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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

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schrieben steht. Liegt hier also nicht ein ganz altes Ver-
derbniss des Textes vor, so bleibt uns nichts übrig, als den
Irrthum auf ein Misverständniss des Plinius selbst zurück-
zuführen.

Fragen wir nun, wann die Thätigkeit des Aristides be-
gonnen haben möge, so finden wir darüber bei Plinius 1) eine
allerdings etwas allgemeine Angabe. Nachdem er nemlich
von Zeuxis, Parrhasios, Timanthes gesprochen, fährt er fort,
dass in dieser Zeit (hac aetate) Aristides, der berühmte
Künstler (also sicherlich der Thebaner) die Schule des Euxi-
nidas, Pamphilos die des Eupompos besucht habe. Wenn
wir auch diese Angabe nicht streng wörtlich nehmen, son-
dern mehr dahin deuten wollen, dass Plinius damit den
Uebergang von der Periode der Kleinasiaten zu einer fol-
genden einleiten will, so werden wir doch auch wegen des
Pamphilos den von ihm bezeichneten Zeitpunkt etwa zwi-
schen Ol. 95 und 100 setzen müssen, was sowohl mit den
vorher betrachteten Angaben über Aristides in bestem Ein-
klange stehen würde, als auch damit, dass Euphranor schon
vor Ol. 104 sein Schüler gewesen sein muss (s. u.). Es
bliebe sonach nur die Schwierigkeit übrig, sein Verhältniss
zu Nikomachos festzustellen. Nach der Lesart der Bamber-
ger Handschrift heisst es nämlich bei Plinius: 2) Nikomachos
hatte zu Schülern Aristo seinen Bruder, und Aristides seinen
Sohn; nach allen übrigen Handschriften dagegen: Aristides,
seinen Bruder und Aristocles seinen Sohn. Ich bemerke zu-
nächst, dass wir Aristocles und Aristo für denselben Namen
zu halten haben, indem Aristonem leicht in Aristoclem oder
Aristodem (wie z. B. auch die Riccardi'sche Handschrift hat)
verderbt werden konnte. Es handelt sich also um eine einfache
Umstellung von zwei Namen; und es fragt sich nur, ob die
Bamberger Handschrift auch hier, wie allerdings häufig,
die Auctorität aller übrigen aufwiegen soll. Nehmen wir
dies an, so werden wir freilich auch dadurch noch nicht in
unlösbare Schwierigkeiten verwickelt, da es immerhin mög-
lich ist, dass Aristides als Sohn noch bei Lebzeiten seines
Vaters einen berühmten Schüler, nemlich Euphranor, gehabt
habe. Einfacher jedoch würde sich das Verhältniss im ent-

1) 35, 75.
2) 35, 110.

schrieben steht. Liegt hier also nicht ein ganz altes Ver-
derbniss des Textes vor, so bleibt uns nichts übrig, als den
Irrthum auf ein Misverständniss des Plinius selbst zurück-
zuführen.

