die Begegnung des Nikias mit Ptolemaeos nicht vor dessen Annahme des Königstitels (Ol. 118, 3) stattgefunden habe, so müssten wir allerdings des Plinius Zweifel billigen und thäten am besten, mit Sillig einen älteren Nikias um Ol. 104 und einen jüngeren von Ol. 112 bis 118 anzunehmen, wenn gleich Plinius gerade den Maler der Nekyia für den Gehülfen des Praxiteles erklärt. Der Umstand jedoch, dass Ol. 112 gerade in der Mitte zwischen 104 und 118 liegt, muss viel- mehr unsere Zweifel an der Richtigkeit dieser Verdoppelung rege machen. Dazu kommt nun ferner, dass nach genaueren Bestimmungen 1) die Thätigkeit des Praxiteles sich bis gegen die Zeit Alexanders erstreckt haben muss. Sein Ausspruch über Nikias aber schickt sich vorzugsweise für einen Künst- ler von festbegründetem Rufe, welcher einen jüngeren oder minder anerkannten dadurch zu einer höheren Bedeutung er- hebt, dass er ihn an seinem Rufe theilnehmen lässt. Auf der andern Seite erklärt sich die Weigerung des Nikias, sein Bild dem Ptolemaeos zu verkaufen, wiederum dadurch, dass damals Nikias auf dem Gipfel seines Ruhmes stand und an Schätzen Ueberfluss hatte (abundans opibus, wie Plinius sagt), welche er doch erst nach langer Thätigkeit erworben haben konnte. Die scheinbar so weit entfernten Zeitpunkte rücken demnach so nahe zusammen, dass sie die Grenzen eines Menschenlebens keineswegs überschreiten, auch wenn wir annehmen, dass der Antrag des Ptolemaeos erst in die Zeit seiner königlichen Würde falle. Es ergiebt sich dem- nach die Gemeinschaft mit Praxiteles, etwa Ol. 108--110, als Beginn einer ruhmvollen Laufbahn; Ol. 112, die Regie- rung Alexanders, als der Mittelpunkt, die Verhandlung mit Ptolemaeos, Ol. 118, etwa als der Schluss derselben.
Sofern man nun gegen diese ganze Berechnung den Zu- sammenhang der Schule geltend machen und es namentlich unwahrscheinlich finden will, dass Euphranor, den man mit bestem Rechte einen Zeitgenossen des Praxiteles nennen kann, Lehrer des Antidotos und dieser erst wieder Lehrer des Nikias im Laufe von kaum mehr als fünf oder sechs Olympiaden gewesen sei, so muss ich hierfür, so wie für die ganze eben besprochene Reihe nachdrücklich daran erinnern,
1) Vgl. Th. 1, 336.
die Begegnung des Nikias mit Ptolemaeos nicht vor dessen Annahme des Königstitels (Ol. 118, 3) stattgefunden habe, so müssten wir allerdings des Plinius Zweifel billigen und thäten am besten, mit Sillig einen älteren Nikias um Ol. 104 und einen jüngeren von Ol. 112 bis 118 anzunehmen, wenn gleich Plinius gerade den Maler der Nekyia für den Gehülfen des Praxiteles erklärt. Der Umstand jedoch, dass Ol. 112 gerade in der Mitte zwischen 104 und 118 liegt, muss viel- mehr unsere Zweifel an der Richtigkeit dieser Verdoppelung rege machen. Dazu kommt nun ferner, dass nach genaueren Bestimmungen 1) die Thätigkeit des Praxiteles sich bis gegen die Zeit Alexanders erstreckt haben muss. Sein Ausspruch über Nikias aber schickt sich vorzugsweise für einen Künst- ler von festbegründetem Rufe, welcher einen jüngeren oder minder anerkannten dadurch zu einer höheren Bedeutung er- hebt, dass er ihn an seinem Rufe theilnehmen lässt. Auf der andern Seite erklärt sich die Weigerung des Nikias, sein Bild dem Ptolemaeos zu verkaufen, wiederum dadurch, dass damals Nikias auf dem Gipfel seines Ruhmes stand und an Schätzen Ueberfluss hatte (abundans opibus, wie Plinius sagt), welche er doch erst nach langer Thätigkeit erworben haben konnte. Die scheinbar so weit entfernten Zeitpunkte rücken demnach so nahe zusammen, dass sie die Grenzen eines Menschenlebens keineswegs überschreiten, auch wenn wir annehmen, dass der Antrag des Ptolemaeos erst in die Zeit seiner königlichen Würde falle. Es ergiebt sich dem- nach die Gemeinschaft mit Praxiteles, etwa Ol. 108—110, als Beginn einer ruhmvollen Laufbahn; Ol. 112, die Regie- rung Alexanders, als der Mittelpunkt, die Verhandlung mit Ptolemaeos, Ol. 118, etwa als der Schluss derselben.
