C. I. Gr. n. 6767. Noch dazu kann aber, wie Letronne (Explic. d'une inscr. gr. etc. p. 34) bemerkt, diese Formel sich sehr wohl auf die blosse Aufstellung einer Büste beziehen.
Rückblick.
Wo immer wir in den früheren Epochen besonderer Blüthe der Kunst begegneten, da hatte sich dieselbe auf heimischem Boden, durch die übrigen Verhältnisse des Lebens gestützt und aus ihnen heraus, frei und eigenthümlich entwickelt; und so Unerreichtes und Mustergültiges für alle Zeiten auch die Kunst bisher in Griechenland geleistet, immer war sie nicht allein durchaus national geblieben, sondern sie trug sogar stets den Stempel der engeren Heimath, des einzelnen Staates an sich. Schon hieraus lässt sich schliessen, dass mit ihrer Ueber- siedelung nach einem ganz neuen und fremden Mittelpunkte, nach Rom, auch in der ganzen Entwickelung ein grosser Wan- del eintreten musste; und diese Voraussetzung wird um so weniger trügerisch erscheinen, wenn wir die Umstände etwas genauer erwägen, unter denen die Uebersiedelung stattfand. Die griechische Kunst gewann einen ausgedehnten Einfluss in Rom nicht zur Zeit des Entstehens seiner politischen Macht, wo sie noch mit den übrigen Einrichtungen im Staate und in der Religion innig hätte verwachsen und selbstständig gedeihen können. Sie fand nicht Eingang durch ein tieferes und inner- licheres Bedürfniss des Volkslebens. Rom stand bereits auf der Höhe seiner Macht; und mit derselben und den sich bald ins Unermessliche mehrenden Reichthümern begannen bereits die strengeren Bande der Sitte, der Religion, des Staates sich zu lockern. Die Kunst sollte also hier vor Allem der Verherr- lichung der Macht, dem Glanze und dem Luxus dienen. Man nahm sie auf als einen Schmuck, zunächst ganz, wie man sie
[Abbildung]
C. I. Gr. n. 6767. Noch dazu kann aber, wie Letronne (Explic. d’une inscr. gr. etc. p. 34) bemerkt, diese Formel sich sehr wohl auf die blosse Aufstellung einer Büste beziehen.
Rückblick.
Wo immer wir in den früheren Epochen besonderer Blüthe der Kunst begegneten, da hatte sich dieselbe auf heimischem Boden, durch die übrigen Verhältnisse des Lebens gestützt und aus ihnen heraus, frei und eigenthümlich entwickelt; und so Unerreichtes und Mustergültiges für alle Zeiten auch die Kunst bisher in Griechenland geleistet, immer war sie nicht allein durchaus national geblieben, sondern sie trug sogar stets den Stempel der engeren Heimath, des einzelnen Staates an sich. Schon hieraus lässt sich schliessen, dass mit ihrer Ueber- siedelung nach einem ganz neuen und fremden Mittelpunkte, nach Rom, auch in der ganzen Entwickelung ein grosser Wan- del eintreten musste; und diese Voraussetzung wird um so weniger trügerisch erscheinen, wenn wir die Umstände etwas genauer erwägen, unter denen die Uebersiedelung stattfand. Die griechische Kunst gewann einen ausgedehnten Einfluss in Rom nicht zur Zeit des Entstehens seiner politischen Macht, wo sie noch mit den übrigen Einrichtungen im Staate und in der Religion innig hätte verwachsen und selbstständig gedeihen können. Sie fand nicht Eingang durch ein tieferes und inner- licheres Bedürfniss des Volkslebens. Rom stand bereits auf der Höhe seiner Macht; und mit derselben und den sich bald ins Unermessliche mehrenden Reichthümern begannen bereits die strengeren Bande der Sitte, der Religion, des Staates sich zu lockern. Die Kunst sollte also hier vor Allem der Verherr- lichung der Macht, dem Glanze und dem Luxus dienen. Man nahm sie auf als einen Schmuck, zunächst ganz, wie man sie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0629"n="616"/><figure/><lb/>
C. I. Gr. n. 6767. Noch dazu kann aber, wie Letronne (Explic.<lb/>
d’une inscr. gr. etc. p. 34) bemerkt, diese Formel sich sehr<lb/>
