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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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Lesart. Dass der Scholiast des Lucian 1) Lysipp als Künstler
nennt, ist gewiss nur ein Versehen. Ueber die Angabe des
Paulus Diaconus im Auszuge des Festus s. v. colossus vgl.
unter Colotes.

Hinsichtlich des Maasses des Kolosses stimmen Strabo,
Plinius und Festus überein, indem sie dasselbe auf 70 Ellen oder
105 römische Fuss angeben. Gegenüber diesen ältesten und
sorgfältigsten Quellen verdienen die confusen und sich wider-
sprechenden Nachrichten der Späteren keine Berücksichtigung;
und wir verweisen daher über dieselben und manche andere
Sagen, welche sich an den Koloss als eines der sieben Wun-
derwerke der alten Welt anknüpfen, auf den Commentar Orel-
li's zu Philo von Byzanz. Mancher Leser wird vielleicht als
Kind in seinem Bilderbuche die Gestalt eines dunkelgefärbten
nackten Mannes angestaunt haben, welcher mit gespreizten
Beinen, unter welchem ein Schiff durchfährt, über dem Ein-
gange eines Hafens aufgestellt ist, und in der einen hoch er-
hobenen Hand eine Pfanne mit brennender Flamme hält. In
welchem Gehirn dieser sogenannte Koloss von Rhodos entstanden
sein mag, weiss ich nicht anzugeben. In den Nachrichten der
Alten finden wir durchaus keine Angaben weder speciell über
den Ort der Aufstellung, noch über die äussere Gestalt des
Bildes.

Ausser dem Bilde des Sonnengottes führt Plinius (34, 44)
als ein Werk des Chares noch einen kolossalen Kopf aus Erz
an, welchen der Consul P. Lentulus auf dem Kapitol ge-
weiht hatte.

Dass Chares Schüler des Lysipp war, sagt ausser Plinius
auch der Auctor ad Herennium IV, 6: "Chares lernte von
Lysipp Statuen machen, nicht auf die Weise, dass dieser ihm
einen Kopf des Myron, Arme des Praxiteles, eine Brust des
Polyklet, Bauch und Schenkel .... zeigte; sondern er sah das
alles von dem Lehrer in seiner Gegenwart bilden; die Werke
der Uebrigen konnte er auch für sich allein betrachten." Wenn
Sillig daraus schliessen will, er scheine von seinem Lehrer
besonders begünstigt worden zu sein, so ist dies gewiss zu
weit gegangen. Denn der Sinn ist nur allgemein, dass, wer
einen Andern etwas lehren wolle, im Stande sein müsse, es

1) Icaromen. 12.
Brunn, Geschichte der griech. Künstler. 27

Lesart. Dass der Scholiast des Lucian 1) Lysipp als Künstler
nennt, ist gewiss nur ein Versehen. Ueber die Angabe des
Paulus Diaconus im Auszuge des Festus s. v. colossus vgl.
unter Colotes.

Hinsichtlich des Maasses des Kolosses stimmen Strabo,
Plinius und Festus überein, indem sie dasselbe auf 70 Ellen oder
105 römische Fuss angeben. Gegenüber diesen ältesten und
sorgfältigsten Quellen verdienen die confusen und sich wider-
sprechenden Nachrichten der Späteren keine Berücksichtigung;
und wir verweisen daher über dieselben und manche andere
Sagen, welche sich an den Koloss als eines der sieben Wun-
derwerke der alten Welt anknüpfen, auf den Commentar Orel-
li’s zu Philo von Byzanz. Mancher Leser wird vielleicht als
Kind in seinem Bilderbuche die Gestalt eines dunkelgefärbten
nackten Mannes angestaunt haben, welcher mit gespreizten
Beinen, unter welchem ein Schiff durchfährt, über dem Ein-
gange eines Hafens aufgestellt ist, und in der einen hoch er-
hobenen Hand eine Pfanne mit brennender Flamme hält. In
welchem Gehirn dieser sogenannte Koloss von Rhodos entstanden
sein mag, weiss ich nicht anzugeben. In den Nachrichten der
Alten finden wir durchaus keine Angaben weder speciell über
den Ort der Aufstellung, noch über die äussere Gestalt des
Bildes.

