Die Werke des Atticianus und Eutyches sind durchaus unbedeutend; und sie haben für uns nur in sofern Werth, als sie uns zeigen, bis in wie späte Zeit kleinasiatische Bildhauer oder Marmorarbeiter nach Rom wanderten.
Die Grundzüge der ganzen Entwickelung dieser Schule bis an das Ende ergeben sich sonach aus den wenigen erhal- tenen Monumenten mit solcher Deutlichkeit, dass es kaum nö- thig ist, sie nochmals kurz zusammenzufassen. Der ganze Gang ist durchaus naturgemäss. Die einst bis auf das höchste gespannten Kräfte fangen an zu erlahmen. Zuerst schwindet die poetische Schöpferkraft; aber es bleibt die übrige künst- lerische Meisterschaft. Auch diese verliert immer mehr ihre höheren Eigenschaften, bis sie zu technischer Bravour herab- sinkt und endlich die Kunst in handwerksmässigem Betriebe ihr Ende erreicht.
Einzelne Künstler von eigenthümlicher Richtung.
Pasiteles und seine Nachfolger.
Der Name des Pasiteles ist früher vielfältig mit dem des Praxiteles verwechselt worden. Die darauf bezüglichen Erör- terungen zu wiederholen, ist indessen nicht nöthig, da bereits Sillig (Amalth. III, S. 293 flgdd.) Ordnung geschafft hat, und seine Ansichten durch die später gefundene bamberger Hand- schrift des Plinius fast durchgängig bestätigt worden sind. -- Das Vaterland des Künstlers war Grossgriechenland, und, wie ausdrücklich bemerkt wird, erhielt er, wahrscheinlich noch als Knabe, das römische Bürgerrecht, als es (87 v. Chr. G.) den dortigen Städten allgemein ertheilt ward (Plin. 36, 40). Der Ort seiner Thätigkeit war Rom, wie unter Anderem ein von Plinius berichtetes Lebensereigniss zeigt. Als Pasiteles nem- lich bei den Navalien, wo wilde Thiere aus Africa zu sehen waren, einen Löwen nach dem Leben cisellirte, brach ein Panther aus seinem Käfig aus, und der Künstler gerieth dabei in nicht geringe Lebensgefahr. Seine Hauptthätigkeit fällt nach Plinius (33, 156) in die Zeit des Pompeius. Doch lebte er vielleicht noch 33 v. Ch. G., als der Porticus des Metellus in Folge der Neubauten unter Augustus den Namen der Octavia erhielt (Dio Cass. 49, 43). Zwar bieten an der Stelle des Plinius (36, 35), wo von Werken des Künstlers im Tempel der Juno innerhalb dieses Porticus die Rede ist, die besten
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Die Werke des Atticianus und Eutyches sind durchaus unbedeutend; und sie haben für uns nur in sofern Werth, als sie uns zeigen, bis in wie späte Zeit kleinasiatische Bildhauer oder Marmorarbeiter nach Rom wanderten.
Die Grundzüge der ganzen Entwickelung dieser Schule bis an das Ende ergeben sich sonach aus den wenigen erhal- tenen Monumenten mit solcher Deutlichkeit, dass es kaum nö- thig ist, sie nochmals kurz zusammenzufassen. Der ganze Gang ist durchaus naturgemäss. Die einst bis auf das höchste gespannten Kräfte fangen an zu erlahmen. Zuerst schwindet die poetische Schöpferkraft; aber es bleibt die übrige künst- lerische Meisterschaft. Auch diese verliert immer mehr ihre höheren Eigenschaften, bis sie zu technischer Bravour herab- sinkt und endlich die Kunst in handwerksmässigem Betriebe ihr Ende erreicht.
Einzelne Künstler von eigenthümlicher Richtung.
Pasiteles und seine Nachfolger.
