht hatte, noch fort; von den berühmten

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/408>, abgerufen am 17.05.2024.