Ausser dem Bilde des Sonnengottes führt Plinius (34, 44)
als ein Werk des Chares noch einen kolossalen Kopf aus Erz
an, welchen der Consul P. Lentulus auf dem Kapitol ge-
weiht hatte.

Dass Chares Schüler des Lysipp war, sagt ausser Plinius
auch der Auctor ad Herennium IV, 6: „Chares lernte von
Lysipp Statuen machen, nicht auf die Weise, dass dieser ihm
einen Kopf des Myron, Arme des Praxiteles, eine Brust des
Polyklet, Bauch und Schenkel .... zeigte; sondern er sah das
alles von dem Lehrer in seiner Gegenwart bilden; die Werke
der Uebrigen konnte er auch für sich allein betrachten.” Wenn
Sillig daraus schliessen will, er scheine von seinem Lehrer
besonders begünstigt worden zu sein, so ist dies gewiss zu
weit gegangen. Denn der Sinn ist nur allgemein, dass, wer
einen Andern etwas lehren wolle, im Stande sein müsse, es

1) Icaromen. 12.
Brunn, Geschichte der griech. Künstler. 27
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[417/0430] Lesart. Dass der Scholiast des Lucian 1) Lysipp als Künstler nennt, ist gewiss nur ein Versehen. Ueber die Angabe des Paulus Diaconus im Auszuge des Festus s. v. colossus vgl. unter Colotes. Hinsichtlich des Maasses des Kolosses stimmen Strabo, Plinius und Festus überein, indem sie dasselbe auf 70 Ellen oder 105 römische Fuss angeben. Gegenüber diesen ältesten und sorgfältigsten Quellen verdienen die confusen und sich wider- sprechenden Nachrichten der Späteren keine Berücksichtigung; und wir verweisen daher über dieselben und manche andere Sagen, welche sich an den Koloss als eines der sieben Wun- derwerke der alten Welt anknüpfen, auf den Commentar Orel- li’s zu Philo von Byzanz. Mancher Leser wird vielleicht als Kind in seinem Bilderbuche die Gestalt eines dunkelgefärbten nackten Mannes angestaunt haben, welcher mit gespreizten Beinen, unter welchem ein Schiff durchfährt, über dem Ein- gange eines Hafens aufgestellt ist, und in der einen hoch er- hobenen Hand eine Pfanne mit brennender Flamme hält. In welchem Gehirn dieser sogenannte Koloss von Rhodos entstanden sein mag, weiss ich nicht anzugeben. In den Nachrichten der Alten finden wir durchaus keine Angaben weder speciell über den Ort der Aufstellung, noch über die äussere Gestalt des Bildes. Ausser dem Bilde des Sonnengottes führt Plinius (34, 44) als ein Werk des Chares noch einen kolossalen Kopf aus Erz an, welchen der Consul P. Lentulus auf dem Kapitol ge- weiht hatte. Dass Chares Schüler des Lysipp war, sagt ausser Plinius auch der Auctor ad Herennium IV, 6: „Chares lernte von Lysipp Statuen machen, nicht auf die Weise, dass dieser ihm einen Kopf des Myron, Arme des Praxiteles, eine Brust des Polyklet, Bauch und Schenkel .... zeigte; sondern er sah das alles von dem Lehrer in seiner Gegenwart bilden; die Werke der Uebrigen konnte er auch für sich allein betrachten.” Wenn Sillig daraus schliessen will, er scheine von seinem Lehrer besonders begünstigt worden zu sein, so ist dies gewiss zu weit gegangen. Denn der Sinn ist nur allgemein, dass, wer einen Andern etwas lehren wolle, im Stande sein müsse, es 1) Icaromen. 12. Brunn, Geschichte der griech. Künstler. 27

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/430>, abgerufen am 22.11.2024.