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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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führlich beschreibt. Der eine war dargestellt als junger, blü-
hender Knabe mit Flügeln. Er bog seine Rechte über den
Scheitel, hielt in der anderen Hand den Bogen empor und liess
das Gewicht des Körpers auf der linken Seite ruhen. Das
Haupt war von blühendem Lockenhaar beschattet. An dem
anderen lobt Callistratus die zarte Bildung des jugendlichen
Körpers, den liebreizenden Ausdruck der Augen, die reiche
Fülle des Haares, welches nach den Augenbrauen überhängend
durch ein Band zusammengehalten wurde. Als Ort der Auf-
stellung dieses zweiten Bildes wird die Akropolis (von Athen?)
angegeben.

Dem Kreise heroischer Darstellungen gehören an:

Die meisten der Kämpfe des Herakles im Giebel seines
Tempels zu Theben. Uebergangen waren dabei der Kampf ge-
gen die stymphalischen Vögel und die Reinigung des eleischen
Landes, dagegen aber das Ringen mit Antaeos aufgenommen:
Paus. IX, 11, 4; vgl. Welcker Alt. Denkm. I, S. 206.

Die "Statuen vor dem Tempel der Felicitas" (Plin. 34, 69)
waren aller Wahrscheinlichkeit nach die Thespiaden, wel-
che Mummius von dort weggeführt hatte: Cic. in Verr. IV, 2, 4.
Von ihm lieh sie Lucullus zur Einweihungsfeier des Tempels,
den er wegen seiner Siege in Spanien erbaut hatte, weihete
sie aber listiger Weise mit demselben, so dass sie ohne Ver-
letzung der Religion nicht wieder weggenommen werden konn-
ten: Dio Cass. fragm. Peiresc. 81. Dagegen scheint freilich
der Umstand zu sprechen, dass Plinius an einer anderen Stelle
(36, 39) Thespiaden vor diesem Tempel als Marmorwerke an-
führt, während die Statuen des Praxiteles unter dessen Bronze-
werken genannt werden. Doch kann Plinius leicht an einer
der beiden Stellen geirrt haben, da der Tempel mit den Sta-
tuen eine Reihe von Jahren vor Abfassung seiner Bücher, un-
ter Claudius, abgebrannt war (vgl. unter Kleomenes). -- Ueber
die Art der Darstellung dieser Frauen sind wir nicht unterrich-
tet; doch mussten reizende Gestalten sich unter ihnen finden,
da Plinius erzählt, ein römischer Ritter, Junius Pisciculus,
habe sich in eine derselben verliebt.

Unter den Darstellungen wirklicher Personen sind am be-
rühmtesten zwei Statuen der Phryne, die eine aus Mar-
mor in Thespiae: Paus. IX, 27, 4; die andere aus vergoldetem
Erz in Delphi von ihr selbst geweiht: Paus. X, 14, 5; Plut.

führlich beschreibt. Der eine war dargestellt als junger, blü-
hender Knabe mit Flügeln. Er bog seine Rechte über den
Scheitel, hielt in der anderen Hand den Bogen empor und liess
das Gewicht des Körpers auf der linken Seite ruhen. Das
Haupt war von blühendem Lockenhaar beschattet. An dem
anderen lobt Callistratus die zarte Bildung des jugendlichen
Körpers, den liebreizenden Ausdruck der Augen, die reiche
Fülle des Haares, welches nach den Augenbrauen überhängend
durch ein Band zusammengehalten wurde. Als Ort der Auf-
stellung dieses zweiten Bildes wird die Akropolis (von Athen?)
angegeben.

Dem Kreise heroischer Darstellungen gehören an:

Die meisten der Kämpfe des Herakles im Giebel seines
Tempels zu Theben. Uebergangen waren dabei der Kampf ge-
gen die stymphalischen Vögel und die Reinigung des eleischen
Landes, dagegen aber das Ringen mit Antaeos aufgenommen:
Paus. IX, 11, 4; vgl. Welcker Alt. Denkm. I, S. 206.