Fragen wir nun, wann die Thätigkeit des Aristides be-
gonnen haben möge, so finden wir darüber bei Plinius 1) eine
allerdings etwas allgemeine Angabe. Nachdem er nemlich
von Zeuxis, Parrhasios, Timanthes gesprochen, fährt er fort,
dass in dieser Zeit (hac aetate) Aristides, der berühmte
Künstler (also sicherlich der Thebaner) die Schule des Euxi-
nidas, Pamphilos die des Eupompos besucht habe. Wenn
wir auch diese Angabe nicht streng wörtlich nehmen, son-
dern mehr dahin deuten wollen, dass Plinius damit den
Uebergang von der Periode der Kleinasiaten zu einer fol-
genden einleiten will, so werden wir doch auch wegen des
Pamphilos den von ihm bezeichneten Zeitpunkt etwa zwi-
schen Ol. 95 und 100 setzen müssen, was sowohl mit den
vorher betrachteten Angaben über Aristides in bestem Ein-
klange stehen würde, als auch damit, dass Euphranor schon
vor Ol. 104 sein Schüler gewesen sein muss (s. u.). Es
bliebe sonach nur die Schwierigkeit übrig, sein Verhältniss
zu Nikomachos festzustellen. Nach der Lesart der Bamber-
ger Handschrift heisst es nämlich bei Plinius: 2) Nikomachos
hatte zu Schülern Aristo seinen Bruder, und Aristides seinen
Sohn; nach allen übrigen Handschriften dagegen: Aristides,
seinen Bruder und Aristocles seinen Sohn. Ich bemerke zu-
nächst, dass wir Aristocles und Aristo für denselben Namen
zu halten haben, indem Aristonem leicht in Aristoclem oder
Aristodem (wie z. B. auch die Riccardi’sche Handschrift hat)
verderbt werden konnte. Es handelt sich also um eine einfache
Umstellung von zwei Namen; und es fragt sich nur, ob die
Bamberger Handschrift auch hier, wie allerdings häufig,
die Auctorität aller übrigen aufwiegen soll. Nehmen wir
dies an, so werden wir freilich auch dadurch noch nicht in
unlösbare Schwierigkeiten verwickelt, da es immerhin mög-
lich ist, dass Aristides als Sohn noch bei Lebzeiten seines
Vaters einen berühmten Schüler, nemlich Euphranor, gehabt
habe. Einfacher jedoch würde sich das Verhältniss im ent-

1) 35, 75.
2) 35, 110.
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[162/0170] schrieben steht. Liegt hier also nicht ein ganz altes Ver- derbniss des Textes vor, so bleibt uns nichts übrig, als den Irrthum auf ein Misverständniss des Plinius selbst zurück- zuführen. Fragen wir nun, wann die Thätigkeit des Aristides be- gonnen haben möge, so finden wir darüber bei Plinius 1) eine allerdings etwas allgemeine Angabe. Nachdem er nemlich von Zeuxis, Parrhasios, Timanthes gesprochen, fährt er fort, dass in dieser Zeit (hac aetate) Aristides, der berühmte Künstler (also sicherlich der Thebaner) die Schule des Euxi- nidas, Pamphilos die des Eupompos besucht habe. Wenn wir auch diese Angabe nicht streng wörtlich nehmen, son- dern mehr dahin deuten wollen, dass Plinius damit den Uebergang von der Periode der Kleinasiaten zu einer fol- genden einleiten will, so werden wir doch auch wegen des Pamphilos den von ihm bezeichneten Zeitpunkt etwa zwi- schen Ol. 95 und 100 setzen müssen, was sowohl mit den vorher betrachteten Angaben über Aristides in bestem Ein- klange stehen würde, als auch damit, dass Euphranor schon vor Ol. 104 sein Schüler gewesen sein muss (s. u.). Es bliebe sonach nur die Schwierigkeit übrig, sein Verhältniss zu Nikomachos festzustellen. Nach der Lesart der Bamber- ger Handschrift heisst es nämlich bei Plinius: 2) Nikomachos hatte zu Schülern Aristo seinen Bruder, und Aristides seinen Sohn; nach allen übrigen Handschriften dagegen: Aristides, seinen Bruder und Aristocles seinen Sohn. Ich bemerke zu- nächst, dass wir Aristocles und Aristo für denselben Namen zu halten haben, indem Aristonem leicht in Aristoclem oder Aristodem (wie z. B. auch die Riccardi’sche Handschrift hat) verderbt werden konnte. Es handelt sich also um eine einfache Umstellung von zwei Namen; und es fragt sich nur, ob die Bamberger Handschrift auch hier, wie allerdings häufig, die Auctorität aller übrigen aufwiegen soll. Nehmen wir dies an, so werden wir freilich auch dadurch noch nicht in unlösbare Schwierigkeiten verwickelt, da es immerhin mög- lich ist, dass Aristides als Sohn noch bei Lebzeiten seines Vaters einen berühmten Schüler, nemlich Euphranor, gehabt habe. Einfacher jedoch würde sich das Verhältniss im ent- 1) 35, 75. 2) 35, 110.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/170>, abgerufen am 28.04.2024.