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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

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Grade verdächtig bezeichnet worden (vgl. Friedländer: Ueber
d. Kunstsinn d. Römer, S. 35 flgd.), und in gewisser Weise
mit Recht: denn allerdings ist gewiss, dass im Kunsthandel
der Kaiserzeit mit falscher Anwendung berühmter Namen
der grösste Unfug getrieben worden ist. Von der Frage
über einzelne Erwähnungen muss aber nach meiner Ansicht
die andere Frage getrennt gehalten werden, ob von der-
artigen Arbeiten eines Phidias oder verwandter Künstler
überhaupt die Rede sein könne: und diese letztere sehe ich
keinen Grund zu verneinen. Denn einerseits setzt z. B.
schon die Auschmückung der chryselephantinen Kolosse eine
gründliche Kenntniss der Toreutik voraus, und bei dem ge-
rühmten Verdienste des Phidias und Polyklet um diese Kunst
können wir unmöglich annehmen, dass sie sich hier zur
Ausführung ausschliesslich nur fremder Kräfte bedient haben.
Andererseits aber ist uns eine Zahl von Künstlern be-
kannt, deren Thätigkeit in der statuarischen und zugleich in
der eigentlich toreutischen Kunst durchaus keinem Zweifel
unterworfen ist, so vor allen Euphranor, Boethos, dann Stra-
tonikos, Ariston, Eunikos, Hekataeos, Posidonios, Pasiteles
und endlich der Meister des neronischen Kolosses, Zeno-
doros. Ja nach unsern allerdings sehr dürftigen Nachrichten
liesse sich eher behaupten, dass überhaupt erst in der Zeit
des Phidias die Toreutik als selbstständiger Kunstzweig sich
von der Erzbildnerei abzulösen begonnen habe. Am schärf-
sten tritt dies an der Persönlichkeit des Mys hervor, der,
nach Entwürfen des Parrhasios arbeitend, seinen Ruhm aus-
schliesslich in der Ausführung sucht. Mit ihm etwa gleich-
zeitig mag Mentor thätig gewesen sein, der berühmteste
der Toreuten des Alterthums. Aber dass in der glänzend-
sten Blüthezeit der Kunst nur zwei Meister zu hohem An-
sehen gelangen, kann uns zugleich darauf hinweisen, wie
damals die selbstständige Ausübung der Toreutik noch keine
sehr ausgebreitete sein mochte; und vielleicht ist es nicht
zufällig, wenn Plinius die Werke der vier ersten Meister,
des Mentor, Akragas, Boethos und Mys, als in Tempeln auf-
bewahrt erwähnt. Es würde daraus hervorgehen, dass auch
dieser Kunstzweig ursprünglich nicht sowohl dem Luxus
des Privatlebens, als heiligen Zwecken gedient habe. Ueber
des Akragas Zeit sind wir freilich völlig im Ungewissen;