Der Name des Pasiteles ist früher vielfältig mit dem des Praxiteles verwechselt worden. Die darauf bezüglichen Erör- terungen zu wiederholen, ist indessen nicht nöthig, da bereits Sillig (Amalth. III, S. 293 flgdd.) Ordnung geschafft hat, und seine Ansichten durch die später gefundene bamberger Hand- schrift des Plinius fast durchgängig bestätigt worden sind. — Das Vaterland des Künstlers war Grossgriechenland, und, wie ausdrücklich bemerkt wird, erhielt er, wahrscheinlich noch als Knabe, das römische Bürgerrecht, als es (87 v. Chr. G.) den dortigen Städten allgemein ertheilt ward (Plin. 36, 40). Der Ort seiner Thätigkeit war Rom, wie unter Anderem ein von Plinius berichtetes Lebensereigniss zeigt. Als Pasiteles nem- lich bei den Navalien, wo wilde Thiere aus Africa zu sehen waren, einen Löwen nach dem Leben cisellirte, brach ein Panther aus seinem Käfig aus, und der Künstler gerieth dabei in nicht geringe Lebensgefahr. Seine Hauptthätigkeit fällt nach Plinius (33, 156) in die Zeit des Pompeius. Doch lebte er vielleicht noch 33 v. Ch. G., als der Porticus des Metellus in Folge der Neubauten unter Augustus den Namen der Octavia erhielt (Dio Cass. 49, 43). Zwar bieten an der Stelle des Plinius (36, 35), wo von Werken des Künstlers im Tempel der Juno innerhalb dieses Porticus die Rede ist, die besten
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Die Werke des Atticianus und Eutyches sind durchaus
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sie uns zeigen, bis in wie späte Zeit kleinasiatische Bildhauer
oder Marmorarbeiter nach Rom wanderten.
Die Grundzüge der ganzen Entwickelung dieser Schule
bis an das Ende ergeben sich sonach aus den wenigen erhal-
tenen Monumenten mit solcher Deutlichkeit, dass es kaum nö-
thig ist, sie nochmals kurz zusammenzufassen. Der ganze
Gang ist durchaus naturgemäss. Die einst bis auf das höchste
gespannten Kräfte fangen an zu erlahmen. Zuerst schwindet
die poetische Schöpferkraft; aber es bleibt die übrige künst-
lerische Meisterschaft. Auch diese verliert immer mehr ihre
höheren Eigenschaften, bis sie zu technischer Bravour herab-
sinkt und endlich die Kunst in handwerksmässigem Betriebe
ihr Ende erreicht.
Einzelne Künstler von eigenthümlicher Richtung.
Pasiteles und seine Nachfolger.
Der Name des Pasiteles ist früher vielfältig mit dem des
Praxiteles verwechselt worden. Die darauf bezüglichen Erör-
terungen zu wiederholen, ist indessen nicht nöthig, da bereits
Sillig (Amalth. III, S. 293 flgdd.) Ordnung geschafft hat, und
seine Ansichten durch die später gefundene bamberger Hand-
schrift des Plinius fast durchgängig bestätigt worden sind. —
Das Vaterland des Künstlers war Grossgriechenland, und, wie
ausdrücklich bemerkt wird, erhielt er, wahrscheinlich noch als
Knabe, das römische Bürgerrecht, als es (87 v. Chr. G.) den
dortigen Städten allgemein ertheilt ward (Plin. 36, 40). Der
Ort seiner Thätigkeit war Rom, wie unter Anderem ein von
Plinius berichtetes Lebensereigniss zeigt. Als Pasiteles nem-
lich bei den Navalien, wo wilde Thiere aus Africa zu sehen
waren, einen Löwen nach dem Leben cisellirte, brach ein
Panther aus seinem Käfig aus, und der Künstler gerieth dabei
in nicht geringe Lebensgefahr. Seine Hauptthätigkeit fällt nach
Plinius (33, 156) in die Zeit des Pompeius. Doch lebte er
vielleicht noch 33 v. Ch. G., als der Porticus des Metellus in
Folge der Neubauten unter Augustus den Namen der Octavia
erhielt (Dio Cass. 49, 43). Zwar bieten an der Stelle des
Plinius (36, 35), wo von Werken des Künstlers im Tempel
der Juno innerhalb dieses Porticus die Rede ist, die besten
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 595. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/608>, abgerufen am 09.11.2024.
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