war. Aus diesem Grunde werden wir ihn auch für einen Athener von Geburt halten dürfen: ein directes Zeugniss, wel- ches diese Annahme zur Gewissheit erheben sollte, glaube ich indessen als durchaus verdächtig abweisen zu müssen. Man wollte dasselbe nemlich in der folgenden Inschrift einer Basis finden, welche aus der Villa Medici in Rom nach Florenz ver- setzt worden ist (C. I. Gr. n. 6161):
[Abbildung]
Allein man sieht nicht ein, weshalb die Alten den Namen des Ganymedes unter eine deutlich diesen Knaben darstellende Statue sollten gesetzt haben. Mir wenigstens ist von einem solchen Gebrauche kein Beispiel bekannt. Weiter finden wir bei Spon, der (Misc. p. 127) diese Inschrift mittheilt, auch noch zwei andere Basen mit den Namen des Agasias und Kleome- nes (p. 124). Diese aber sind offenbar von den Statuen dieser Künstler, dem sogenannten borghesischen Fechter und dem Germanicus, copirt, und zwar nicht in der Absicht, um zu be- trügen, sondern um den modernen Beschauer auf die Inschrif- ten der Statuen selbst aufmerksam zu machen. In dieselbe Klasse gehört aber sicherlich auch die Basis des Ganymed.
Seine Thätigkeit am Mausoleum, dessen westliche Seite er mit Sculpturen schmückte, muss etwa in die Mitte seiner Laufbahn fallen. Denn Plinius (34, 50) führt ihn bereits unter den Künstlern der 102ten Olympiade an. Damals aber war er noch jung. In einem der freilich wohl nicht von Plato selbst geschriebenen Briefe (13, p. 361 A), welcher später als der Besuch bei dem jüngeren Dionys datirt ist, also nach Ol. 103, 2, dem Jahre des Regierungsantrittes dieses Tyrannen, heisst er neos kai agathos demiourgos. Vor Ol. 106, 3 musste er die Statue des Isokrates gemacht haben, da Timotheos, der Sohn des Konon, welcher sie weihete, in diesem Jahre starb: Pseudo- Plut. vit. X orat. Isocr., Phot. biblioth. p. 795 H. Später, als die Arbeiten am Mausoleum, fallen die Werke in dem Ge- bäude, welches Philipp von Macedonien nach der Schlacht von Chaeronea (Ol. 110, 3) in Olympia errichten liess. Endlich führt uns in die letzten Jahre Alexanders die Angabe Plutarchs (Alex. c. 40), dass die Darstellung einer Löwenjagd dieses
war. Aus diesem Grunde werden wir ihn auch für einen Athener von Geburt halten dürfen: ein directes Zeugniss, wel- ches diese Annahme zur Gewissheit erheben sollte, glaube ich indessen als durchaus verdächtig abweisen zu müssen. Man wollte dasselbe nemlich in der folgenden Inschrift einer Basis finden, welche aus der Villa Medici in Rom nach Florenz ver- setzt worden ist (C. I. Gr. n. 6161):
[Abbildung]
Allein man sieht nicht ein, weshalb die Alten den Namen des Ganymedes unter eine deutlich diesen Knaben darstellende Statue sollten gesetzt haben. Mir wenigstens ist von einem solchen Gebrauche kein Beispiel bekannt. Weiter finden wir bei Spon, der (Misc. p. 127) diese Inschrift mittheilt, auch noch zwei andere Basen mit den Namen des Agasias und Kleome- nes (p. 124). Diese aber sind offenbar von den Statuen dieser Künstler, dem sogenannten borghesischen Fechter und dem Germanicus, copirt, und zwar nicht in der Absicht, um zu be- trügen, sondern um den modernen Beschauer auf die Inschrif- ten der Statuen selbst aufmerksam zu machen. In dieselbe Klasse gehört aber sicherlich auch die Basis des Ganymed.