Grade verdächtig bezeichnet worden (vgl. Friedländer: Ueber
d. Kunstsinn d. Römer, S. 35 flgd.), und in gewisser Weise
mit Recht: denn allerdings ist gewiss, dass im Kunsthandel
der Kaiserzeit mit falscher Anwendung berühmter Namen
der grösste Unfug getrieben worden ist. Von der Frage
über einzelne Erwähnungen muss aber nach meiner Ansicht
die andere Frage getrennt gehalten werden, ob von der-
artigen Arbeiten eines Phidias oder verwandter Künstler
überhaupt die Rede sein könne: und diese letztere sehe ich
keinen Grund zu verneinen. Denn einerseits setzt z. B.
schon die Auschmückung der chryselephantinen Kolosse eine
gründliche Kenntniss der Toreutik voraus, und bei dem ge-
rühmten Verdienste des Phidias und Polyklet um diese Kunst
können wir unmöglich annehmen, dass sie sich hier zur
Ausführung ausschliesslich nur fremder Kräfte bedient haben.
Andererseits aber ist uns eine Zahl von Künstlern be-
kannt, deren Thätigkeit in der statuarischen und zugleich in
der eigentlich toreutischen Kunst durchaus keinem Zweifel
unterworfen ist, so vor allen Euphranor, Boethos, dann Stra-
tonikos, Ariston, Eunikos, Hekataeos, Posidonios, Pasiteles
und endlich der Meister des neronischen Kolosses, Zeno-
doros. Ja nach unsern allerdings sehr dürftigen Nachrichten
liesse sich eher behaupten, dass überhaupt erst in der Zeit
des Phidias die Toreutik als selbstständiger Kunstzweig sich
von der Erzbildnerei abzulösen begonnen habe. Am schärf-
sten tritt dies an der Persönlichkeit des Mys hervor, der,
nach Entwürfen des Parrhasios arbeitend, seinen Ruhm aus-
schliesslich in der Ausführung sucht. Mit ihm etwa gleich-
zeitig mag Mentor thätig gewesen sein, der berühmteste
der Toreuten des Alterthums. Aber dass in der glänzend-
sten Blüthezeit der Kunst nur zwei Meister zu hohem An-
sehen gelangen, kann uns zugleich darauf hinweisen, wie
damals die selbstständige Ausübung der Toreutik noch keine
sehr ausgebreitete sein mochte; und vielleicht ist es nicht
zufällig, wenn Plinius die Werke der vier ersten Meister,
des Mentor, Akragas, Boethos und Mys, als in Tempeln auf-
bewahrt erwähnt. Es würde daraus hervorgehen, dass auch
dieser Kunstzweig ursprünglich nicht sowohl dem Luxus
des Privatlebens, als heiligen Zwecken gedient habe. Ueber
des Akragas Zeit sind wir freilich völlig im Ungewissen;

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[399/0407] Grade verdächtig bezeichnet worden (vgl. Friedländer: Ueber d. Kunstsinn d. Römer, S. 35 flgd.), und in gewisser Weise mit Recht: denn allerdings ist gewiss, dass im Kunsthandel der Kaiserzeit mit falscher Anwendung berühmter Namen der grösste Unfug getrieben worden ist. Von der Frage über einzelne Erwähnungen muss aber nach meiner Ansicht die andere Frage getrennt gehalten werden, ob von der- artigen Arbeiten eines Phidias oder verwandter Künstler überhaupt die Rede sein könne: und diese letztere sehe ich keinen Grund zu verneinen. Denn einerseits setzt z. B. schon die Auschmückung der chryselephantinen Kolosse eine gründliche Kenntniss der Toreutik voraus, und bei dem ge- rühmten Verdienste des Phidias und Polyklet um diese Kunst können wir unmöglich annehmen, dass sie sich hier zur Ausführung ausschliesslich nur fremder Kräfte bedient haben. Andererseits aber ist uns eine Zahl von Künstlern be- kannt, deren Thätigkeit in der statuarischen und zugleich in der eigentlich toreutischen Kunst durchaus keinem Zweifel unterworfen ist, so vor allen Euphranor, Boethos, dann Stra- tonikos, Ariston, Eunikos, Hekataeos, Posidonios, Pasiteles und endlich der Meister des neronischen Kolosses, Zeno- doros. Ja nach unsern allerdings sehr dürftigen Nachrichten liesse sich eher behaupten, dass überhaupt erst in der Zeit des Phidias die Toreutik als selbstständiger Kunstzweig sich von der Erzbildnerei abzulösen begonnen habe. Am schärf- sten tritt dies an der Persönlichkeit des Mys hervor, der, nach Entwürfen des Parrhasios arbeitend, seinen Ruhm aus- schliesslich in der Ausführung sucht. Mit ihm etwa gleich- zeitig mag Mentor thätig gewesen sein, der berühmteste der Toreuten des Alterthums. Aber dass in der glänzend- sten Blüthezeit der Kunst nur zwei Meister zu hohem An- sehen gelangen, kann uns zugleich darauf hinweisen, wie damals die selbstständige Ausübung der Toreutik noch keine sehr ausgebreitete sein mochte; und vielleicht ist es nicht zufällig, wenn Plinius die Werke der vier ersten Meister, des Mentor, Akragas, Boethos und Mys, als in Tempeln auf- bewahrt erwähnt. Es würde daraus hervorgehen, dass auch dieser Kunstzweig ursprünglich nicht sowohl dem Luxus des Privatlebens, als heiligen Zwecken gedient habe. Ueber des Akragas Zeit sind wir freilich völlig im Ungewissen;

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/407>, abgerufen am 23.11.2024.