wohl auf die blosse Aufstellung einer Büste beziehen.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="3"><head><hirendition="#g">Rückblick.</hi></head><lb/><p>Wo immer wir in den früheren Epochen besonderer Blüthe<lb/>
der Kunst begegneten, da hatte sich dieselbe auf heimischem<lb/>
Boden, durch die übrigen Verhältnisse des Lebens gestützt<lb/>
und aus ihnen heraus, frei und eigenthümlich entwickelt; und<lb/>
so Unerreichtes und Mustergültiges für alle Zeiten auch die<lb/>
Kunst bisher in Griechenland geleistet, immer war sie nicht<lb/>
allein durchaus national geblieben, sondern sie trug sogar stets<lb/>
den Stempel der engeren Heimath, des einzelnen Staates an<lb/>
sich. Schon hieraus lässt sich schliessen, dass mit ihrer Ueber-<lb/>
siedelung nach einem ganz neuen und fremden Mittelpunkte,<lb/>
nach Rom, auch in der ganzen Entwickelung ein grosser Wan-<lb/>
del eintreten musste; und diese Voraussetzung wird um so<lb/>
weniger trügerisch erscheinen, wenn wir die Umstände etwas<lb/>
genauer erwägen, unter denen die Uebersiedelung stattfand.<lb/>
Die griechische Kunst gewann einen ausgedehnten Einfluss in<lb/>
Rom nicht zur Zeit des Entstehens seiner politischen Macht,<lb/>
wo sie noch mit den übrigen Einrichtungen im Staate und in<lb/>
der Religion innig hätte verwachsen und selbstständig gedeihen<lb/>
können. Sie fand nicht Eingang durch ein tieferes und inner-<lb/>
licheres Bedürfniss des Volkslebens. Rom stand bereits auf<lb/>
der Höhe seiner Macht; und mit derselben und den sich bald<lb/>
ins Unermessliche mehrenden Reichthümern begannen bereits<lb/>
die strengeren Bande der Sitte, der Religion, des Staates sich<lb/>
zu lockern. Die Kunst sollte also hier vor Allem der Verherr-<lb/>
lichung der Macht, dem Glanze und dem Luxus dienen. Man<lb/>
nahm sie auf als einen Schmuck, zunächst ganz, wie man sie<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[616/0629]
[Abbildung]
C. I. Gr. n. 6767. Noch dazu kann aber, wie Letronne (Explic.
d’une inscr. gr. etc. p. 34) bemerkt, diese Formel sich sehr
wohl auf die blosse Aufstellung einer Büste beziehen.
Rückblick.
Wo immer wir in den früheren Epochen besonderer Blüthe
der Kunst begegneten, da hatte sich dieselbe auf heimischem
Boden, durch die übrigen Verhältnisse des Lebens gestützt
und aus ihnen heraus, frei und eigenthümlich entwickelt; und
so Unerreichtes und Mustergültiges für alle Zeiten auch die
Kunst bisher in Griechenland geleistet, immer war sie nicht
allein durchaus national geblieben, sondern sie trug sogar stets
den Stempel der engeren Heimath, des einzelnen Staates an
sich. Schon hieraus lässt sich schliessen, dass mit ihrer Ueber-
siedelung nach einem ganz neuen und fremden Mittelpunkte,
nach Rom, auch in der ganzen Entwickelung ein grosser Wan-
del eintreten musste; und diese Voraussetzung wird um so
weniger trügerisch erscheinen, wenn wir die Umstände etwas
genauer erwägen, unter denen die Uebersiedelung stattfand.
Die griechische Kunst gewann einen ausgedehnten Einfluss in
Rom nicht zur Zeit des Entstehens seiner politischen Macht,
wo sie noch mit den übrigen Einrichtungen im Staate und in
der Religion innig hätte verwachsen und selbstständig gedeihen
können. Sie fand nicht Eingang durch ein tieferes und inner-
licheres Bedürfniss des Volkslebens. Rom stand bereits auf
der Höhe seiner Macht; und mit derselben und den sich bald
ins Unermessliche mehrenden Reichthümern begannen bereits
die strengeren Bande der Sitte, der Religion, des Staates sich
zu lockern. Die Kunst sollte also hier vor Allem der Verherr-
lichung der Macht, dem Glanze und dem Luxus dienen. Man
nahm sie auf als einen Schmuck, zunächst ganz, wie man sie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 616. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/629>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.