Die „Statuen vor dem Tempel der Felicitas” (Plin. 34, 69)
waren aller Wahrscheinlichkeit nach die Thespiaden, wel-
che Mummius von dort weggeführt hatte: Cic. in Verr. IV, 2, 4.
Von ihm lieh sie Lucullus zur Einweihungsfeier des Tempels,
den er wegen seiner Siege in Spanien erbaut hatte, weihete
sie aber listiger Weise mit demselben, so dass sie ohne Ver-
letzung der Religion nicht wieder weggenommen werden konn-
ten: Dio Cass. fragm. Peiresc. 81. Dagegen scheint freilich
der Umstand zu sprechen, dass Plinius an einer anderen Stelle
(36, 39) Thespiaden vor diesem Tempel als Marmorwerke an-
führt, während die Statuen des Praxiteles unter dessen Bronze-
werken genannt werden. Doch kann Plinius leicht an einer
der beiden Stellen geirrt haben, da der Tempel mit den Sta-
tuen eine Reihe von Jahren vor Abfassung seiner Bücher, un-
ter Claudius, abgebrannt war (vgl. unter Kleomenes). — Ueber
die Art der Darstellung dieser Frauen sind wir nicht unterrich-
tet; doch mussten reizende Gestalten sich unter ihnen finden,
da Plinius erzählt, ein römischer Ritter, Junius Pisciculus,
habe sich in eine derselben verliebt.

Unter den Darstellungen wirklicher Personen sind am be-
rühmtesten zwei Statuen der Phryne, die eine aus Mar-
mor in Thespiae: Paus. IX, 27, 4; die andere aus vergoldetem
Erz in Delphi von ihr selbst geweiht: Paus. X, 14, 5; Plut.

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[342/0355] führlich beschreibt. Der eine war dargestellt als junger, blü- hender Knabe mit Flügeln. Er bog seine Rechte über den Scheitel, hielt in der anderen Hand den Bogen empor und liess das Gewicht des Körpers auf der linken Seite ruhen. Das Haupt war von blühendem Lockenhaar beschattet. An dem anderen lobt Callistratus die zarte Bildung des jugendlichen Körpers, den liebreizenden Ausdruck der Augen, die reiche Fülle des Haares, welches nach den Augenbrauen überhängend durch ein Band zusammengehalten wurde. Als Ort der Auf- stellung dieses zweiten Bildes wird die Akropolis (von Athen?) angegeben. Dem Kreise heroischer Darstellungen gehören an: Die meisten der Kämpfe des Herakles im Giebel seines Tempels zu Theben. Uebergangen waren dabei der Kampf ge- gen die stymphalischen Vögel und die Reinigung des eleischen Landes, dagegen aber das Ringen mit Antaeos aufgenommen: Paus. IX, 11, 4; vgl. Welcker Alt. Denkm. I, S. 206. Die „Statuen vor dem Tempel der Felicitas” (Plin. 34, 69) waren aller Wahrscheinlichkeit nach die Thespiaden, wel- che Mummius von dort weggeführt hatte: Cic. in Verr. IV, 2, 4. Von ihm lieh sie Lucullus zur Einweihungsfeier des Tempels, den er wegen seiner Siege in Spanien erbaut hatte, weihete sie aber listiger Weise mit demselben, so dass sie ohne Ver- letzung der Religion nicht wieder weggenommen werden konn- ten: Dio Cass. fragm. Peiresc. 81. Dagegen scheint freilich der Umstand zu sprechen, dass Plinius an einer anderen Stelle (36, 39) Thespiaden vor diesem Tempel als Marmorwerke an- führt, während die Statuen des Praxiteles unter dessen Bronze- werken genannt werden. Doch kann Plinius leicht an einer der beiden Stellen geirrt haben, da der Tempel mit den Sta- tuen eine Reihe von Jahren vor Abfassung seiner Bücher, un- ter Claudius, abgebrannt war (vgl. unter Kleomenes). — Ueber die Art der Darstellung dieser Frauen sind wir nicht unterrich- tet; doch mussten reizende Gestalten sich unter ihnen finden, da Plinius erzählt, ein römischer Ritter, Junius Pisciculus, habe sich in eine derselben verliebt. Unter den Darstellungen wirklicher Personen sind am be- rühmtesten zwei Statuen der Phryne, die eine aus Mar- mor in Thespiae: Paus. IX, 27, 4; die andere aus vergoldetem Erz in Delphi von ihr selbst geweiht: Paus. X, 14, 5; Plut.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/355>, abgerufen am 13.05.2024.