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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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Leider fehlen uns über die Unterschiede des Styls in den
einzelnen Schulen alle und jede Nachweisungen. Voraussetzen
dürfen wir sie wenigstens in so weit, als sie durch die Ver-
schiedenheit des angewendeten Stoffes bedingt sind. Hier son-
dern sich zuerst die samischen Künstler bestimmt von den
übrigen durch den Erzguss. Ihre Erfindung scheint zwar
bald nach ihnen, aber nicht augenblicklich allgemeine Verbrei-
tung gefunden zu haben. Die Künstler von Chios sind, so
viel wir wissen, ausschliesslich Marmorarbeiter. Dass die
vergoldeten Erzstatuen des Dipoenos und Skyllis im Besitze
des Kroesus Gusswerke waren, wird nicht ausdrücklich gesagt
und muss deshalb einigermaassen zweifelhaft bleiben, weil der
Zeus ihres Schülers Klearch ein sphurelaton war, und andere
Werke des Erzgusses im Peloponnes nicht genannt werden.
Dagegen ist schon bemerkt worden, wie ausser in der Mar-
morarbeit die kretischen Daedaliden auch in der weiteren Aus-
bildung der Holzsculptur Ruhm erwarben. Nicht unmöglich ist
es, dass die Anregung dazu von Bathykles, und durch ihn
von dem Hofe des Kroesus kam, durch dessen Reichthümer
Glanz und Luxus auch in der Kunst eher Eingang finden muss-
ten, als dies bei der verhältnissmässigen Armuth der grie-
chischen Freistaaten des Festlandes möglich war.

Ueberhaupt ist der Grad des äusseren Wohlstandes na-
mentlich in dieser Zeit der ersten Anfänge künstlerischen Le-
bens keineswegs ausser Acht zu lassen, wenn wir die Ver-
breitung an den verschiedenen Punkten Griechenlands über-
blicken. Es ist gewiss nicht blosser Zufall, dass die sämmt-
lichen uns bekannten Kunstschulen von den Inseln ausgehen:
dort ist der Verkehr am regsten, dort also entsteht zuerst
Wohlstand, der an Verschönerung des Lebens denken lehrt.
Wie nun aber die Inseln im Verkehr gewisse Gebiete des
Festlandes beherrschen, so üben sie denselben Einfluss auch
in der Kunst. Samos und Chios sind auf Kleinasien hinge-
wiesen, und eben dahin führt uns ein Theil der Werke ihrer
Kunstschulen. Von Kreta dagegen wandern die Künstler,
Cheirisophos, Dipoenos und Skyllis, nach dem Peloponnes.
Der Einfluss der letztern zeigt sich namentlich in Sparta durch
eine Reihe von Schülern, und reicht von dort aus durch Klearch
selbst bis nach Unteritalien. Andere Orte, Argos, Sikyon, Kleo-
nae, selbst Ambrakien, sollen mit ihren Werken angefüllt ge-

Leider fehlen uns über die Unterschiede des Styls in den
einzelnen Schulen alle und jede Nachweisungen. Voraussetzen
dürfen wir sie wenigstens in so weit, als sie durch die Ver-
schiedenheit des angewendeten Stoffes bedingt sind. Hier son-
dern sich zuerst die samischen Künstler bestimmt von den
übrigen durch den Erzguss. Ihre Erfindung scheint zwar
bald nach ihnen, aber nicht augenblicklich allgemeine Verbrei-
tung gefunden zu haben. Die Künstler von Chios sind, so
viel wir wissen, ausschliesslich Marmorarbeiter. Dass die
vergoldeten Erzstatuen des Dipoenos und Skyllis im Besitze
des Kroesus Gusswerke waren, wird nicht ausdrücklich gesagt
und muss deshalb einigermaassen zweifelhaft bleiben, weil der
Zeus ihres Schülers Klearch ein σφυρήλατον war, und andere
Werke des Erzgusses im Peloponnes nicht genannt werden.
Dagegen ist schon bemerkt worden, wie ausser in der Mar-
morarbeit die kretischen Daedaliden auch in der weiteren Aus-
bildung der Holzsculptur Ruhm erwarben. Nicht unmöglich ist
es, dass die Anregung dazu von Bathykles, und durch ihn
von dem Hofe des Kroesus kam, durch dessen Reichthümer
Glanz und Luxus auch in der Kunst eher Eingang finden muss-
ten, als dies bei der verhältnissmässigen Armuth der grie-
chischen Freistaaten des Festlandes möglich war.

