Herodots 1) der Sieg auf Seite der Phocenser gewesen; und überdies gebe Pausanias in seinen Worten nur eine Ver- muthung, nicht eine begründete Ueberlieferung. Dies ist aller- dings wahr, dennoch aber haben wir dadurch nicht das Recht erlangt, seine Angabe ohne Weiteres zu verwerfen. Zwar spricht ausser Herodot auch Pausanias 2) von Niederlagen der Thessalier. Allein wir sehen aus der ganzen Erzählung, dass sie eigentlich an Macht den Phocensern überlegen waren. Diese letzteren wagen es kaum, in offener Feldschlacht anzu- greifen, sondern führen nach den von Tellias ersonnenen Kriegslisten einzelne Schläge aus; ihre Furcht vor dem Feinde geht zuweilen bis zur Verzweiflung, so dass von daher die aponoia Phokike sogar sprichwörtlich wird. Sie werden auf den Parnass gedrängt, verlieren 300 auserlesene Männer; und das Orakel selbst sagt einmal: Sumbaleo thneton te kai athanaton makhesasthai, niken d' amphoterois doso, thneto de nu mallon. Warum sollen also nicht auch die Thessalier, wenn nicht wegen des ganzen Krieges, doch wegen eines glänzenden Erfolges wäh- rend desselben, vielleicht in Folge eines Gelübdes, dem Zeus eine Bildsäule nach Olympia geweiht haben? Dass die Ausführung des Werkes einem Thebanischen Künstler anvertraut ward, könnte zu der Vermuthung Anlass geben, dass es aus der Zeit des persischen Einfalles selbst herrühre. Während desselben standen Thessa- lier, wie Thebaner auf der Seite der Perser; gerade die Thessa- lier waren es, welche die Perser durch Phocis führten 3) und bei der Plünderung des Landes gewiss einen reichlichen An- theil der Beute für sich in Anspruch nahmen, gross genug, um davon später dem Zeus eine Statue zu weihen: Die Zeit- bestimmung des Pausanias würde durch diese Annahme nicht eben wesentlich beeinträchtigt. Was endlich die Ergänzung des Amasaeus anlangt, so zeigt sich dieselbe jetzt noch weit weniger haltbar, als zur Zeit, da Thiersch seine Meinung zu- erst aufstellte. Die Handschriften deuten auf eine grössere Lücke, als dass ein einzelner Name zur Ausfüllung genügte, und wir müssen daher Schubart und Walz beistimmen, wenn sie den Text in folgender Weise herzustellen versuchen: para
1) VIII, 27.
2) X, 1, 2.
3) Herod. VIII, 32. 33.
Brunn, Geschichte der griech. Künstler. 5
Herodots 1) der Sieg auf Seite der Phocenser gewesen; und überdies gebe Pausanias in seinen Worten nur eine Ver- muthung, nicht eine begründete Ueberlieferung. Dies ist aller- dings wahr, dennoch aber haben wir dadurch nicht das Recht erlangt, seine Angabe ohne Weiteres zu verwerfen. Zwar spricht ausser Herodot auch Pausanias 2) von Niederlagen der Thessalier. Allein wir sehen aus der ganzen Erzählung, dass sie eigentlich an Macht den Phocensern überlegen waren. Diese letzteren wagen es kaum, in offener Feldschlacht anzu- greifen, sondern führen nach den von Tellias ersonnenen Kriegslisten einzelne Schläge aus; ihre Furcht vor dem Feinde geht zuweilen bis zur Verzweiflung, so dass von daher die ἀπόνοια Φωκικὴ sogar sprichwörtlich wird. Sie werden auf den Parnass gedrängt, verlieren 300 auserlesene Männer; und das Orakel selbst sagt einmal: Συμβαλέω ϑνητόν τε καὶ ἀϑάνατον μαχέσασϑαι, νίκην δ’ ἀμφοτέροις δώσω, ϑνητῷ δέ νυ μᾶλλον. Warum sollen also nicht auch die Thessalier, wenn nicht wegen des ganzen Krieges, doch wegen eines glänzenden Erfolges wäh- rend desselben, vielleicht in Folge eines Gelübdes, dem Zeus eine Bildsäule nach Olympia geweiht haben? Dass die Ausführung des Werkes einem Thebanischen Künstler anvertraut ward, könnte zu der Vermuthung Anlass geben, dass es aus der Zeit des persischen Einfalles selbst herrühre. Während desselben standen Thessa- lier, wie Thebaner auf der Seite der Perser; gerade die Thessa- lier waren es, welche die Perser durch Phocis führten 3) und bei der Plünderung des Landes gewiss einen reichlichen An- theil der Beute für sich in Anspruch nahmen, gross genug, um davon später dem Zeus eine Statue zu weihen: Die Zeit- bestimmung des Pausanias würde durch diese Annahme nicht eben wesentlich beeinträchtigt. Was endlich die Ergänzung des Amasaeus anlangt, so zeigt sich dieselbe jetzt noch weit weniger haltbar, als zur Zeit, da Thiersch seine Meinung zu- erst aufstellte. Die Handschriften deuten auf eine grössere Lücke, als dass ein einzelner Name zur Ausfüllung genügte, und wir müssen daher Schubart und Walz beistimmen, wenn sie den Text in folgender Weise herzustellen versuchen: παρὰ
1) VIII, 27.