Seine Thätigkeit am Mausoleum, dessen westliche Seite er mit Sculpturen schmückte, muss etwa in die Mitte seiner Laufbahn fallen. Denn Plinius (34, 50) führt ihn bereits unter den Künstlern der 102ten Olympiade an. Damals aber war er noch jung. In einem der freilich wohl nicht von Plato selbst geschriebenen Briefe (13, p. 361 A), welcher später als der Besuch bei dem jüngeren Dionys datirt ist, also nach Ol. 103, 2, dem Jahre des Regierungsantrittes dieses Tyrannen, heisst er νέος καὶ ἀγαϑὸς δημιουργός. Vor Ol. 106, 3 musste er die Statue des Isokrates gemacht haben, da Timotheos, der Sohn des Konon, welcher sie weihete, in diesem Jahre starb: Pseudo- Plut. vit. X orat. Isocr., Phot. biblioth. p. 795 H. Später, als die Arbeiten am Mausoleum, fallen die Werke in dem Ge- bäude, welches Philipp von Macedonien nach der Schlacht von Chaeronea (Ol. 110, 3) in Olympia errichten liess. Endlich führt uns in die letzten Jahre Alexanders die Angabe Plutarchs (Alex. c. 40), dass die Darstellung einer Löwenjagd dieses
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0399"n="386"/>
war. Aus diesem Grunde werden wir ihn auch für einen<lb/>
Athener von Geburt halten dürfen: ein directes Zeugniss, wel-<lb/>
ches diese Annahme zur Gewissheit erheben sollte, glaube ich<lb/>
indessen als durchaus verdächtig abweisen zu müssen. Man<lb/>
wollte dasselbe nemlich in der folgenden Inschrift einer Basis<lb/>
finden, welche aus der Villa Medici in Rom nach Florenz ver-<lb/>
setzt worden ist (C. I. Gr. n. 6161):<lb/><figure/><lb/>
Allein man sieht nicht ein, weshalb die Alten den Namen<lb/>
des Ganymedes unter eine deutlich diesen Knaben darstellende<lb/>
Statue sollten gesetzt haben. Mir wenigstens ist von einem<lb/>
solchen Gebrauche kein Beispiel bekannt. Weiter finden wir<lb/>
bei Spon, der (Misc. p. 127) diese Inschrift mittheilt, auch noch<lb/>
zwei andere Basen mit den Namen des Agasias und Kleome-<lb/>
nes (p. 124). Diese aber sind offenbar von den Statuen dieser<lb/>
Künstler, dem sogenannten borghesischen Fechter und dem<lb/>
Germanicus, copirt, und zwar nicht in der Absicht, um zu be-<lb/>
trügen, sondern um den modernen Beschauer auf die Inschrif-<lb/>
ten der Statuen selbst aufmerksam zu machen. In dieselbe<lb/>
Klasse gehört aber sicherlich auch die Basis des Ganymed.</p><lb/><p>Seine Thätigkeit am Mausoleum, dessen westliche Seite er<lb/>
mit Sculpturen schmückte, muss etwa in die Mitte seiner<lb/>
Laufbahn fallen. Denn Plinius (34, 50) führt ihn bereits unter<lb/>
den Künstlern der 102ten Olympiade an. Damals aber war er<lb/>
noch jung. In einem der freilich wohl nicht von Plato selbst<lb/>
geschriebenen Briefe (13, p. 361 A), welcher später als der<lb/>
Besuch bei dem jüngeren Dionys datirt ist, also nach Ol. 103, 2,<lb/>
dem Jahre des Regierungsantrittes dieses Tyrannen, heisst<lb/>
er νέοςκαὶἀγαϑὸςδημιουργός. Vor Ol. 106, 3 musste er die<lb/>
Statue des Isokrates gemacht haben, da Timotheos, der Sohn<lb/>
des Konon, welcher sie weihete, in diesem Jahre starb: Pseudo-<lb/>
Plut. vit. X orat. Isocr., Phot. biblioth. p. 795 H. Später, als<lb/>
die Arbeiten am Mausoleum, fallen die Werke in dem Ge-<lb/>
bäude, welches Philipp von Macedonien nach der Schlacht von<lb/>
Chaeronea (Ol. 110, 3) in Olympia errichten liess. Endlich<lb/>
führt uns in die letzten Jahre Alexanders die Angabe Plutarchs<lb/>
(Alex. c. 40), dass die Darstellung einer Löwenjagd dieses<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[386/0399]
war. Aus diesem Grunde werden wir ihn auch für einen
Athener von Geburt halten dürfen: ein directes Zeugniss, wel-
ches diese Annahme zur Gewissheit erheben sollte, glaube ich
indessen als durchaus verdächtig abweisen zu müssen. Man
wollte dasselbe nemlich in der folgenden Inschrift einer Basis
finden, welche aus der Villa Medici in Rom nach Florenz ver-
setzt worden ist (C. I. Gr. n. 6161):
[Abbildung]
Allein man sieht nicht ein, weshalb die Alten den Namen
des Ganymedes unter eine deutlich diesen Knaben darstellende
Statue sollten gesetzt haben. Mir wenigstens ist von einem
solchen Gebrauche kein Beispiel bekannt. Weiter finden wir
bei Spon, der (Misc. p. 127) diese Inschrift mittheilt, auch noch
zwei andere Basen mit den Namen des Agasias und Kleome-
nes (p. 124). Diese aber sind offenbar von den Statuen dieser
Künstler, dem sogenannten borghesischen Fechter und dem
Germanicus, copirt, und zwar nicht in der Absicht, um zu be-
trügen, sondern um den modernen Beschauer auf die Inschrif-
ten der Statuen selbst aufmerksam zu machen. In dieselbe
Klasse gehört aber sicherlich auch die Basis des Ganymed.
Seine Thätigkeit am Mausoleum, dessen westliche Seite er
mit Sculpturen schmückte, muss etwa in die Mitte seiner
Laufbahn fallen. Denn Plinius (34, 50) führt ihn bereits unter
den Künstlern der 102ten Olympiade an. Damals aber war er
noch jung. In einem der freilich wohl nicht von Plato selbst
geschriebenen Briefe (13, p. 361 A), welcher später als der
Besuch bei dem jüngeren Dionys datirt ist, also nach Ol. 103, 2,
dem Jahre des Regierungsantrittes dieses Tyrannen, heisst
er νέος καὶ ἀγαϑὸς δημιουργός. Vor Ol. 106, 3 musste er die
Statue des Isokrates gemacht haben, da Timotheos, der Sohn
des Konon, welcher sie weihete, in diesem Jahre starb: Pseudo-
Plut. vit. X orat. Isocr., Phot. biblioth. p. 795 H. Später, als
die Arbeiten am Mausoleum, fallen die Werke in dem Ge-
bäude, welches Philipp von Macedonien nach der Schlacht von
Chaeronea (Ol. 110, 3) in Olympia errichten liess. Endlich
führt uns in die letzten Jahre Alexanders die Angabe Plutarchs
(Alex. c. 40), dass die Darstellung einer Löwenjagd dieses
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/399>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.