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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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der Schatten, sondern auch Herr der in der Erde ruhenden
Schätze und als solcher durch den Modius bezeichnet ist. Das
Bild gerade dieses Gottes aber eignet sich ganz besonders zum
Geschenke für den, welcher in Hungersnoth ein Helfer gewe-
sen ist. Bekannt ist ferner die Freigebigkeit der Ptolemaeer
in Fällen, wo unvorhergesehenes Unglück befreundete Staaten
betroffen hatte. Der erste König dieses Namens aber nahm
diesen Titel Ol. 118, 3 an, also wenn nicht bei Lebzeiten des
Bryaxis, doch bald nach seinem Tode. Wo in verschiedenen
Ueberlieferungen sich ein solcher Kern von übereinstimmenden,
an sich durchaus glaublichen Zügen findet, da werden wir an-
statt mit der Fabel und den Widersprüchen auch die ganze
zu Grunde liegende Wahrheit zu verwerfen, vielmehr an die-
sem Kerne festhalten müssen. Wir betrachten daher die Statue
des Serapis als ein Werk des Bryaxis, welches einst von einer
griechischen Stadt einem der Ptolemaeer zum Geschenk gemacht
wurde. Dadurch gewinnen wir auch noch die kunstgeschicht-
liche Thatsache, dass Bryaxis wahrscheinlich derjenige ist,
welcher für den später häufig dargestellten Pluton-Serapis zu-
erst das Ideal durchbildete, und zwar in einem Werke, wel-
ches auch in äusserer Pracht mit den Göttergestalten der
glänzendsten Periode der griechischen Kunst wetteiferte. Für
unsere Kenntniss der polychromen Sculptur ist endlich die An-
gabe von Bedeutung, dass der Künstler alle die verschiedenen
Stoffe mit einer dunkeln Tinte überzog, um durch die düstere
Farbe auch den düsteren Charakter des Gottes um so bestimm-
ter hervorzuheben.

Auf ein nach Rom versetztes Werk bezieht sich die In-
schrift OPUS BRYAXIDIS, sofern sie echt ist. Doni (II, 23,
vgl. Muratori 472, 7) giebt sie aus einer vaticanischen Hand-
schrift.

Columella (I, praef. §. 31) nennt den Namen des Bryaxis
neben Lysipp, Praxiteles, Polyklet, was als ein Zeugniss für
seine Berühmtheit bemerkt zu werden verdient. Worin sein
eigenthümliches Verdienst bestand, vermögen wir nicht nach-
zuweisen, und bemerken nur, dass er vorzugsweise sich der
Bildung von Götterstatuen zugewendet hatte.

Leochares.

Mehrere Werke dieses Künstlers befanden sich in Athen,
wo er, wie wir sehen werden, schon in seiner Jugend thätig

Brunn, Geschichte der griech. Künstler. 25

der Schatten, sondern auch Herr der in der Erde ruhenden
Schätze und als solcher durch den Modius bezeichnet ist. Das
Bild gerade dieses Gottes aber eignet sich ganz besonders zum
Geschenke für den, welcher in Hungersnoth ein Helfer gewe-
sen ist. Bekannt ist ferner die Freigebigkeit der Ptolemaeer
in Fällen, wo unvorhergesehenes Unglück befreundete Staaten
betroffen hatte. Der erste König dieses Namens aber nahm
diesen Titel Ol. 118, 3 an, also wenn nicht bei Lebzeiten des
Bryaxis, doch bald nach seinem Tode. Wo in verschiedenen
Ueberlieferungen sich ein solcher Kern von übereinstimmenden,
an sich durchaus glaublichen Zügen findet, da werden wir an-
statt mit der Fabel und den Widersprüchen auch die ganze
zu Grunde liegende Wahrheit zu verwerfen, vielmehr an die-
sem Kerne festhalten müssen. Wir betrachten daher die Statue
des Serapis als ein Werk des Bryaxis, welches einst von einer
griechischen Stadt einem der Ptolemaeer zum Geschenk gemacht
wurde. Dadurch gewinnen wir auch noch die kunstgeschicht-
liche Thatsache, dass Bryaxis wahrscheinlich derjenige ist,
welcher für den später häufig dargestellten Pluton-Serapis zu-
erst das Ideal durchbildete, und zwar in einem Werke, wel-
ches auch in äusserer Pracht mit den Göttergestalten der
glänzendsten Periode der griechischen Kunst wetteiferte. Für
unsere Kenntniss der polychromen Sculptur ist endlich die An-
gabe von Bedeutung, dass der Künstler alle die verschiedenen
Stoffe mit einer dunkeln Tinte überzog, um durch die düstere
Farbe auch den düsteren Charakter des Gottes um so bestimm-
ter hervorzuheben.