2) X, 1, 2.
3) Herod. VIII, 32. 33.
Brunn, Geschichte der griech. Künstler. 5
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[65/0078]
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überdies gebe Pausanias in seinen Worten nur eine Ver-
muthung, nicht eine begründete Ueberlieferung. Dies ist aller-
dings wahr, dennoch aber haben wir dadurch nicht das Recht
erlangt, seine Angabe ohne Weiteres zu verwerfen. Zwar
spricht ausser Herodot auch Pausanias 2) von Niederlagen der
Thessalier. Allein wir sehen aus der ganzen Erzählung, dass
sie eigentlich an Macht den Phocensern überlegen waren.
Diese letzteren wagen es kaum, in offener Feldschlacht anzu-
greifen, sondern führen nach den von Tellias ersonnenen
Kriegslisten einzelne Schläge aus; ihre Furcht vor dem Feinde
geht zuweilen bis zur Verzweiflung, so dass von daher die
ἀπόνοια Φωκικὴ sogar sprichwörtlich wird. Sie werden auf
den Parnass gedrängt, verlieren 300 auserlesene Männer; und
das Orakel selbst sagt einmal:
Συμβαλέω ϑνητόν τε καὶ ἀϑάνατον μαχέσασϑαι,
νίκην δ’ ἀμφοτέροις δώσω, ϑνητῷ δέ νυ μᾶλλον.
Warum sollen also nicht auch die Thessalier, wenn nicht wegen
des ganzen Krieges, doch wegen eines glänzenden Erfolges wäh-
rend desselben, vielleicht in Folge eines Gelübdes, dem Zeus eine
Bildsäule nach Olympia geweiht haben? Dass die Ausführung des
Werkes einem Thebanischen Künstler anvertraut ward, könnte zu
der Vermuthung Anlass geben, dass es aus der Zeit des persischen
Einfalles selbst herrühre. Während desselben standen Thessa-
lier, wie Thebaner auf der Seite der Perser; gerade die Thessa-
lier waren es, welche die Perser durch Phocis führten 3) und
bei der Plünderung des Landes gewiss einen reichlichen An-
theil der Beute für sich in Anspruch nahmen, gross genug,
um davon später dem Zeus eine Statue zu weihen: Die Zeit-
bestimmung des Pausanias würde durch diese Annahme nicht
eben wesentlich beeinträchtigt. Was endlich die Ergänzung
des Amasaeus anlangt, so zeigt sich dieselbe jetzt noch weit
weniger haltbar, als zur Zeit, da Thiersch seine Meinung zu-
erst aufstellte. Die Handschriften deuten auf eine grössere
Lücke, als dass ein einzelner Name zur Ausfüllung genügte,
und wir müssen daher Schubart und Walz beistimmen, wenn
sie den Text in folgender Weise herzustellen versuchen: παρὰ
1) VIII, 27.
2) X, 1, 2.
3) Herod. VIII, 32. 33.
Brunn, Geschichte der griech. Künstler. 5
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/78>, abgerufen am 09.11.2024.
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