Sofern man nun gegen diese ganze Berechnung den Zu- sammenhang der Schule geltend machen und es namentlich unwahrscheinlich finden will, dass Euphranor, den man mit bestem Rechte einen Zeitgenossen des Praxiteles nennen kann, Lehrer des Antidotos und dieser erst wieder Lehrer des Nikias im Laufe von kaum mehr als fünf oder sechs Olympiaden gewesen sei, so muss ich hierfür, so wie für die ganze eben besprochene Reihe nachdrücklich daran erinnern,
1) Vgl. Th. 1, 336.
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die Begegnung des Nikias mit Ptolemaeos nicht vor dessen
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so müssten wir allerdings des Plinius Zweifel billigen und
thäten am besten, mit Sillig einen älteren Nikias um Ol. 104
und einen jüngeren von Ol. 112 bis 118 anzunehmen, wenn
gleich Plinius gerade den Maler der Nekyia für den Gehülfen
des Praxiteles erklärt. Der Umstand jedoch, dass Ol. 112
gerade in der Mitte zwischen 104 und 118 liegt, muss viel-
mehr unsere Zweifel an der Richtigkeit dieser Verdoppelung
rege machen. Dazu kommt nun ferner, dass nach genaueren
Bestimmungen 1) die Thätigkeit des Praxiteles sich bis gegen
die Zeit Alexanders erstreckt haben muss. Sein Ausspruch
über Nikias aber schickt sich vorzugsweise für einen Künst-
ler von festbegründetem Rufe, welcher einen jüngeren oder
minder anerkannten dadurch zu einer höheren Bedeutung er-
hebt, dass er ihn an seinem Rufe theilnehmen lässt. Auf der
andern Seite erklärt sich die Weigerung des Nikias, sein
Bild dem Ptolemaeos zu verkaufen, wiederum dadurch, dass
damals Nikias auf dem Gipfel seines Ruhmes stand und an
Schätzen Ueberfluss hatte (abundans opibus, wie Plinius
sagt), welche er doch erst nach langer Thätigkeit erworben
haben konnte. Die scheinbar so weit entfernten Zeitpunkte
rücken demnach so nahe zusammen, dass sie die Grenzen
eines Menschenlebens keineswegs überschreiten, auch wenn
wir annehmen, dass der Antrag des Ptolemaeos erst in die
Zeit seiner königlichen Würde falle. Es ergiebt sich dem-
nach die Gemeinschaft mit Praxiteles, etwa Ol. 108—110,
als Beginn einer ruhmvollen Laufbahn; Ol. 112, die Regie-
rung Alexanders, als der Mittelpunkt, die Verhandlung mit
Ptolemaeos, Ol. 118, etwa als der Schluss derselben.
Sofern man nun gegen diese ganze Berechnung den Zu-
sammenhang der Schule geltend machen und es namentlich
unwahrscheinlich finden will, dass Euphranor, den man mit
bestem Rechte einen Zeitgenossen des Praxiteles nennen
kann, Lehrer des Antidotos und dieser erst wieder Lehrer
des Nikias im Laufe von kaum mehr als fünf oder sechs
Olympiaden gewesen sei, so muss ich hierfür, so wie für die
ganze eben besprochene Reihe nachdrücklich daran erinnern,
1) Vgl. Th. 1, 336.
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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/173>, abgerufen am 25.11.2024.
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