Ueberhaupt ist der Grad des äusseren Wohlstandes na-
mentlich in dieser Zeit der ersten Anfänge künstlerischen Le-
bens keineswegs ausser Acht zu lassen, wenn wir die Ver-
breitung an den verschiedenen Punkten Griechenlands über-
blicken. Es ist gewiss nicht blosser Zufall, dass die sämmt-
lichen uns bekannten Kunstschulen von den Inseln ausgehen:
dort ist der Verkehr am regsten, dort also entsteht zuerst
Wohlstand, der an Verschönerung des Lebens denken lehrt.
Wie nun aber die Inseln im Verkehr gewisse Gebiete des
Festlandes beherrschen, so üben sie denselben Einfluss auch
in der Kunst. Samos und Chios sind auf Kleinasien hinge-
wiesen, und eben dahin führt uns ein Theil der Werke ihrer
Kunstschulen. Von Kreta dagegen wandern die Künstler,
Cheirisophos, Dipoenos und Skyllis, nach dem Peloponnes.
Der Einfluss der letztern zeigt sich namentlich in Sparta durch
eine Reihe von Schülern, und reicht von dort aus durch Klearch
selbst bis nach Unteritalien. Andere Orte, Argos, Sikyon, Kleo-
nae, selbst Ambrakien, sollen mit ihren Werken angefüllt ge-

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[59/0072] Leider fehlen uns über die Unterschiede des Styls in den einzelnen Schulen alle und jede Nachweisungen. Voraussetzen dürfen wir sie wenigstens in so weit, als sie durch die Ver- schiedenheit des angewendeten Stoffes bedingt sind. Hier son- dern sich zuerst die samischen Künstler bestimmt von den übrigen durch den Erzguss. Ihre Erfindung scheint zwar bald nach ihnen, aber nicht augenblicklich allgemeine Verbrei- tung gefunden zu haben. Die Künstler von Chios sind, so viel wir wissen, ausschliesslich Marmorarbeiter. Dass die vergoldeten Erzstatuen des Dipoenos und Skyllis im Besitze des Kroesus Gusswerke waren, wird nicht ausdrücklich gesagt und muss deshalb einigermaassen zweifelhaft bleiben, weil der Zeus ihres Schülers Klearch ein σφυρήλατον war, und andere Werke des Erzgusses im Peloponnes nicht genannt werden. Dagegen ist schon bemerkt worden, wie ausser in der Mar- morarbeit die kretischen Daedaliden auch in der weiteren Aus- bildung der Holzsculptur Ruhm erwarben. Nicht unmöglich ist es, dass die Anregung dazu von Bathykles, und durch ihn von dem Hofe des Kroesus kam, durch dessen Reichthümer Glanz und Luxus auch in der Kunst eher Eingang finden muss- ten, als dies bei der verhältnissmässigen Armuth der grie- chischen Freistaaten des Festlandes möglich war. Ueberhaupt ist der Grad des äusseren Wohlstandes na- mentlich in dieser Zeit der ersten Anfänge künstlerischen Le- bens keineswegs ausser Acht zu lassen, wenn wir die Ver- breitung an den verschiedenen Punkten Griechenlands über- blicken. Es ist gewiss nicht blosser Zufall, dass die sämmt- lichen uns bekannten Kunstschulen von den Inseln ausgehen: dort ist der Verkehr am regsten, dort also entsteht zuerst Wohlstand, der an Verschönerung des Lebens denken lehrt. Wie nun aber die Inseln im Verkehr gewisse Gebiete des Festlandes beherrschen, so üben sie denselben Einfluss auch in der Kunst. Samos und Chios sind auf Kleinasien hinge- wiesen, und eben dahin führt uns ein Theil der Werke ihrer Kunstschulen. Von Kreta dagegen wandern die Künstler, Cheirisophos, Dipoenos und Skyllis, nach dem Peloponnes. Der Einfluss der letztern zeigt sich namentlich in Sparta durch eine Reihe von Schülern, und reicht von dort aus durch Klearch selbst bis nach Unteritalien. Andere Orte, Argos, Sikyon, Kleo- nae, selbst Ambrakien, sollen mit ihren Werken angefüllt ge-

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/72>, abgerufen am 09.11.2024.