Auf ein nach Rom versetztes Werk bezieht sich die In-
schrift OPUS BRYAXIDIS, sofern sie echt ist. Doni (II, 23,
vgl. Muratori 472, 7) giebt sie aus einer vaticanischen Hand-
schrift.

Columella (I, praef. §. 31) nennt den Namen des Bryaxis
neben Lysipp, Praxiteles, Polyklet, was als ein Zeugniss für
seine Berühmtheit bemerkt zu werden verdient. Worin sein
eigenthümliches Verdienst bestand, vermögen wir nicht nach-
zuweisen, und bemerken nur, dass er vorzugsweise sich der
Bildung von Götterstatuen zugewendet hatte.

Leochares.

Mehrere Werke dieses Künstlers befanden sich in Athen,
wo er, wie wir sehen werden, schon in seiner Jugend thätig

Brunn, Geschichte der griech. Künstler. 25
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[385/0398] der Schatten, sondern auch Herr der in der Erde ruhenden Schätze und als solcher durch den Modius bezeichnet ist. Das Bild gerade dieses Gottes aber eignet sich ganz besonders zum Geschenke für den, welcher in Hungersnoth ein Helfer gewe- sen ist. Bekannt ist ferner die Freigebigkeit der Ptolemaeer in Fällen, wo unvorhergesehenes Unglück befreundete Staaten betroffen hatte. Der erste König dieses Namens aber nahm diesen Titel Ol. 118, 3 an, also wenn nicht bei Lebzeiten des Bryaxis, doch bald nach seinem Tode. Wo in verschiedenen Ueberlieferungen sich ein solcher Kern von übereinstimmenden, an sich durchaus glaublichen Zügen findet, da werden wir an- statt mit der Fabel und den Widersprüchen auch die ganze zu Grunde liegende Wahrheit zu verwerfen, vielmehr an die- sem Kerne festhalten müssen. Wir betrachten daher die Statue des Serapis als ein Werk des Bryaxis, welches einst von einer griechischen Stadt einem der Ptolemaeer zum Geschenk gemacht wurde. Dadurch gewinnen wir auch noch die kunstgeschicht- liche Thatsache, dass Bryaxis wahrscheinlich derjenige ist, welcher für den später häufig dargestellten Pluton-Serapis zu- erst das Ideal durchbildete, und zwar in einem Werke, wel- ches auch in äusserer Pracht mit den Göttergestalten der glänzendsten Periode der griechischen Kunst wetteiferte. Für unsere Kenntniss der polychromen Sculptur ist endlich die An- gabe von Bedeutung, dass der Künstler alle die verschiedenen Stoffe mit einer dunkeln Tinte überzog, um durch die düstere Farbe auch den düsteren Charakter des Gottes um so bestimm- ter hervorzuheben. Auf ein nach Rom versetztes Werk bezieht sich die In- schrift OPUS BRYAXIDIS, sofern sie echt ist. Doni (II, 23, vgl. Muratori 472, 7) giebt sie aus einer vaticanischen Hand- schrift. Columella (I, praef. §. 31) nennt den Namen des Bryaxis neben Lysipp, Praxiteles, Polyklet, was als ein Zeugniss für seine Berühmtheit bemerkt zu werden verdient. Worin sein eigenthümliches Verdienst bestand, vermögen wir nicht nach- zuweisen, und bemerken nur, dass er vorzugsweise sich der Bildung von Götterstatuen zugewendet hatte. Leochares. Mehrere Werke dieses Künstlers befanden sich in Athen, wo er, wie wir sehen werden, schon in seiner Jugend thätig Brunn, Geschichte der griech. Künstler. 25

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/398>, abgerufen am 12.05.2024.